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»Der Herrgott wird schon wissen, was er auf Erden an ihm gehabt hat«, sagte Jakob trocken.

»Euch schmückt die Sorglosigkeit und Naivität der Jugend Jakob Tillmann«, erwiderte der Subprior mit einem halb bissigen, halb herablassenden Tonfall. »Mein Alter und meine Gelübde sowie die Sorge um das Seelenheil von Bruder Anselm verbieten es mir jedoch denselben Irrweg einzuschlagen.«

»Das will ich Euch gern glauben, Bruder Tarzisius. Nur wie kommt es dann, dass Euer Weg Euch ausgerechnet zu dieser frühen Morgenstunde in meine Zelle geführt hat, wo doch Euer Platz jetzt bei Euren Brüdern im Chorgestühl wäre?« Jakob konnte sich diese spitze Frage einfach nicht verkneifen. Denn dass der Subprior etwas von ihm wollte, sprang doch so offensichtlich ins Auge wie ein dampfender Kuhfladen auf frisch gefallenem Schnee!

Fast meinte Jakob ihn im schwarzen Halbrund der Kapuze lächeln zu sehen, was bei der Dunkelheit natürlich nur eine Einbildung sein konnte.

»Ihr habt einen hellen Geist und seid wahrlich nicht auf den Mund gefallen, Jakob Tillmann.«

»Wenn’s anders wäre, läge ich jetzt wohl schon längst einige Fuß unter der Erde!«, warf Jakob grimmig ein und verdrängte die aufsteigenden Erinnerungen an die Landsknechte und das Blutbad, das sie vor seinen Augen angerichtet hatten.

»Ich weiß einen klugen Kopf zu schätzen und ich vermute mal, dass Ihr es Euch in diesen unruhigen, gottlosen Zeiten zur löblichen Gewohnheit gemacht habt Augen und Ohren stets offen zu halten, besonders in der Fremde«, sagte der Subprior mit einschmeichelndem Tonfall.

»Mhm«, antwortete Jakob nur, was ebenso Zustimmung wie auch Skepsis bedeuten konnte. Ihm schien Vorsicht geboten, wusste er doch nicht, worauf der Mönch hinauswollte.

»Ihr habt gute drei Tage mit Bruder Anselm verbracht und das ist eine lange Zeit, wenn man zu dieser Jahreszeit gemeinsam über die einsamen Wege und Straßen der Eifel zieht«, fuhr Bruder Tarzisius nun fast im Plauderton fort. »Da werdet Ihr gewiss manch munteres Gespräch geführt haben, um Euch von der Eintönigkeit des Weges abzulenken und die langen Stunden rascher vergehen zu lassen. Zumal Bruder Anselm für seine geistreiche Geselligkeit bekannt ist.«

»Ein Urteil über Euren früheren Abt steht mir nicht zu.«, begann Jakob.

»Anselm von Picoll ist niemals Abt von Himmerod gewesen! Und er hat auch nie zu diesem Konvent gehört!«, stellte der Subprior mit einem Nachdruck fest, der Jakob erstaunte. Klang es doch fast so, als hätte Bruder Tarzisius in Gedanken noch ein »Gott sei gedankt!« hinzugefügt.

»Nein? Welcher Abtei stand er dann vor?«

Bruder Tarzisius machte eine herrische Handbewegung. »Das tut nichts zur Sache!«, beschied er ihn schroff. »Kommen wir auf Eure Tage mit Bruder Anselm zurück!«

Jakob zuckte die Achseln. »Nun, wie ich schon sagte, ein Urteil vermag ich mir nicht über ihn herauszunehmen. Aber dass Schwatzhaftigkeit nicht zu seinen Charaktereigenschaften zählt, kann ich wohl guten Gewissens sagen. Zudem war er schon krank, als er zu mir auf den Karren kletterte. Und jeden Tag ging es ihm schlechter. Mit der geistreichen Geselligkeit war es daher nicht weit her.«

»Aber Ihr werdet doch miteinander geredet haben!«, rief der Subprior mit einem Anflug von ärgerlicher Ungeduld.

Jakob zuckte erneut die Achseln. »Ja, hier und da ist natürlich ein Wort gefallen.«

Der Subprior beugte sich vor und fragte mit unverhohlen erwartungsvoller Stimme: »Und worüber? Sprecht, mein Freund! Lasst Euch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!«

»Na, was man eben so redet, wenn man sich nicht kennt und doch zusammenbleiben muss«, antwortete Jakob lustlos, weil er in diesen Fragen einfach keinen Sinn erblickte. Glaubte der Subprior vielleicht, der alte Mönch hätte vor ihm seine Lebensbeichte abgelegt?

»In Gottes Namen, da muss mehr gewesen sein! Bemüht Euren Verstand und forscht in Eurer Erinnerung, was Bruder Anselm Euch berichtet hat!«, forderte ihn Bruder Tarzisius ungehalten auf, um dann fast beschwörend zu fragen: »Hat er Euch zum Beispiel erzählt, welche Kloster er auf seiner Reise besucht hat? Und hat er irgendwann einmal etwas von wichtigen Aufzeichnungen erwähnt, die er während der vergangenen Monate gemacht hat?«

Jakob überlegte und schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann mich an nichts dergleichen erinnern.«

»Denkt gut nach! Macht rechten Gebrauch von Euren Geistesgaben, mit denen der Herrgott Euch gesegnet hat. Meine Fragen haben ihren tiefen Sinn!«

»Wenn ich Euch doch sage, dass mir nichts dergleichen zu Ohren gekommen ist, dann verhält es sich auch so!«, sagte Jakob verdrossen. »Bruder Anselm hat viel gebetet und er hat oft mit sich selbst Zwiesprache gehalten!«

»Sieh da!«, rief Bruder Tarzisius.

»Aber ich habe nicht darauf Acht gegeben, was er da gemurmelt hat!«, stellte Jakob sofort klar. »Es mag Euch enttäuschen, aber von den Dingen, die Ihr zu wissen verlangt, weiß ich nichts!«

Einen Augenblick saß der Subprior schweigend auf dem dreibei-nigen Schemel und Jakob hatte das unangenehme Gefühl das Ziel bohrender Blicke zu sein. Das angespannte Schweigen zerrte zusätzlich an seinen Nerven.

»Was ist denn daran überhaupt so wichtig?«, brach Jakob schließlich die unangenehme Stille in der Zelle.

»Interne Ordensbelange. Wichtig für unsere Arbeit, die dem Opus Dei in bedingungsloser Hingabe gewidmet ist, aber nichts, was Euch interessieren könnte oder gar beunruhigen sollte«, antwortete der Subprior ebenso ausweichend wie geheimnisvoll, um sich im nächsten Moment mit einem Ruck zu erheben, als wollte er mit seinem Aufbruch weiteren Fragen zuvorkommen. »Vergesst, was ich gefragt habe und ruht Euch nur aus. Es wird Euch gut tun bei uns ein paar Tage zu bleiben und wieder zu Kräften zu kommen. Das Wetter lädt zudem nicht dazu ein, sich auf die Landstraße zu begeben.«

Auch Jakob erhob sich nun. Nach diesem merkwürdigen Gespräch mit Bruder Tarzisius war an Schlaf nicht länger zu denken. Er wollte sich ein wenig in der Abtei umsehen, wobei ihn sein erster Gang hinunter ins Kellergewölbe führen würde.

Der Subprior blieb in der Tür stehen und benetzte eine Fingerspitze im kleinen, irdenen Weihwasserkessel, der gleich am Eingang an der Wand hing. Er drehte sich zu Jakob um und sagte mit mahnender Stimme, während sein auf Kopfhöhe erhobener, feuchter Finger wie eine zusätzliche Ermahnung in der Luft verharrte: »Jede Wohnung ist auch Wohnstatt unseres Herrn Jesu. In dieser Gesinnung der Ehrfurcht und Hingabe solltet auch Ihr Eure Unterkunft unter unserem Dach ehren.«

»Ich werde es an Ehre schon nicht mangeln lassen«, versicherte Jakob und hatte Mühe sich seine Verdrossenheit nicht anmerken zu lassen.

»Dazu ist es ganz hilfreich«, fuhr der Subprior belehrend fort, als hätte er Jakobs Bemerkung überhaupt nicht gehört, »wenn wir beim Kommen und Gehen ein kurzes Gebet sprechen, damit unser Ausgehen und Heimkehren nicht profan und zerstreut ist, sondern fromm und gesammelt, ernsthaft und nutzbringend für die Reinheit der Seele.«

Jakob hielt es für klüger diesmal keinen Kommentar abzugeben, sondern nur pflichtschuldig zu nicken. Ein Gebet bei jedem Kommen und Gehen! Kein Wunder, dass auf jeden Heiligen tausend Teufel kamen, wie Gretel Minde, die alte Magd auf Schlehenbusch, immer gesagt hatte. Aber das war gewesen, bevor die Landsknechte gekommen waren und sie den Verstand verloren hatte. Heute würde sie vielleicht die Zahl der Teufel für jeden Heiligen noch um einiges höher schätzen. Wenn es sie denn überhaupt gab, die Heiligen. Vielleicht waren sie ja bloß eine Erfindung - ganz im Gegensatz zu den Teufeln. Denn dass diese existierten, wusste Jakob nur zu gut. Er hatte sie gesehen, mehr als einmal, und sogar am eigenen Leib erfahren!