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Henrik nickte. »Die Zeit ist reif, die Stunde da!«

Jakobs Blick ging über die eingestürzten Mauern und halb eingedrückten Gebäude. »Wisst Ihr, was die schweren Schäden zu bedeuten haben?«

»Das sind die Folgen des katastrophalen Eisgangs vom letzten Jahr«, erklärte Bruder Basilius, als sie über den belebten Hof auf das Konventsgebäude zugingen. »Manchmal ist es recht heilsam, dass uns die gewaltigen Kräfte der Natur erinnern, dass wir Menschen nichts für die Ewigkeit errichten, auch wenn wir uns manchmal für so mächtig dünken.«

Das Portal stand weit auf. Sie eilten die Treppen hoch und stießen im Vorraum auf eine Nonne, die nicht viel älter als Marga war. Bruder Basilius erklärte, wer er war, und forderte sie auf sie unverzüglich zu ihrer Priorin oder Äbtissin zu bringen. »Wir kommen in einer höchst dringenden Angelegenheit, die nicht einmal in dieser Osternacht Aufschub verträgt!«, erklärte er nachdrücklich.

Die junge Nonne nickte und eilte ihnen mit wehenden Gewändern voraus. Sie führte sie durch den Südflügel des Kreuzgangs, in dem sich längs der Wand Baumaterial in Form von Brettern und Balken auftürmte, und öffnete dann die Tür zum Kapitelsaal. Der große Saal lag bis auf den vorderen Teil, wo zwei einsame Kerzen brannten, in Dunkelheit getaucht. Die Äbtissin Adelheid von Hef-genstern thronte steif und hager wie ein getrockneter Stockfisch auf ihrem geschnitzten Lehnstuhl. Eine zweite, schwergewichtige Nonne kauerte vor ihr auf dem Boden, wie ein Häufchen Elend zusammengesunken und das Gesicht in ihren Händen verborgen, als schämte sie sich ihrer Tränen oder ihrer Schande.

»Ehrwürdige Mutter, Ihr habt Besuch«, meldete die junge Nonne mit zaghafter Stimme. »Pater Basilius, ein Zisterzienserbruder, bestand mit seinen Begleitern darauf, Euch umgehend zu sprechen. Sein Anliegen sei von allergrößter Wichtigkeit!«

»Es ist gut, Schwester Johanna. Lasst sie herein und dann geht!«, befahl die Äbtissin barsch und ohne den Kopf zu wenden.

Bruder Basilius betrat den Kapitelsaal, gefolgt von Jakob, Marga und Henrik. Die junge Nonne zog sich wie befohlen zurück und schloss die Tür hinter ihnen.

»Hochwürdige Äbtissin, ich bedaure sehr ausgerechnet zu dieser heiligen Stunde bei Euch hereinzuplatzen«, begann Bruder Basilius, während er zu ihr trat. »Aber der Herr ist mein Zeuge, dass die Angelegenheit, die mich und meine Freunde in Euer Kloster geführt hat, von allergrößter Bedeutung ist. Ich bitte inständig um Euer Vertrauen und Eure Hilfe. Leider ist für lange Erklärungen jetzt keine.«

»Ihr könnt Euch Eure Worte sparen, Bruder Basilius!«, schnitt ihm die schon betagte Äbtissin schroff das Wort ab.

Eine ungute Ahnung überfiel Jakob plötzlich. Ihm war, als wäre der große, dunkle Kapitelsaal mit seinen Bankreihen, schweren Säulen und tiefen Seitennischen gar nicht so ausgestorben, wie er schien. Die schwarzen Schatten im hinteren Teil schienen sich zu bewegen und voller Leben zu sein. Eine Gänsehaut überlief ihn.

Im selben Augenblick erhob sich die schwergewichtige Nonne, die vor der Äbtissin am Boden gekniet hatte, mit einem Ruck, riss sich Haube und Schleier vom Kopf und fuhr zu ihnen herum. Doch es war keine Nonne, sondern Melchior von Drolshagen! Gleichzeitig sprangen fünf Männer auf, die offenbar in der Dunkelheit im hinteren Teil des Saals flach auf dem Boden gelegen hatten, und stürmten vor. Zwei waren mit Pistolen bewaffnet, die anderen drei zogen ihre Degen blank. Der Scharfrichter Mundt gehörte zu den Männern, die mit der Klinge in der Hand näher kamen.

Jakob und seine Freunde waren vor Entsetzen wie gelähmt. Sie saßen in der Falle!

»Lasst mich Euch willkommen heißen, Bruder Basilius!« höhnte der Domherr. »Dieser Trunkenbold Eures Malerfreundes hat seine Sache wirklich ausgezeichnet gemacht. Ihr seid ihm wirklich auf den Leim gegangen. Und wie rücksichtsvoll von Euch so schnell zu kommen. Ich fürchtete schon die heilige Ostermesse zu verpassen.« Dann rief er mit scharfer Stimme: »Pleisgen!«

Die Tür wurde hinter ihnen aufgerissen. Der Folterknecht und zwei weitere von Drolshagens Schergen traten in den Kapitelsaal. Damit war ihr Schicksal besiegelt. Gegen diese überwältigende Übermacht vermochten sie nichts auszurichten.

Bruder Basilius fasste sich zuerst. »Lasst den Jungen und das Mädchen laufen!«, forderte er ihn auf. »Sie haben mit der ganzen Sache nichts zu tun und sie sind jetzt ohne weitere Bedeutung für Euch. Ich werde Euch sagen, wo sich die Papiere befinden.«

Der Domherr lächelte bösartig. »Oh, ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass Ihr mir das verraten werdet, Bruder Basilius. Im Umgang mit Ketzern habe ich Erfahrung. Aber ich möchte doch nichts überstürzen und Eure treuen Begleiter schon gar nicht um das Vergnügen bringen Zeuge zu sein, wie diese Geschichte ausgeht. Und mit diesem Burschen hier.« Er trat auf Jakob zu.». habe ich noch ein ganz persönliches Gespräch zu führen.« Er ohrfeigte ihn rechts und links und zischte ihm zu: »Ihr werdet für jeden Schlag mit Eurem Knüppel tausendfach bezahlen und dann werde ich Euch auf den Scheiterhaufen schicken!«

Jakob spuckte ihm ins Gesicht. »Ihr seid nichts als ein blutrünstiger Schlächter und Mörder!«, schrie er ihn an. »Ihr seid es, der das Kreuz und Gottes Namen besudelt! Verflucht sollt Ihr sein!«

Der Domherr schlug ihm noch einmal ins Gesicht, so hart, dass Jakob zu Boden stürzte. Angewidert wischte er sich den Speichel aus dem Gesicht.

Die Äbtissin erhob sich nun abrupt von ihrem Stuhl. Ihr Gesicht glich einer Maske voll scharfer Kanten und tiefer Furchen. »Genug!«, rief sie mit scharfer Stimme. »Ich dulde in meinem Kloster keine Gewalt! Fesselt die Ketzer und bringt sie nach unten! Nach der Messe schafft Ihr sie mir so schnell es geht von der Insel!«, verlangte sie von Drolshagen. »Und nun lasst uns gehen. Man wird schon auf mich warten. Und Ihr habt Euch darauf vorzubereiten, gleich die heilige Osternachtsmesse zu konzelebrieren.«

Der Domherr nickte und sein wütendes Gesicht nahm einen selbstzufriedenen Ausdruck an. »Ihr habt Recht, hochwürdige Äbtissin. Alles zu seiner Zeit. Dieses Ketzerpack läuft uns nicht weg und wird seine gerechte Strafe erhalten. Jetzt feiern wir erst einmal den Beginn der österlichen Freudenzeit!«, pflichtete er ihr bei und wandte sich dann an seine Männer: »Pleisgen!. Wilrich!. Fesselt ihnen die Hände auf dem Rücken und schafft sie in den Keller hinunter! Dort bindet Ihr ihnen auch die Füße zusammen. Diesmal will ich nicht das geringste Risiko eingehen. Und Ihr werdet Wache halten, Mundt!«

Fünfunddreißigstes Kapitel

Mundt vergewisserte sich noch einmal, dass alle Hand- und Fußfesseln solide geknotet waren, versetzte dem Mönch einen Tritt in die Rippen und warf dann die schwere Bohlentür hinter sich zu. Augenblicklich umgab sie völlige Finsternis in dem hohen und kalten Kellergewölbe, das über kein noch so winziges Fenster verfügte. Die Tür schloss so dicht, dass von dem Licht, das der Scharfrichter draußen im Gang brennen hatte, nicht einmal ein schwacher Schimmer zu ihnen drang.

»Kann jemand seine Fesseln lockern?«, fragte Bruder Basilius mit gedämpfter Stimme, nachdem der Scharfrichter die schweren Eisenriegel vorgeschoben hatte.

»Ich kann noch nicht einmal meine Finger bewegen! Sie sind schon jetzt ganz taub!«, antwortete Marga und ihre Stimme zitterte vor mühsam beherrschter Angst.

»Es geht nicht!«, keuchte Jakob. Auch ihn würgte die Angst wie eine unsichtbare Hand, die sich aus der Dunkelheit um Herz und Kehle legte. Und wie Marga spürte auch er schon Schmerzen in seinen Handgelenken. Die Männer des Domherrn hatten ihnen nicht nur Hände und Füße gefesselt, sondern diese auch noch miteinander verknotet, sodass sie nach hinten gekrümmt am Boden lagen.

»Die Kerle haben diesmal ganze Arbeit geleistet«, knurrte Henrik und fügte dann mit einem resignierten Seufzen hinzu: »Ich lieg in tiefer Kerkernacht und kein Besuch von Gott und Menschen. Dunkel bin ich wie die Kammer, Leib und Lager nass von Tränen. Einst müssen wir alle, Knechte und Fürsten, über den Felsen des Todes, oh blickte man milde uns nach!«