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Doch was mir Sorgen machte, war nicht der Gedanke an Leutnant Hayes und seine Männer; es war Jamie. Äußerlich war er so ruhig und selbstsicher wie eh und je, und in seinem Mundwinkel lauerte stets dieses schwache Lächeln. Doch ich kannte ihn sehr gut; ich hatte gesehen, wie die beiden steifen Finger seiner rechten Hand – in einem englischen Gefängnis verstümmelt – zuckend gegen sein Bein geklopft hatten, als er in der vergangenen Nacht mit Hayes Witze und Geschichten ausgetauscht hatte. Noch jetzt konnte ich die schmale Falte sehen, die sich zwischen seinen Augenbrauen bildete, wenn er sich Sorgen machte, und es war nicht seine derzeitige Beschäftigung, die ihm Sorgen machte.

Sorgte er sich einfach nur wegen der Proklamation? Dafür sah ich keinen Grund, da schließlich niemand aus unserer Siedlung an den Unruhen von Hillsborough beteiligt gewesen war.

»…Presbyterianer«, sagte er gerade. Er sah mich ironisch lächelnd an. »Wie unser Roger.«

Die Erinnerung, die ich vorhin im Hinterkopf gehabt hatte, nahm plötzlich konkrete Formen an.

»Du hast es gewusst«, sagte ich. »Du hast gewusst, dass Roger kein Katholik ist. Du hast gesehen, wie er dieses Kind in Snaketown getauft hat, als wir … ihn von den Indianern befreit haben.« Zu spät sah ich, wie der Schatten sein Gesicht überzog, und biss mir auf die Zunge. Als wir Roger befreit hatten – und Jamies geliebten Neffen Ian an seiner Stelle dort gelassen hatten.

»Aye, das habe ich«, sagte er.

»Aber Brianna –«

»Sie würde den Jungen doch sogar heiraten, wenn er Hottentotte wäre«, unterbrach mich Jamie. »Das kann jeder sehen. Und ich kann nicht einmal sagen, dass ich viel gegen Roger einzuwenden hätte, wenn er Hottentotte wäre«, fügte er zu meiner großen Überraschung hinzu.

»Nicht?«

Jamie zuckte mit den Achseln und trat über den winzigen Bach hinweg an meine Seite. Er wischte sich die feuchten Hände am Saum seines Plaids ab.

»Der Junge hat Courage und ein gutes Herz. Du weißt, dass er das Baby als sein eigenes Kind angenommen und Brianna gegenüber kein Wort darüber verloren hat. Genau, wie es sich für einen Mann gehört – aber nicht jeder Mann würde es tun.«

Ich blickte unwillkürlich auf Jemmy hinunter, der es sich auf meinem Arm gemütlich gemacht hatte. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, doch hin und wieder suchte selbst ich seine absolut liebenswerten Gesichtszüge nach einer Spur ab, die vielleicht seine wahre Abstammung preisgab.

Brianna hatte Roger die Ehe in die Hand versprochen, eine Nacht mit ihm verbracht – und war zwei Tage später von Stephen Bonnet vergewaltigt worden. Es war unmöglich zu sagen, wer der Vater war, und bis jetzt machte Jemmy keinerlei Anstalten, einem der beiden Männer auch nur ansatzweise zu ähneln. Momentan kaute er mit einer Grimasse der Konzentration auf seiner Faust herum, und mit seinem weichen, rotgoldenen Plüsch sah er vor allem Jamie ähnlich.

»Mm. Warum hast du dann so darauf bestanden, dass der Priester Roger überprüft?«

»Nun, heiraten werden sie so oder so«, sagte er in aller Logik. »Aber ich wollte, dass der Kleine katholisch getauft wird.« Er legte seine breite Hand sanft auf Jemmys Kopf und strich ihm mit dem Daumen die winzigen, roten Augenbrauen glatt. »Also dachte ich mir, wenn ich ein bisschen Theater um Roger machte, dann sind sie vielleicht in Bezug auf an gille ruaidh hier gern einverstanden, aye?«

Ich lachte und zog Jemmy ein Stück Decke über die Ohren.

»Und ich dachte, Brianna hätte dich durchschaut!«

»Das denkt sie auch«, sagte er grinsend. Er bückte sich unvermittelt und küsste mich.

Sein Mund war weich und sehr warm. Er schmeckte nach Kaffee und Honig, und er roch stark nach Holzrauch und ungewaschenem Mann mit einem winzigen Hauch Windelaroma.

»Oh, das ist schön«, sagte ich beifällig. »Mach das noch einmal.«

Der Wald um uns war still, wie es nur ein Wald ist. Kein Vogel, kein Tier, nur der Gesang der Blätter über uns und das Rauschen des Wassers zu unseren Füßen. Ständige Bewegung, ständig Geräusche – und mitten darin perfekter Friede. Es waren jede Menge Menschen auf dem Berg, und die meisten von ihnen waren gar nicht weit von uns entfernt – doch genau hier, genau jetzt hätten wir allein auf dem Jupiter sein können.

Ich öffnete seufzend die Augen und schmeckte Honig. Jamie lächelte mich an und strich mir ein herabgefallenes, gelbes Blatt aus dem Haar. Das Baby lag in meinen Armen, ein schweres, warmes Gewicht, der Mittelpunkt des Universums.

Keiner von uns sprach, denn wir wollten die Stille nicht stören. Es war, als stünden wir auf der Spitze eines kreisenden Berges, dachte ich – um uns ein Strudel von Ereignissen und Menschen, und jeder Schritt in eine beliebige Richtung würde uns in das wirbelnde Durcheinander zurückstürzen, doch hier im absoluten Zentrum – herrschte Friede.

Ich streckte die Hand aus und strich ihm ein paar Ahornsamen von der Schulter. Er hob meine Hand und führte sie mit einer plötzlichen Heftigkeit an seinen Mund, die mich aufschrecken ließ. Und doch waren seine Lippen sanft, war seine Zungenspitze warm auf dem fleischigen Hügel an der Wurzel meines Daumens – Venushügel genannt, der Sitz der Liebe.

Er hob den Kopf, und ich spürte die plötzliche Kühle an der Stelle, wo die uralte Narbe zu sehen war, bleich wie ein Knochen. Ein J, das in die Haut geritzt war, sein Zeichen auf meiner Hand.

Er legte seine Hand an mein Gesicht, und ich drückte mit der meinen dagegen, als könnte ich das verblichene C auf der kalten Haut meiner Wange spüren. Keiner von uns sprach, doch der Schwur war getan, wie wir ihn schon einmal an einem Ort der Zuflucht geleistet hatten, mit den Füßen auf einem Felssplitter inmitten des Treibsandes, der einen Krieg verhieß.

Er war nicht nah, noch nicht. Doch ich hörte ihn kommen im Klang der Trommeln und Proklamationen, sah ihn im Glitzern des Stahls, wurde an Leib und Seele von Furcht durchdrungen, wenn ich in Jamies Augen sah.

Die Kühle war verschwunden, und das Blut pulsierte heiß in meiner Hand, als gälte es, die alte Narbe zu öffnen und mein Herzblut erneut für ihn zu vergießen. Der Krieg würde kommen, und ich konnte ihn nicht aufhalten.

Doch diesmal würde ich ihn nicht verlassen.

Ich folgte Jamie aus dem Wald über ein Durcheinander aus Felsen, Sand und Grasbüscheln auf einen ausgetretenen Pfad, der bergauf zu unserer Lagerstelle führte. Dabei stellte ich im Kopf erneute Berechnungen unserer Frühstückszutaten an, da Jamie mir eröffnet hatte, dass er noch zwei weitere Familien eingeladen hatte, sich uns anzuschließen.

»Robin McGillivray und Geordie Chisholm«, sagte er und hielt einen Ast zur Seite, um mich durchzulassen. »Ich dachte mir, wir sollten sie willkommen heißen; sie haben vor, sich in Fraser’s Ridge niederzulassen.«

»Aha?«, sagte ich und duckte mich, als der Ast hinter mir zurückschnellte. »Wann denn? Und zu wie vielen sind sie?«

Dies waren Fragen von weitreichender Bedeutung. Der Winter stand dicht bevor – viel zu dicht, um noch damit zu rechnen, dass man auch nur eine grob gezimmerte Blockhütte zum Schutz errichten konnte. Jeder, der jetzt in die Berge kam, würde wohl bei uns im Haus oder dicht gedrängt in einer der kleineren Siedlerhütten wohnen müssen, die auf dem Berg verstreut waren. Highlander konnten und würden zu zehnt in einem Raum leben, wenn es nötig war. Da ich nur über eine weniger stark entwickelte, englische Gastfreundschaft verfügte, hoffte ich sehr, dass es nicht nötig sein würde.

»Sechs McGillivrays und acht Chisholms«, sagte Jamie lächelnd. »Die McGillivrays kommen aber erst im Frühjahr. Robin ist Büchsenmacher; er kann den Winter über in Cross Creek arbeiten, und seine Familie kann bei Verwandten in Salem bleiben – seine Frau ist Deutsche –, bis das Wetter wärmer wird.«

»Oh, dann ist es ja gut.« Das machte also noch vierzehn zusätzliche Esser beim Frühstück, abgesehen von mir und Jamie, Roger und Brianna, Marsali und Fergus, Lizzie und ihrem Vater – nicht zu vergessen Abel MacLennan, oh, und der Soldat, der Germain gerettet hatte, das waren dann vierundzwanzig …