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Ich muß gestehen, nur mit einer gewissen Feierlichkeit gehe ich daran, von dieser neuen Persönlichkeit zu berichten. Sie ist unstreitig eine der wichtigsten in meiner Erzählung. Inwieweit sie Anspruch darauf hat, den Leser zu interessieren, das werde ich nicht erörtern; es wird schicklicher sein, die Entscheidung dieser Frage dem Leser selbst zu überlassen.

Foma Fomitsch übernahm seine Obliegenheiten bei dem General Krachotkin für Wohnung und Kost: er erhielt nicht mehr und nicht weniger. Woher er kam, das ist in tiefes Dunkel gehüllt. Ich habe indes besondere Nachforschungen angestellt und wenigstens etwas über das Vorleben dieses bemerkenswerten Menschen in Erfahrung gebracht. Es hieß erstens, er sei einmal irgendwo Beamter gewesen und habe in dieser Stellung zu leiden gehabt. Es verlautete ferner, er habe sich einmal in Moskau mit schriftstellerischer Tätigkeit abgegeben. Darin liegt nichts Wunderbares; die krasse Unwissenheit Foma Fomitschs konnte natürlich kein Hindernis für seine literarische Laufbahn bilden. Aber in glaubwürdiger Weise bekannt ist nur das eine, daß ihm nichts geglückt war und er sich schließlich gezwungen sah, bei dem General die Stelle als Vorleser und Märtyrer anzunehmen. Jede erdenkliche unwürdige Behandlung ertrug er, um nur vom Tische des Generals sein Essen zu erhalten. Später allerdings, nach dem Tode des Generals, als Foma selbst ganz unerwartet auf einmal eine wichtige, bedeutende Persönlichkeit geworden war, versicherte er uns zu wiederholten Malen, wenn er den Spaßmacher gespielt habe, so sei das eben nur ein großmütiges Opfer gewesen, das er der Freundschaft dargebracht habe; der General sei sein Wohltäter gewesen; dieser große, unverstandene Mann habe nur ihm, Foma, allein die verborgenen Geheimnisse seiner Seele anvertraut; und wenn schließlich er, Foma, auf Verlangen des Generals allerlei Tiere imitiert und lebende Bilder dargestellt habe, so habe er das nur getan, um den von seinen Krankheiten niedergedrückten Dulder und Freund zu zerstreuen und aufzuheitern. Aber Foma Fomitschs Versicherungen und Ausdeutungen unterliegen in diesem Falle starkem Zweifel; trotzdem jedoch spielte dieser selbe Foma Fomitsch, schon als er noch Spaßmacher war, in der Damenhälfte des Generalshauses eine ganz andere Rolle. Wie er das fertiggebracht hatte, davon kann sich jemand, der auf diesem Gebiet nicht Spezialist ist, nur schwer eine Vorstellung machen. Die Generalin hegte ihm gegenüber eine Art von mystischer Hochachtung; warum, das ist unbekannt. Allmählich gewann er über die gesamte Weiblichkeit im Hause des Generals eine erstaunliche Macht, ähnlich der Macht eines Iwan Jakowlewitsch oder vergleichbarer Weisen und Propheten, die in den Irrenhäusern von dafür passionierten Damen besucht werden. Er las ihnen Erbauungsbücher vor, erklärte ihnen mit beredten Worten und unter Tränen das Wesen verschiedener christlicher Tugenden, erzählte ihnen von seinem Leben und von seinen Taten, ging zum Gottesdienst und sogar zur Frühmesse, sagte mitunter die Zukunft voraus, verstand besonders gut, Träume zu deuten, und bekrittelte den Nächsten meisterhaft. Der General ahnte das, was in den hinteren Gemächern vorging, und tyrannisierte seinen Parasiten noch schonungsloser. Aber Fomas Märtyrertum verhalf ihm zu noch höherem Ansehen in den Augen der Generalin und all ihrer Hausgenossinnen.

Endlich änderte sich alles. Der General starb. Sein Tod war recht originell. Der frühere Freigeist und Atheist bekam es in unglaublichem Grade mit der Angst. Er weinte, bereute, ließ Heiligenbilder aus der Kirche holen und Geistliche rufen. Es wurden Gebete für ihn gesprochen und ihm die Letzte Ölung erteilt. Der arme Kerl schrie, er wolle nicht sterben, und bat sogar Foma Fomitsch unter Tränen um Verzeihung. Letzterer Umstand verlieh diesem in der Folge eine ganz besondere Glorie. Übrigens spielte sich, unmittelbar bevor sich die Seele des Generals von dem Körper trennte, noch ein eigenartiger Vorfall ab. Die Tochter der Generalin aus erster Ehe, meine Tante Praskowja Iljinitschna, die als alte Jungfer ständig im Hause des Generals lebte, der sie mit besonderer Vorliebe als Opfer seiner Launen benutzte und sie wegen ihrer steten Dienstleistungen während der ganzen zehn Jahre seiner Beinlähmung gar nicht entbehren konnte, da sie mit ihrer schlichten, unverdrossenen Sanftmut die einzige war, die es ihm recht zu machen verstand, – diese trat, heiße Tränen vergießend, an sein Bett und wollte das Kissen unter dem Kopfe des Dulders in Ordnung bringen; aber der Dulder packte sie schnell bei den Haaren und riß sie, beinah schäumend vor Wut, dreimal heftig daran. Zehn Minuten darauf starb er. Dem Oberst wurde Mitteilung davon gemacht, obgleich die Generalin erklärte, sie wolle ihn nicht sehen und würde lieber sterben, als ihn in einem solchen Augenblicke vor ihre Augen kommen zu lassen. Das Begräbnis war prunkvoll, selbstverständlich auf Kosten des respektlosen Sohnes, den die Mutter nicht sehen wollte.

In dem ganz heruntergekommenen Dorfe Knjasewka, welches das Eigentum mehrerer Besitzer war und in welchem dem General hundert Seelen gehörten, erhebt sich ein Mausoleum aus weißem Marmor, dessen Wände mit Inschriften bedeckt sind, die den Verstand, die Talente und das edle Herz des Entschlafenen preisen und seines Generalranges und seiner Orden Erwähnung tun. Bei der Abfassung dieser Inschriften hatte auch Foma Fomitsch stark mitgewirkt. Lange sträubte sich die Generalin, bis sie ihrem ungehorsamen Sohne Verzeihung gewährte. Von dem ganzen Schwarm ihrer Klientinnen und Möpse umgeben, erklärte sie schluchzend und kreischend, lieber wolle sie trockenes Brot essen und es selbstverständlich »mit ihren Tränen anfeuchten«, lieber wolle sie am Bettelstabe gehen und unter den Fenstern um Almosen bitten, als der Bitte des »ungehorsamen« Sohnes nachgeben und zu ihm nach Stepantschikowo ziehen; niemals, niemals werde sie ihren Fuß über die Schwelle seines Hauses setzen! Überhaupt klingt das Wort »Fuß«, in solchem Zusammenhange gebraucht, im Munde mancher Damen außerordentlich effektvoll. Die Generalin sprach es geradezu meisterhaft, mit vollendeter Kunst aus. Kurz, sie warf mit einer unglaublichen Menge schöner Redewendungen um sich. Aber es muß angemerkt werden, daß gleichzeitig mit diesen Zornesergüssen schon sachte mit dem Einpacken ihrer Sachen zum Zwecke der Übersiedelung nach Stepantschikowo begonnen wurde. Der Oberst hetzte alle seine Pferde halbtot, indem er fast täglich die vierzig Werst von Stepantschikowo nach der Stadt zurücklegte, erhielt aber erst vierzehn Tage nach dem Begräbnis des Generals die Erlaubnis, vor den Augen seiner beleidigten Mutter zu erscheinen. Bis dahin hatte Foma Fomitsch als Unterhändler gedient. Diese ganzen vierzehn Tage über hatte er dem ›ungehorsamen‹ Sohne die schmählichsten Vorwürfe wegen seines ›unmenschlichen‹ Benehmens gemacht, so daß derselbe aufrichtige Tränen vergoß und beinah in Verzweiflung geriet. Von diesem Zeitpunkte an begann die unbegreifliche, unmenschliche despotische Herrschaft Foma Fomitschs über meinen armen Onkel. Foma merkte, was für einen Menschen er vor sich hatte, und fühlte zugleich, daß seine Rolle als Spaßmacher zu Ende sei und er nun in Ermangelung eines ernstlichen Konkurrenten selbst den Edelmann spielen könne. So entschädigte er sich denn für die früheren Demütigungen.