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Und nun stelle man sich vor, was aus diesem Foma werden konnte, der sein ganzes Leben lang unterjocht und geknechtet und vielleicht sogar geradezu geprügelt worden war, aus diesem Foma mit seiner geheimen Sinnlichkeit und seiner Selbstsucht, aus Foma, dem verbitterten Schriftsteller, aus Foma, der um des täglichen Brotes willen die Rolle des Spaßmachers gespielt hatte, aus Foma, der trotz all seiner vorhergehenden Erniedrigung und Ohnmacht doch im Grunde seiner Seele ein Despot war, aus Foma, dem Prahler, der sofort frech wurde, wenn ihm etwas geglückt war, aus diesem Foma, der auf einmal zu Ehre und Ruhm gelangt war und gelobt und verhätschelt wurde, dank einer idiotischen Gönnerin und einem verblendeten, zu allem ja sagenden Gönner, in dessen Hause er endlich nach langen Irrfahrten eine Freistatt gefunden hatte! Natürlich muß ich auch noch über den Charakter meines Onkels Näheres mitteilen; denn ohne das würde Foma Fomitschs Erfolg doch nicht recht verständlich sein. Vorher aber möchte ich noch sagen, daß bei Foma sich das Sprichwort bestätigte: ›Wenn man ihn an den Tisch setzt, so legt er gleich die Beine darauf.‹ Ja, Foma entschädigte sich für seine Vergangenheit! Eine gemeine Seele wird, wenn sie aus dem Druck herauskommt, selbst andere bedrücken. Foma war geknechtet worden, und so empfand er denn sogleich das Bedürfnis, andere zu knechten; man hatte sich über ihn lustig gemacht, nun machte er sich über andere lustig. Er war ein Possenreißer gewesen; nun fühlte er sofort das Bedürfnis, sich eigene Possenreißer zu halten. Er prahlte in ganz absurder Weise, brüstete sich unglaublich, stellte für seine Person unsinnige Ansprüche und tyrannisierte andere maßlos. Das ging so weit, daß brave Leute, die noch nicht Zeugen dieses ganzen Treibens gewesen waren, sondern davon nur hatten erzählen hören, dies alles für Fabel und Teufelsspuk hielten, sich bekreuzigten und ausspuckten.

Ich sprach von meinem Onkel und wiederhole: ohne eine genauere Schilderung dieses merkwürdigen Charakters muß eine so unverschämte Herrschaft Foma Fomitschs in einem fremden Hause natürlich unbegreiflich erscheinen, und ebenso unbegreiflich diese Metamorphose eines Possenreißers in einen großen Herrn. Mein Onkel war nicht nur außerordentlich gutmütig, sondern er war auch ein Mensch von ausgesuchtem Zartgefühl (trotz seines etwas plumpen Äußeren!), von höchstem Edelmut und von erprobter Mannhaftigkeit. Ich sage kühn ›Mannhaftigkeit‹; von der Erfüllung einer Pflicht hätte er sich nie abhalten lassen und in solchem Falle kein Hindernis gefürchtet. Seine Seele war rein wie die eines Kindes. Er war tatsächlich ein vierzigjähriges Kind, mitteilsam im höchsten Grade und immer heiter; er hielt alle Menschen für Engel, suchte bei fremden Mängeln die Schuld in sich selbst, vergrößerte gute Eigenschaften anderer übermäßig und setzte solche selbst da voraus, wo sie gar nicht vorhanden sein konnten. Er gehörte zu den Menschen von so edler Denkungsart und so keuschem Herzen, daß sie sich geradezu schämen, bei einem andern etwas Schlechtes vorauszusetzen, eiligst ihren Nächsten mit allen Tugenden ausstaffieren, sich über fremde Erfolge freuen und auf diese Weise beständig in einer idealen Welt leben, bei einem Mißgeschick aber vor allem sich selbst die Schuld geben. Sich für die Interessen anderer aufzuopfern, das ist ihre Berufung. Mancher hätte meinen Onkel wohl kleinmütig, charakterlos und schwach genannt. Allerdings war er schwach und von gar zu weichem Charakter, aber nicht aus Mangel an Festigkeit, sondern aus Furcht, jemanden zu kränken und hart zu verfahren, aus übermäßiger Achtung vor anderen und dem Menschen im allgemeinen. Übrigens war er nur dann charakterlos und kleinmütig, wenn es sich um seinen eigenen Vorteil handelte, den er im höchsten Grade vernachlässigte, wofür er sein ganzes Leben lang verspottet wurde und das sogar nicht selten von denjenigen, denen er seine Interessen zum Opfer gebracht hatte. Niemals glaubte er, daß er Feinde habe, und doch hatte er solche; aber er bemerkte es eben nicht. Vor Lärm und Geschrei im Hause hatte er die größte Angst, gab sofort in allem nach und fügte sich in alles. Er tat das aus einer Art von verlegener Gutmütigkeit, aus einer Art von schüchternem Zartgefühl; ›sei es drum‹, sagte er in seiner hastigen Weise, um alle Vorwürfe zurückzuweisen, die ihm von Fremden wegen seiner Nachgiebigkeit und Schwäche gemacht wurden, »sei es drum... wenn nur alle zufrieden und glücklich sind!« Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß er sich jedem edlen Einflüsse gern und willig fügte. Ja noch mehr: auch ein gewandter Schurke konnte ihn vollständig in seine Gewalt bringen und ihn sogar zu einer schlechten Handlung verleiten, natürlich nur, wenn er diese schlechte Handlung als eine edle maskierte. Mein Onkel schenkte anderen außerordentlich leicht Vertrauen und beging dabei oft arge Irrtümer. Wenn er aber nach vielen trüben Erfahrungen sich endlich dazu verstand, denjenigen, der ihn betrogen hatte, für einen ehrlosen Menschen zu halten, so schrieb er sich selbst den größten Teil der Schuld, ja nicht selten die alleinige Schuld zu. Und nun stelle man sich vor, daß in seinem friedlichen Hause auf einmal ein launenhaftes, vor Alter schon idiotisch gewordenes Weib die Herrschaft ergriff, in untrennbarem Vereine mit einem andern Idioten, ihrem Abgott, eine Idiotin, die sich bisher nur vor ihrem General gefürchtet hatte, sich jetzt aber vor nichts mehr fürchtete und sogar das Bedürfnis verspürte, sich für alles Vergangene zu entschädigen, eine Idiotin, der gegenüber sich mein Onkel schon allein deswegen, weil sie seine Mutter war, zu Ehrerbietung und Gehorsam verpflichtet fühlte. Das erste, was die Ankömmlinge taten, war, dem Onkel zu beweisen, daß er roh, hitzig, ungebildet und vor allen Dingen im höchsten Grade egoistisch sei. Merkwürdig war, daß die idiotische Alte selbst an die Wahrheit dieser Beschuldigungen glaubte, und meiner Meinung nach tat dies sogar Foma Fomitsch, wenigstens zum Teil. Auch überzeugten sie den Onkel davon, daß Foma von Gott selbst zu ihm hernieder gesandt sei, um seine Seele zu retten und seine zügellosen Leidenschaften zu besänftigen, und daß er, der Onkel, stolz sei, mit seinem Reichtum prahle und es fertigbringe, seinem Hausgenossen Foma Fomitsch das bißchen Brot zum Vorwurf zu machen. Der arme Onkel kam sehr bald zu der Ansicht, daß er ein moralisch tief gesunkener Mensch sei, und war bereit, sich die Haare zu raufen und um Verzeihung zu bitten...