Выбрать главу

»Du kannst genug Latein, um mir deinen Namen zu sagen. Kannst du mich verstehen?«, fragte Julius.

Adàn sammelte Speichel in seinem trockenen Mund. »Ja, das kann ich«, sagte er. Wenigstens hatte seine Stimme nicht gezittert wie die eines kleinen Jungen. Er reckte ein wenig die Schultern und sah die anderen Männer an. Die offene Feindseligkeit eines von ihnen ließ ihn beinahe zurückweichen. Es war ein Bär von einem Mann mit nur einem Arm, der vor Wut schier zu knurren schien.

»Du hast den Wachen gesagt, du seist derjenige, den wir suchen. Der, der den Soldaten getötet hat«, fuhr Julius fort.

Adàn richtete den Blick wieder auf ihn.

»Das stimmt. Ich habe ihn getötet«, erwiderte er rasch. »Du hast ihn auch gefoltert«, fügte Julius hinzu.

Adàn schluckte wieder mühsam. Er hatte sich diese Szene genau ausgemalt, während er über die dunklen Felder zur Festung gelaufen war. Doch den kämpferischen Trotz, mit dem er hatte reagieren wollen, konnte er einfach nicht aufbieten. Stattdessen hatte er irgendwie das Gefühl, als müsse er seinem eigenen Vater Rede und Antwort stehen. Und trotz aller guten Vorsätze schaffte er es nur, wenigstens nicht verlegen auf seine Füße zu starren.

»Er hat versucht, meiner Mutter Gewalt anzutun. Da habe ich ihn in den Wald geführt. Sie wollte mich davon abhalten, aber ich habe nicht auf sie gehört«, sagte Adàn steif und versuchte, sich an die genauen Worte zu erinnern, die er hatte sagen wollen.

Jemand im Raum murmelte einen Fluch, aber Adàn konnte seine Augen nicht von ihrem Anführer abwenden. Er fühlte sich merkwürdig erleichtert, jetzt, nachdem es endlich heraus war. Jetzt würden sie ihn töten und seine Eltern freilassen.

An seine Mutter zu denken war ein Fehler gewesen. Urplötzlich schossen ihm die Tränen in die Augen, die er sofort zornig wieder zurückzudrängen versuchte. Sie würde nicht wollen, dass er vor diesen Männern Schwäche zeigte.

Julius beobachtete ihn. Der junge Spanier zitterte sichtlich, und das aus gutem Grund. Er musste nur den Befehl dazu geben und man würde Adàn hinunter in den Hof führen und vor den versammelten Offizieren hinrichten. Dann wäre diese Geschichte ein für alle Mal aus der Welt. Aber irgendetwas hielt Julius davon ab.

»Warum hast du dich gestellt, Adàn?«

»Meine Familie ist zum Verhör abgeholt worden, Herr. Sie sind unschuldig. Ich bin derjenige, den ihr haben wollt.«

»Und du glaubst, dein Tod wird sie retten?«

Adàn zögerte. Wie sollte er nur erklären, dass nur dieser winzige Hoffnungsschimmer ihn hatte hierher kommen lassen?

»Sie haben nichts Unrechtes getan.«

Julius hob die Hand und kratzte sich an der Augenbraue. Dann ließ er den Arm auf die Stuhllehne zurücksinken, während er nachdachte.

»Als ich noch jünger war als du jetzt, Adàn, habe ich einmal vor einem Römer namens Cornelius Sulla gestanden. Er hatte meinen Onkel umgebracht und alles zerstört, was mir jemals etwas bedeutet hat. Er sagte zu mir, ich sei frei, wenn ich meine Frau verstoßen und ihren Vater damit beschämen würde. Er liebte solche kleinen Gemeinheiten.«

Einen Moment lang schweifte Julius’ Blick ab, und er schien sich in seiner eigenen Vergangenheit zu verlieren. Adàn spürte, wie ihm kalter Schweiß auf die Stirn trat. Warum redete dieser Mann so mit ihm? Er hatte doch schon alles gestanden, was gab es denn noch? Doch trotz seiner Angst wurde er neugierig. Für die Spanier hatten die Römer immer nur ein Gesicht. Zu hören, dass es auch in ihren eigenen Reihen Rivalitäten und Feinde gab, war für ihn eine Offenbarung.

»Ich habe diesen Mann gehasst, Adàn«, fuhr Julius fort. »Hätte ich eine Waffe gehabt, ich hätte ihn auf der Stelle getötet, auch wenn es meinen eigenen Tod bedeutet hätte. Ich frage mich, ob du diese Art von Hass verstehen kannst.«

»Und du hast deine Frau nicht aufgegeben?«, fragte Adàn. Julius blinzelte kurz bei der unvermittelten Frage und lächelte dann bitter.

»Nein. Ich habe mich geweigert, doch er hat mich am Leben gelassen. Der Boden zu seinen Füßen war mit dem Blut der Menschen besudelt, die er gefoltert und getötet hatte, aber mich ließ er am Leben. Ich habe mich oft gefragt, warum.«

»Er hat nicht geglaubt, dass du ihm gefährlich werden könntest«, sagte Adàn. Sein Mut, so mit dem General zu reden, überraschte ihn selbst. Julius schüttelte, noch immer in Gedanken verloren, langsam den Kopf.

»Das bezweifle ich. Ich habe ihm gesagt, wenn er mich freiließe, würde ich mein Leben daransetzen, ihn zu töten.« Beinahe hätte er es laut ausgesprochen, wie sein Freund den Diktator vergiftet hatte. Aber diesen Teil der Geschichte durfte er niemals erzählen, nicht einmal den in diesem Raum versammelten Getreuen.

Julius zuckte die Achseln. »Am Ende hat ihn jemand anderes umgebracht ... was zu den Dingen in meinem Leben gehört, die ich am meisten bedaure. Dass ich ihn nicht selbst töten und zusehen durfte, wie das Leben langsam aus seinen Augen wich.«

Adàn musste den Blick von dem verzehrenden Feuer abwenden, das er in dem Römer lodern sah. Er glaubte ihm jedes Wort, und der Gedanke, dass dieser Mann mit der gleichen Rachsucht seinen eigenen Tod anordnen konnte, ließ ihn schaudern.

Eine ganze Weile sagte Julius kein Wort mehr, und Adàn spürte, wie die Anspannung ihm langsam die Kräfte raubte. Als der Römer das Schweigen schließlich doch brach, fuhr Adàns Kopf erschrocken hoch.

»Es gibt in Valencia und in unseren Zellen noch andere Mörder. Einer von ihnen wird für dein Verbrechen und für seine eigenen gehängt werden. Dich aber werde ich begnadigen. Ich werde mit meinem Name unterzeichnen, und du wirst mit deiner Familie nach Hause gehen und nie wieder meinen Unwillen erregen.«

Renius stieß empört die angehaltene Luft durch die Nase aus. »Ich möchte eine kurze private Unterredung, General«, sagte er mit belegter Stimme und sah Adàn dabei giftig an. Der junge Spanier stand mit vor Überraschung offenem Mund da.

»Abgelehnt, Renius. Ich habe gesprochen, und dabei bleibt es«, erwiderte Julius, ohne ihn anzusehen. Stattdessen musterte er weiter den Jungen und fühlte, wie eine Last von seinen Schultern wich. Jetzt wusste er genau, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hatte sich selbst in dem jungen Spanier gesehen, und es kam ihm vor, als habe sich ein Schleier in seiner Erinnerung gehoben. Wie Furcht erregend Sulla damals auf ihn gewirkt hatte. Für Adàn war Julius wohl auch nur einer dieser grausamen Männer, die sich in metallene Rüstungen und verhärtete Gedanken hüllten. Und wie nahe war er daran gewesen, Adàn pfählen, verbrennen oder ans Tor des Forts nageln zu lassen, so wie Sulla es mit so vielen seiner Feinde getan hatte. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Sullas Launen Adàn jetzt das Leben retteten. Aber Julius hatte sich gerade noch rechtzeitig zurückgehalten, bevor er das Todesurteil ausgesprochen hatte, und nun fragte er sich insgeheim, was aus ihm geworden war. Nein, er würde nicht zu einem dieser Männer werden, die er damals schon gehasst hatte. Auch das Alter würde ihn nicht in dieses Muster zwängen, solange er es verhindern konnte. Er erhob sich und trat vor Adàn hin.

»Ich erwarte von dir, dass du diese Chance nicht vergeudest, denn eine zweite bekommst du von mir nicht.«

Adàn wäre beinahe in Tränen ausgebrochen; seine Gefühle drohten ihn zu überwältigen. Er hatte sich schon auf den Tod vorbereitet. Dass er jetzt verschont worden war und man ihm die Freiheit versprochen hatte, war einfach zu viel für ihn. Aus einem Reflex heraus, und bevor jemand ihn daran hindern konnte, machte er einen Schritt nach vorne und beugte das Knie.

Julius blickte versonnen auf den jungen Mann vor ihm hinunter.