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»Haltet das Maul!«, kam die gedämpfte Stimme von jenseits der schweren Bohlentür.

»Ihr müsst eingreifen, Mundt! Jakob versucht sich das Leben zu nehmen!«, schrie Bruder Basilius und nun machten sich auch Marga und Henrik mit aufgeregten Zurufen bemerkbar.

»Er will sich das Leben nehmen? Macht Euch nicht lächerlich! Wie soll er das denn anstellen? Ihr seid so fest verschnürt, dass Ihr nicht einmal mit dem Kopf gegen die Wand rennen könnt!«, spottete der Scharfrichter.

»Er hat an der Wand eine scharfe Mauerkante gefunden. Und jetzt versucht er sich daran die Halsschlagader aufzureißen!«, schrie Bruder Basilius. »Er will mir nicht glauben, dass ich Drolshagen ein Geschäft anzubieten habe, das Euer Herr gewiss nicht ausschlagen und uns alle vor dem Tod bewahren wird. Er will lieber hier sterben als unter der Folter oder auf dem Scheiterhaufen!«

»Der Junge ist klüger als Ihr, Kuttenträger! Aus Eurem Geschäft wird nämlich garantiert nichts. Was mein Herr von Euch will, wird er auch so bekommen!«

»Ihr irrt, Mundt!«, brüllte Bruder Basilius. »Das Geschäft, das ich meine, hat mit den Dokumenten nichts zu tun. Ich habe ihm noch etwas anderes zu bieten! Aber auch wenn er darauf nicht eingehen sollte, was sehr unwahrscheinlich ist, wird der Domherr großes Interesse daran haben, Jakob nach der Messe noch lebend anzutreffen. Wenn Ihr Jakob jetzt einfach verbluten lasst, kann Euch das Kopf und Kragen kosten, bestimmt aber Euer profitables Amt als Blutscherge von Trier!«

»Ihr seid ein mieser Charakter, das wissen wir schon lange, Mundt!«, schrie nun Henrik mit hasserfüllter Stimme. »Aber wenn Ihr jetzt nichts unternehmt, seid Ihr zudem auch noch ein Schwachkopf! Wahrscheinlich seid Ihr beides. Mögt Ihr auf ewig im Fegefeuer brennen!«

»Mein Gott, lasst Jakob doch! Vielleicht ist es besser so, wenn wir hier schon sterben«, rief Marga verzweifelt.

»Dir werde ich das Maul stopfen, Schwede!«, antwortete der Scharfrichter wütend. »Und wenn dieser Lügenbursche Jakob Tillmann glaubt, er kann dem Scheiterhaufen entkommen, dann irrt er sich gewaltig!« Damit riss er die schweren Eisenriegel zurück.

»Aufgepasst jetzt!«, raunte Bruder Basilius.

Die Tür schwang auf und Licht fiel aus dem Kellergang in das hohe Gewölbe. Mit einem Knüppel in der Hand stürzte Mundt auf Jakob zu, der sich mit dem Hals gegen die Mauersteine gepresst hatte. »Dir werde ich es zeigen mir Schwierigkeiten machen zu wollen!«, rief er und holte zum Schlag aus.

Wie auf ein stummes Kommando hin sprangen Marga, Henrik und Bruder Basilius auf, während Jakob herumwirbelte, sich mit dem Rücken an der Wand abstützte und dem Scharfrichter beide Füße mit aller Kraft in den Magen rammte.

Mundt riss in fassungslosem Entsetzen die Augen auf, während er von der Wucht des Trittes zurückgeschleudert wurde, direkt in die Arme von Bruder Basilius. Ein röchelnder Laut entrang sich seiner Kehle. Und dann fällte Henrik ihn auch schon mit dem Knüppel, den er auf den Kopf von Mundt niedersausen ließ. Bewusstlos stürzte er zu Boden.

Henrik lachte trocken auf. »Das Grab, für mich gemacht, verschlang die Bösen, die Schlinge, schlau erdacht, fing ihren eigenen Fuß«, zitierte er aus den Psalmen, während er ihm hastig Fesseln anlegte.

»Mein Gott, wir haben es tatsächlich geschafft«, flüsterte Marga.

»Noch sind wir nicht in Sicherheit. Beeilen wir uns, dass wir in den Kapitelsaal kommen!«, rief Bruder Basilius gedämpft.

Sie liefen die Kellertreppe hoch und gelangten in die Küchenräume. Auf Zehenspitzen schlichen sie von dort in den Kreuzgang. Als sie um die Ecke kamen und in den Ostflügel einbogen, hörten sie den feierlichen Gesang aus der Klosterkirche.

Die Tür zum Kapitelsaal stand einen Spalt offen. Schwacher Kerzenschein drang in den dunklen Kreuzgang. Eine kleine, zierliche Gestalt löste sich aus dem Türbogen und winkte sie ungeduldig heran.

Jakob, Marga, Henrik und der Mönch huschten durch die Tür in den Kapitelsaal. Auf einem Sims hinter dem Stuhl der Äbtissin brannten zwei Kerzen.

Schwester Catharina, Priorin des Klosters und trotz ihres reifen Alters noch mit den klaren Gesichtszügen einer jungen Frau gesegnet, schloss hinter ihnen hastig die Tür, verriegelte sie und bekreuzigte sich. »Dem Herrgott sei Dank und Lobpreis, dass er seine schützende Hand über Euch gehalten hat!«

Bruder Basilius ergriff die schmalen Hände der Nonne. »Und Euch, die Ihr durch Eure Tapferkeit dieses Wunder erst möglich gemacht habt, Schwester Catharina! Euer Onkel, seine Seele ruhe in Frieden, wäre stolz auf Euch, wenn er von Eurer mutigen Tat erfahren hätte.«

»Ohne Hilfe unserer ehrwürdigen Äbtissin hätte ich nichts für Euch tun können«, eröffnete ihnen die Nonne. »Ihr müsst wissen, dass auch sie nur gute Miene zum bösen Spiel gemacht hat, um den Domherrn zu täuschen und Euch noch eine Chance zur Flucht zu verschaffen. Doch nun lasst uns nicht länger kostbare Zeit mit Reden vergeuden. Habt Ihr das Stemmeisen?«

»Ja«, sagte Henrik. »Hier ist es.«

»Gut!«

»Wofür brauchen wir ein Stemmeisen?«, fragte Marga. »Wir können doch hier aus dem Fenster springen, zum Ufer hinunterlaufen und mit einem der Boote flüchten.«

»Der Domherr hat nicht nur Euren Fischer weggeschickt, sondern auch alle Boote, die es auf der Insel gibt, zum Anlegesteg bringen und an die Kette legen lassen. Zudem hättet Ihr gegen die bewaffneten Wachen, vier Mann an der Zahl, keine Chance, weil es keine Möglichkeit gibt sich unbemerkt anzuschleichen und sie zu überrumpeln«, erklärte die Priorin, während sie eine der Kerzen vom Sims nahm. »Und warum solltet Ihr Euch auch unnötig in Gefahr begeben, wenn es einen sicheren Fluchtweg gibt, den außer unserer ehrwürdigen Mutter und mir niemand sonst kennt?«

»Und wo ist dieser sichere Fluchtweg?«, fragte Bruder Basilius.

»Er beginnt hier im Kapitelsaal - und zwar unter einer dieser Grabplatten, unter denen einige der früheren Äbte des AugustinerChorherrenstiftes begraben liegen!« Die Priorin wies auf eine der mächtigen Steinplatten, die an der Längsseite des Kapitelsaals in den Boden eingelassen waren. Sie trugen lateinische Inschriften, die wie das jeweilige Abtwappen in den Stein eingemeißelt waren.

»Es gibt hier einen unterirdischen Gang, der aus dem Kloster hinausführt?«, fragte Jakob ebenso ungläubig wie aufgeregt, während sie alle dem angeblichen Abtgrab zustrebten.

»Ja, wir haben bis vor wenigen Monaten auch nichts davon geahnt. Bruder Anselm hat ihn uns gezeigt, bevor er abgereist ist. Es ist ein sehr langer und recht niedriger Gang, der am Westufer in eine kleine Felsgrotte mündet. Der Ausgang liegt unter den Ästen einer mächtigen Weide verborgen. Der geheime Gang muss schon Jahrhunderte alt sein und den Mönchen früher als Fluchtweg gedient haben. Aber er ist noch begehbar, wie Bruder Anselm mir versichert hat, wenn auch das Mauerwerk an vielen Stellen schon sehr brüchig sein soll.«

»Aber ohne Boot bringt uns auch der beste unterirdische Gang nicht von hier fort.«, sagte der Mönch.

»Bruder Anselm war, wie Ihr wisst, ein sehr vorsichtiger und vorausschauender Mann«, antwortete die Priorin mit einem leichten Lächeln. »Er hat ein Boot in die Grotte geschafft, bevor er abgereist ist.«

»Dann sind wir gerettet!«, stieß Marga erlöst hervor.

Henrik strahlte über das ganze Gesicht. »Mit unbegreiflich großen Zeichen erhört uns deine Liebe, du Gott unseres Heils!«, rief er.

Schwester Catharina zeigte Henrik und Bruder Basilius, wo sie das Stemmeisen ansetzen mussten. Knirschend glitt die schwere Steinplatte zur Seite und gab den Blick auf gut zwei Dutzend grabschmale Steinstufen frei, die in die Tiefe hinabführten. Der Gang war gerade so breit, dass ein ausgewachsener Mann ihn in gebeugter Haltung passieren konnte.

»Wartet!«, rief Jakob. »Was ist mit den Dokumenten auf der Empore?«

»Oh, das hätte ich ja fast vergessen!«, rief Schwester Catharina und holte aus einer Wandnische ein dickes Paket, das in Wachstuch gewickelt war.