Выбрать главу

Der Lärm hatte Leutnant Hayes neugierig gemacht, und er lugte aus seiner Zeltklappe wie eine Wellhornschnecke aus ihrer Schale. Er spähte bergauf und fing meinen Blick auf; ich winkte kurz, dann wandte ich mich ab, um meiner Familie zurück zu unserer Lagerstelle zu folgen.

Jamie sagte etwas auf Gälisch zu Brianna, während er ihr über eine felsige Stelle vor mir auf dem Pfad half.

»Ja, ich bin bereit«, antwortete sie auf Englisch. »Wo ist denn dein Rock, Pa?«

»Ich habe ihn deinem Mann geliehen«, sagte er. »Wir wollen doch nicht, dass er bei eurer Hochzeit wie ein Bettler aussieht, aye?«

Brianna lachte und strich sich mit der freien Hand eine wehende rote Haarsträhne aus dem Mundwinkel.

»Lieber wie ein Bettler als ein Selbstmordkandidat.«

»Ein was?« Ich holte sie ein, als wir aus dem Schutz der Felsen traten. Der Wind tobte über die freie Fläche und peitschte uns mit Hagel und stechenden Kiessplittern.

»Uff!« Brianna beugte sich über das fest eingewickelte Baby auf ihrem Arm und schützte es vor dem Ansturm. »Roger war gerade dabei, sich zu rasieren, als die Trommeln eingesetzt haben; fast hätte er sich die Kehle durchgeschnitten. Die Vorderseite seines Rocks ist voller Blutflecken.« Sie blickte Jamie an, und ihre Augen tränten vom Wind. »Dann hast du ihn also heute Morgen schon gesehen. Weißt du, wo er jetzt ist?«

»Heil und unversehrt«, versicherte er ihr. »Ich habe ihm gesagt, er sollte Vater Donahue einen Besuch abstatten, solange Hayes zugange war.« Er sah sie scharf an. »Du hättest mir ruhig sagen können, dass der Junge kein Katholik ist.«

»Hätte ich«, sagte sie ungerührt. »Habe ich aber nicht. Ist für mich gehüpft wie gesprungen.«

»Wenn du mit diesem merkwürdigen Ausdruck meinst, dass es nicht von Bedeutung ist –«, setzte Jamie mit einem deutlichen Unterton der Schärfe an, wurde aber dann unterbrochen, weil Roger persönlich auftauchte. Er machte eine blendende Figur in Kilt und Plaid mit grünweißem MacKenzie-Tartan und Jamies Sonntagsrock nebst Weste. Der Rock passte ihm gut – beide Männer waren etwa gleich groß und hatten lange Gliedmaßen und breite Schultern, wenngleich Jamie drei oder vier Zentimeter größer war –, und die graue Wolle stand Roger mit seinem dunklen Haar und seiner Olivenhaut genauso gut wie Jamie mit seinen bronzenen Brauntönen.

»Du siehst gut aus, Roger«, sagte ich. »Wo hast du dich denn geschnitten?« Sein Gesicht war gerötet und hatte das rohe Aussehen, das frisch rasierter Haut eigen ist, doch ansonsten war er unverletzt.

Roger trug Jamies Plaid unter dem Arm, ein rotschwarzes Tartanbündel. Er reichte es ihm und bog den Kopf zur Seite, um mir den tiefen Einschnitt direkt unter seinem Unterkiefer zu zeigen.

»Da. Nicht so schlimm, aber es hat fürchterlich geblutet. Man nennt diese Klingen nicht umsonst Halsabschneider, aye?«

Der Schnitt war zu einer sauberen, dunklen Linie verkrustet, die etwa acht Zentimeter lang war und vom Ende seines Kieferknochens schräg an seiner Halsseite hinunter verlief. Ich berührte flüchtig die Haut neben dem Schnitt. Es war nicht schlimm; die Klinge des Rasiermessers war senkrecht eingedrungen, es gab keine überstehende Haut, die genäht werden musste. Doch es war kein Wunder, dass es stark geblutet hatte; es sah wirklich so aus, als hätte er versucht, sich die Kehle durchzuschneiden.

»Bisschen nervös heute Morgen?«, zog ich ihn auf. »Dir kommen doch nicht etwa Zweifel, oder?«

»Dazu ist es ein bisschen spät«, sagte Brianna trocken, während sie an meine Seite trat. »Hier ist schließlich ein Kind, das einen Namen braucht.«

»Es wird so viele Namen haben, dass es gar nicht weiß, was es damit anfangen soll«, versicherte ihr Roger. »Und du auch – Mrs. MacKenzie.«

Ein Hauch von Röte erleuchtete Briannas Gesicht beim Klang dieses Namens, und sie lächelte ihn an. Er beugte sich zu ihr hinüber, küsste sie auf die Stirn und nahm ihr dabei das Baby ab. Ein Ausdruck plötzlichen Erschreckens überzog sein Gesicht, als er das Gewicht des Bündels in seinen Armen spürte, und er starrte es an.

»Das ist nicht unserer«, sagte Brianna und grinste über seine Verblüffung. »Es ist Joan. Mama hat Jemmy.«

»Gott sei Dank«, sagte er und trug das Baby sehr viel vorsichtiger. »Ich dachte schon, er hätte sich in Luft aufgelöst oder so etwas.« Er hob die Decke sacht an, legte Joans winziges, schlafendes Gesicht frei und lächelte – wie es die Leute immer taten – beim Anblick ihres komischen braunen Haarschopfes, der spitz zulief wie der Haarknoten einer Engelspuppe.

»Schön wär’s«, sagte ich und grunzte, als ich den wohlgenährten Jemmy, der in seiner Decke friedlich eingeschlafen war, in eine bequemere Position hochstemmte. »Ich glaube, er hat auf dem Weg bergauf ein oder zwei Pfund zugenommen.« Die Anstrengung war mir in die Wangen gestiegen, und ich hielt das Baby ein wenig von mir weg, weil mir eine plötzliche Hitzewelle zu Kopfe stieg und mir unter meinen zerzausten Locken der Schweiß ausbrach.

Jamie nahm mir Jemmy ab und klemmte ihn sich geschickt unter den Arm wie einen Fußball, eine Hand unter dem Kopf des Babys.

»Dann hast du also mit dem Priester gesprochen?«, sagte er und sah Roger skeptisch an.

»Das habe ich«, sagte Roger trocken und beantwortete den Blick genauso wie die Frage. »Er ist zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht der Antichrist bin. Solange ich willens bin, den Jungen katholisch taufen zu lassen, steht der Hochzeit nichts im Wege.«

Jamie knurrte als Antwort, und ich unterdrückte ein Lächeln. Jamie hatte zwar keine nennenswerten religiösen Vorurteile – er hatte schon mit viel zu vielen Männern jeden denkbaren Hintergrundes zusammengearbeitet, gekämpft oder sie befehligt –, doch die Enthüllung, dass sein Schwiegersohn Presbyterianer war und keinerlei Absicht hatte zu konvertieren, hatte er nicht schweigend hingenommen.

Brianna bemerkte meinen Blick, lächelte mich von der Seite an und verzog ihrerseits belustigt die Katzenaugen zu blauen Dreiecken.

»Sehr klug von dir, das Thema Religion nicht schon früher zu erwähnen«, murmelte ich, wobei ich darauf achtete, nicht so laut zu sprechen, dass Jamie mich hören konnte. Die beiden Männer schritten vor uns her und gingen immer noch sehr steif miteinander um. Allerdings wurde die Förmlichkeit ihres Umgangs durch die herabhängenden Wickeltücher der Babys auf ihren Armen entschärft.

Jemmy quäkte plötzlich, doch sein Großvater schwang ihn hoch, ohne seine Schritte zu verlangsamen, und er ergab sich in sein Schicksal und fixierte uns über Jamies Schulter hinweg mit seinen runden Augen, von seiner Decke wie von einer Kapuze geschützt. Ich schnitt ihm eine Grimasse, und er brach in ein breites, zahnloses Grinsen aus.

»Roger wollte etwas sagen, aber ich habe ihm geraten, den Mund zu halten.« Brianna winkte Jemmy zu und fixierte Rogers Rücken mit dem typischen Blick der Ehefrau. »Ich habe gewusst, dass Pa keine Szene machen würde, wenn wir bis kurz vor der Hochzeit warten.«

Dies war eine sehr treffende Einschätzung des Verhaltens ihres Vaters. Sie ähnelte Jamie in viel mehr Dingen als nur den augenfälligen Merkmalen wie Aussehen, Haar- und Hautfarbe; sie besaß seine Menschenkenntnis und sein Sprachtalent. Dennoch regte sich ein Gedanke in meinem Hinterkopf, irgendetwas, das mit Roger und Religion zu tun hatte …

Wir hatten uns den Männern so weit genähert, dass wir ihre Unterhaltung hören konnten.

»… um Hillsborough«, sagte Jamie gerade, zu Roger hinübergebeugt, damit dieser ihn trotz des Windes hören konnte. »Wollte Informationen über die Aufrührer.«

»Oh, aye?« Roger klang interessiert und argwöhnisch zugleich. »Das wird Duncan Innes neugierig machen. Er ist während der Unruhen in Hillsborough gewesen, hast du das gewusst?«

»Nein.« Jamies Aufmerksamkeit war geweckt. »Ich habe in dieser Woche kaum ein Wort mit Duncan gewechselt. Vielleicht frage ich ihn nach der Hochzeit – falls er sie überlebt.« Duncan sollte am Abend Jocasta Cameron, Jamies Tante, heiraten und war so nervös, dass er dem Zusammenbruch nahe war.