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»Macht euch um mich keine Sorgen«, beruhigte sie die beiden Mädchen. »Sassa kommt mit mir. Er wird mich beschützen.« Danach erkundigte sie sich, wo man die Hafenbande finden konnte. Wenn es tatsächlich stimmte, dass Jack sich nach Amerika einschiffen wollte, musste Alyss umso dringender mit ihm sprechen. Kapitän Hobart konnte sicher noch einen Schiffsjungen gebrauchen.

»Maggie kommt manchmal hier vorbei«, bot Rose an, »da kann ich’s ihr ausrichten. Falls Jack noch in der Stadt ist, wird er’s sicher erfahren.«

Anschließend verabschiedete Alyss sich von den beiden Mädchen und ging mit Sassa ein letztes Mal zurück zum Haus an der Themse.

Im Morgengrauen stand sie dann neben dem Indianer an der Reling von Kapitän Hobarts Schiff. Da es nicht wie die Magpie im Hafenbecken, sondern direkt neben der Mole vor Anker lag, konnte sie die Menschen auf der Kaimauer deutlich erkennen. Beth und Thomas waren gekommen, um sich zu verabschieden. Sir Christopher stand daneben. Joan hatte Tränen in den Augen, die sie mit einem Zipfel ihres Schultertuchs immer wieder wegwischte. Hector und Aurelia hatten es nicht geschafft. Sie waren längst mit Master Tubney zur nächsten Kirmes weitergezogen. Alyss musste an Jack denken. Sie hatten überall in der Stadt Botschaften für den Jungen hinterlassen, dass er unbedingt mit ihr Kontakt aufnehmen sollte, und obwohl ein Helfer Sir Christophers gestern noch versucht hatte, den Jungen in Billingsgate aufzuspüren, blieb er spurlos verschwunden. Aber vielleicht wollte er sie ja einfach nicht wiedersehen. Ob Maggie wieder Rose besucht hatte, wusste sie nicht. Plötzlich drangen laute Stimmen von der Mole zum Schiff. Am anderen Ende des Piers war irgendein Tumult ausgebrochen. Man hörte laute Stimmen, ein Fischweib fluchte. Dann sah Alyss, wie ein Junge über Körbe, Seile und Kisten sprang. Er hatte es sehr eilig. Seine roten Haare leuchteten wie Feuer in der Morgensonne. Auf seiner Schulter hockte etwas, was sie aus der Ferne nicht erkennen konnte.

»Jack!«, rief sie freudig und winkte wie wild mit den Armen. Hinter Jack tauchten Maggie und die kleine Eliza auf.

»Haltet das Schiff an!«, rief sie dem Kapitän zu, der am Steuerrad stand und auf den Fluss hinausblickte. Doch er hörte das Mädchen nicht. Auch die Matrosen hatten den Jungen am Pier nicht bemerkt. Sie hatten bereits den Anker gelichtet und die Segel gesetzt. Das Schiff begann sich langsam vom Kai wegzubewegen. Der Junge blieb einen Moment stehen. Die Reling des Schiffs war fast auf der gleichen Höhe wie der Pier. Da die Themse in London den Gezeiten unterworfen war, war der Wasserstand gesunken und gleichzeitig war die Strömung mit der einsetzenden Ebbe Richtung Meer stärker als gewöhnlich. Es war zu spät! Jack hatte wohl irgendwie davon erfahren, dass sie in die Neue Welt segeln würde, doch nun hatte er seine Chance, sie zu begleiten, im letzten Augenblick versäumt. Das Schiff beschleunigte und würde bald wie ein Pfeil den Fluss entlangschießen. Sie würde Jack wohl nie wiedersehen. Doch dann nahm Jack plötzlich Anlauf und sprang vom Kai übers Wasser. Alyss hielt den Atem an. Was, wenn er ins Wasser fiel? Sie wusste, dass er nicht schwimmen konnte und wie sehr er den Fluss fürchtete. Um Haaresbreite gelang es Jack, die Reling zu ergreifen. Er baumelte gefährlich an der Bordwand. Doch wie immer reagierte Sassa blitzschnell. Er packte den Jungen am Arm und zog ihn an Deck. Neben ihm kletterte Orlando an Bord. Alyss fiel Jack vor lauter Erleichterung um den Hals und draußen auf dem Pier klatschten Jacks und Alyss’ Freunde Beifall. Auch Orlando, der sich mit seinem Schwanz an der Reling festhielt, applaudierte laut schnatternd mit den Pfoten. Danach sprang er auf Jacks Kopf. Das Schiff segelte den Fluss entlang aufs Meer zu.