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Während Garvey beim Wagen blieb, nahm Hawkwood die Reisetasche und zusammen mit Jago begleiteten sie Lasseur und Jess Flynn hinunter zum Wasser.

Unten angekommen, drehte sie sich um. »Nun komm schon, Alter!«, rief sie leise.

Man hörte das Scharren von Pfoten, und der Hund sprang hinten vom Wagen und kam langsam und zaghaft mit dem Schwanz wedelnd angetrottet.

»Er wird Französisch lernen müssen«, sagte Lasseur.

»Du musst nur immer schön laut und langsam mit ihm sprechen«, meinte Jago.

Jess Flynn lachte. »Er ist nicht schwerhörig, Nathaniel. Er wird nur alt, weiter nichts.«

»Wie ich«, sagte Jago.

Hawkwood stellte die Tasche ins Boot.

Jess Flynn ließ Lasseurs Hand los und küsste Hawkwood auf die Wange.

»Danke für alles«, sagte sie.

Lasseur half ihr ins Boot, dann hob er den Hund hinein. Mit Hawkwoods und Jagos Hilfe schob er das Boot ins Wasser und kletterte an Bord. Langsam entfernte sich das Boot. Das Letzte, was sie sahen, ehe es in der Dunkelheit verschwand, war Lasseur, der seine Hand zu einem wortlosen Abschiedsgruß hob.

»Was meinst du?«, sagte Jago nachdenklich. »Glaubst du nicht auch, dass er das Gold vielleicht nur aufgegeben hat, weil er zurückkommen und sie holen wollte?«

»Kann schon sein«, sagte Hawkwood.

»Dämlicher Kerl«, murmelte Jago.

Sie wandten sich um und gingen zurück.

Garvey wartete beim Wagen.

»Danke, Jethro«, sagte Hawkwood. »Und pass auf dich auf.«

Der Wagen holperte davon. Hawkwood und Jago gingen, um ihre Pferde loszubinden.

»Ist dir eigentlich klar, dass der Einzige, der von der ganzen Sache etwas hat, ausgerechnet ein verdammter Franzose ist?«, sagte Jago. »Das Arschloch segelt jetzt los, mit einem Haufen Gold und dem Mädchen.«

»Stimmt nicht ganz«, sagte Hawkwood. Er blieb stehen und griff in seine Tasche. »Hier, fang auf …«

Der kleine Goldbarren, den er aus Morgans Tasche herausgeschnitten hatte, wurde geschickt von Jago aufgefangen.

Jago zog eine Augenbraue hoch.

»Spesen«, sagte Hawkwood.

Jago starrte auf den Goldbarren in seiner Hand. »Was ist der denn wert?«

»Keine Ahnung. Ziemlich viel.«

Jago gab ihn zurück. »Bei dem, was sie dir zahlen, kannst du jede Hilfe brauchen.«

Sie saßen auf und lenkten ihre Pferde vom Strand weg.

Über das dunkle Wasser hinter ihnen schallte ein kurzes Bellen.

Historische Anmerkung

Im Verlauf der napoleonischen Kriege machte Großbritannien Tausende von Kriegsgefangenen, die in Gefängnissen sowohl auf dem Festland als auch in den ›Hulks‹ untergebracht waren; frühere Kriegsschiffe britischer und fremder Flotten, die man für zu alt und nicht mehr tauglich für den aktiven Einsatz hielt. Um 1814 hatte die Anzahl der Gefangenen auf diesen Schiffen mit 72.000 Mann ihren Höchststand erreicht. Die meisten von ihnen lagen vor Portsmouth, Plymouth und in der Medway.

Von allen Gefangenen, die auf den Hulks lebten, waren die Römer die am meisten gefürchteten, die am meisten verachteten waren die Rafalés. Man trug Duelle aus wie im Roman beschrieben, und es gibt Berichte, aus denen hervorgeht, dass man tatsächlich auch Leichen zerlegte und durch die Schiffslatrinen entsorgte.

Die meisten Todesfälle auf den Hulks in der Medway gingen auf Schwindsucht und andere Infektionskrankheiten zurück. Die Leichen sowohl von Zivilisten als auch Gefangenen wurden am Ufer begraben. Als 1855-56 die Werft von Chatham vergrößert wurde, entdeckte man auf St. Mary’s Island die Überreste von mehr als 500 Gefangenen. Diese wurden exhumiert und unter einem Denkmal begraben, das noch heute auf dem Gelände der alten Marinekaserne steht.

Die Zahlen schwanken, aber man kann davon ausgehen, dass in der Zeit von 1811 bis 1814 zwischen 300 und 450 französischen Offizieren die Flucht gelang. Die meisten von ihnen wären ohne die Hilfe der britischen Schmugglerbanden nicht in die Heimat zurückgekommen, die sich die Hilfe mit bis zu 300 Guineen bezahlen ließen.

Diese Hilfe wurde damit belohnt, dass die englischen Schmuggler von Napoleon Bonaparte nach Kräften unterstützt wurden. Bonaparte soll gesagt haben: »Alle Informationen, die ich während des Krieges über England erhielt, bekam ich von den Schmugglern«. Er war so begeistert von deren Service - zu der auch die Lieferung von Zeitungen gehörte, die nach Ankunft in Frankreich sofort per Kurier zum Polizeiminister nach Paris gebracht wurden -, dass er den Hafen von Gravelines zur ausschließlichen Anlaufstelle für britische Schmuggler bestimmte. So wurde eine regelrechte Schmugglerstadt gegründet.

Schmuggeln war schon immer ein einträgliches Geschäft. Die Unverfrorenheit der Schmuggler, besonders derer, die im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert an den Küsten von Sussex und Kent operierten, war erstaunlich. Dabei handelte es sich hier nicht etwa um die klassischen zwei Draufgänger im Ruderboot. Der Handel war straff durchorganisiert und finanziert, in vielen Fällen von Londoner Kaufleuten. Schmugglerbanden operierten mit großer Dreistigkeit und oft sogar bei Tage. Es gab Karawanen von Hunderten von Tieren und Männern, die die Waren von der Küste bis direkt in die Londoner Lagerhäuser brachten. Offene Schlachten zwischen Schmugglern und Zollbeamten war keine Seltenheit, wobei die Zöllner von Truppen unterstützt wurden, weil die Schmuggler meist in der Überzahl waren, und es gab auf beiden Seiten viele Tote und Verletzte.

Einer der einträglichsten Zweige des Schmuggelgeschäftes jedoch war der Einsatz der Guinee Boats. Der Handel, der zum größten Teil unter Führung des Hauses Rothschild stattfand, wurde durchgeführt wie beschrieben. Es handelte sich hierbei um unglaubliche Summen, denn die Rudergaleeren beförderten auf einen Schlag bis zu 30.000 Guineen. Allein im Jahre 1811 transportierten Schmuggler 1.900.000 Guineen oder 49.000.000 Francs über den Ärmelkanal. In heutiger Währung wären das fast £ 65.000.000.

Fanny Burney, die im 18. Jahrhundert Tagebuch schrieb, nannte Deal eine »traurige Schmugglerstadt«. Ich bezweifle jedoch, dass die Bewohner sich in einem so trüben Licht sahen. Deals Ruf als Schmugglerstadt suchte seinesgleichen, die Verbindungen der Stadt mit diesem Geschäft reichten zurück bis in die 1740er-Jahre. Die Stadt blieb bis ins folgende Jahrhundert ein Dorn im Fleische der Behörden, denn die Seeleute von Deal blieben führend im Schmuggeln von allgemeinen Gütern als auch von Gold. Das Ergebnis war, dass 1784 unter dem direkten Befehl des Premierministers William Pitt die gesamte Flotte von Deal niedergebrannt wurde, als sie vor einem Sturm am Strand Schutz gesucht hatte. Die Galeeren, die die Goldschmuggler benutzten, waren ein so wichtiger Bestandteil dieses Handels, dass ab 1812 der Bau dieser Boote von der britischen Regierung verboten war.

Die Figur des Ezekiel Morgan basiert lose auf der des kentischen Schmugglers George Ransley, der Anführer der Blues, einer der berühmtesten Banden des Landes. Wie Morgan, beschäftigte auch Ransley seinen eigenen Arzt und eine Rechtsanwaltskanzlei. 1826 wurden Ransley und seine Mittäter für den Mord an einem Quartiermeister der Küstenwache verurteilt und nach Tasmanien deportiert, wo er seine Tage als freier Siedler in Launceton beschloss.

Viele der Orte im Roman gibt es wirklich, und sie wurden auch von Schmugglern benutzt. Der Pub und die Kirche in Warden Point auf der Insel Sheppey existierten, aber sie sind jetzt abgerissen, weil hier die Küste langsam ins Meer absackt. Doch Warden Manor, das Haus von Sir John Sawbridge mit dem Taubenschlag, gibt es noch heute.

Die Residenz des Admirals in Deal stand in der Queen Street; in ihrem Tresorraum standen die Geldkisten für die Bezahlung der Armee und der Navy, folglich kamen regelmäßig Goldlieferungen in der Stadt an. Zum Beispiel wurden im Jahr 1813 25 Tonnen Gold und Silber in Barren, Staub und Münzen von der HMS Bedford angeliefert. Das Gebäude wurde 1936 abgerissen, als ein Kino dort gebaut wurde. Jetzt steht an dieser Stelle ein Nachtclub.