Выбрать главу

Der See, aus Gletscherwassern gespeist und selbst im wärmsten Sommer nur für sehr Abgehärtete bekömmlich, empfing ihn mit einer Eiseskälte von schneidender Feindseligkeit. Er war auf einen tüchtigen Schauder gefaßt gewesen, nicht aber auf diese grimmige Kälte, die ihn ringsum wie mit lodernden Flammen umfaßte und nach einem Augenblick aufwallenden Brennens rasch in ihn einzudringen begann. Er war nach dem Absprung schnell wieder emporgetaucht, entdeckte mit großem Vorsprung vor sich den Schwimmer Tito wieder, fühlte sich von dem Eisigen, Wilden, Feindseligen bitter bedrängt und glaubte noch um die Verringerung des Abstandes, um das Ziel des Wettschwimmens, um die Achtung und Kameradschaft, um die Seele des Knaben zu kämpfen, als er schon mit dem Tode kämpfte, der ihn gestellt und zum Ringen umarmt hatte. Mit allen Kräften kämpfend hielt er ihm stand, solange das Herz noch schlug.

Der junge Schwimmer hatte des öftern zurückgeblickt und mit Genugtuung wahrgenommen, daß der Magister ihm ins Wasser gefolgt sei. Nun spähte er wieder, sah den andern nicht mehr, wurde unruhig, spähte und rief, kehrte um und beeilte sich, um ihm beizustehen. Er fand ihn nicht mehr und suchte schwimmend und tauchend so lange nach dem Versunkenen, bis in der bittern Kälte auch ihm die Kräfte schwanden. Taumelnd und atemlos kam er endlich an Land, sah den Bademantel am Ufer liegen, hob ihn auf und begann sich damit mechanisch Leib und Glieder abzureiben, bis die erstarrte Haut sich wieder erwärmte. In der Sonne setzte er sich nieder wie betäubt, starrte ins Wasser, dessen kühles Blaugrün ihn jetzt wunderlich leer, fremd und böse anblidckte, und fühlte sich von Ratlosigkeit und tiefer Traurigkeit ergriffen, als mit dem Schwinden der körperlichen Schwäche das Bewußtsein und der Schreck über das Geschehene wiederkehrte.

O weh, dachte er entsetzt, nun bin ich an seinem Tode schuldig! Und erst jetzt, wo kein Stolz zu wahren und kein Widerstand mehr zu leisten war, spürte er im Weh seines erschrockenen Herzens, wie lieb er diesen Mann schon gehabt hatte. Und indem er sich, trotz allen Einwänden, an des Meisters Tode mitschuldig fühlte, überkam ihn mit heiligem Schauer die Ahnung, daß diese Schuld ihn selbst und sein Leben umgestalten und viel Größeres von ihm fordern werde, als er bisher je von sich verlangt hatte.

Josef Knechts Hinterlassene Schriften

Die Gedichte des SchüLers und Studenten

Klage
Uns ist kein Sein vergönnt. Wir sind nur Strom, Wir fließen willig allen Formen ein: Dem Tag, der Nacht, der Höhle und dem Dom, Wir gehn hindurch, uns treibt der Durst nach Sein.
So füllen Form um Form wir ohne Rast, Und keine wird zur Heimat uns, zum Glück, zur Not, Stets sind wir unterwegs, stets sind wir Gast, Uns ruft nicht Feld noch Pflug, uns wächst kein Brot.
Wir wissen nicht, wie Gott es mit uns meint, Er spielt mit uns, dem Ton in seiner Hand, Der stumm und bildsam ist, nicht lacht noch weint, Der wohl geknetet wird, doch nie gebrannt.
Einmal zu Stein erstarren! Einmal dauern! Danach ist unsre Sehnsucht ewig rege, Und bleibt doch ewig nur ein banges Schauern, Und wird doch nie zur Rast auf unsrem Wege.
Entgegenkommen
Die ewig Unentwegten und Naiven Ertragen freilich unsre Zweifel nicht. Flach sei die Welt, erklären sie uns schlicht, Und Faselei die Sage von den Tiefen.
Denn sollt es wirklich andre Dimensionen Als die zwei guten, altvertrauten geben, Wie könnte da ein Mensch noch sicher wohnen, Wie könnte da ein Mensch noch sorglos leben?
Um also einen Frieden zu erreichen, So laßt uns eine Dimension denn streichen!
Denn sind die Unentwegten wirklich ehrlich, Und ist das Tiefensehen so gefährlich, Dann ist die dritte Dimension entbehrlich. Doch heimlich dürsten wir …
Anmutig, geistig, arabeskenzart Scheint unser Leben sich wie das von Feen In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen, Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.
Schönheit der Träume, holde Spielerei, So hingehaucht, so reinlich abgestimmt, Tief unter deiner heitern Fläche glimmt Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.
Im Leeren dreht sich, ohne Zwang und Not, Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit, Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit, Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.
Buchstaben
Gelegentlich ergreifen wir die Feder Und schreiben Zeichen auf ein weißes Blatt, Die sagen dies und das, es kennt sie jeder, Es ist ein Spiel, das seine Regeln hat.
Doch wenn ein Wilder oder Mondmann käme Und solches Blatt, solch furchig Runenfeld Neugierig forschend vor die Augen nähme, Ihm starrte draus ein fremdes Bild der Welt, Ein fremder Zauberbildersaal entgegen. Er sähe A und B als Mensch und Tier, Als Augen, Zungen, Glieder sich bewegen, Bedächtig dort, gehetzt von Trieben hier, Er läse wie im Schnee den Krähentritt, Er liefe, ruhte, litte, flöge mit Und sähe aller Schöpfung Möglichkeiten Durch die erstarrten schwarzen Zeichen spuken, Durch die gestabten Ornamente gleiten, Sah Liebe glühen, sähe Schmerzen zucken. Er würde staunen, lachen, weinen, zittern, Da hinter dieser Schrift gestabten Gittern Die ganze Welt in ihrem blinden Drang Verkleinert ihm erschiene, in die Zeichen Verzwergt, verzaubert, die in steifem Gang Gefangen gehn und so einander gleichen, Daß Lebensdrang und Tod, Wollust und Leiden Zu Brüdern werden, kaum zu unterscheiden …
Und endlich würde dieser Wilde schreien Vor unerträglicher Angst, und Feuer schüren Und unter Stirnaufschlag und Litaneien Das weiße Runenblatt den Flammen weihen. Dann würde er vielleicht einschlummernd spüren, Wie diese Un-Welt, dieser Zaubertand, Dies Unerträgliche zurück ins Niegewesen Gesogen würde und ins Nirgendland, Und würde seufzen, lächeln und genesen. Beim Lesen in einem alten Philosophen