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Colebrooke stemmte die Hände in die Hüften, drehte sich um und brüllte einen Befehl. Soldaten kamen gerannt. Unter Colebrookes Leitung schoben sie einen mächtigen Rammbock heran und stießen seinen eisenbeschlagenen Kopf gegen die Pforte, bis diese nachgab und aus den Angeln flog.

»Fackeln!« befahl Cranston.

Man brachte Pechfackeln und zündete sie hastig an. Rothand hüpfte die glitschigen Treppenstufen hinunter in eiskalte Finsternis.

Am Fuße der Treppe begann ein Korridor, schmal, klamm und stinkend. Zur Rechten waren nur schimmelige Wände, zur Linken zwei Zellentüren mit eingerosteten Schlössern. Athelstan erstarrte, als er etwas quieken und rascheln hörte; er fuhr herum und sah ein braunes, fettglänzendes Etwas, das ins Dunkel glitt und verschwand.

»Schlagt die Türen ein!« rief Cranston.

Die Soldaten attackierten das schwere, aber verrottete Holz und schlugen ein großes Loch hinein. Athelstan nahm eine Fackel und kletterte hinein. Dahinter war nichts außer ein paar Ratten, die quiekend und raschelnd in einem vermoderten Strohhaufen in der Ecke saßen.

»Bei allen Zähnen der Hölle!« zischte Cranston. »Nichts!«

Sie kletterten durch das Loch in der Türwieder hinaus. Cranston hielt die Fackel hoch und untersuchte die Wand zwischen den Türen.

»Sieh doch, Athelstan!« rief er.

Der Ordensbruder betrachtete die Wand aufmerksam.

»Da ist noch eine Tür«, stellte Cranston fest. »Aber sie ist zugemauert. Hier, sie wölbt sich, und der Putz ist frischer.«

»Ihr habt’s gefunden! Ihr habt’s gefunden! Ihr habt’s gefunden!« Rothand klatschte in die Hände und hüpfte wie ein spielendes Kind. »Sie haben die Geheimtür gefunden!« krähte er. »Sie haben das Spiel gewonnen!« Der Irre wurde plötzlich still. »Ich hab das gemacht«, erklärte er dann stolz. »Sir Ralph Whitton hat es mir befohlen. Die Tür wurde abgeschlossen, und ich habe den Eingang zugemauert.«

»Wann?« fragte Athelstan.

»Oh, vor Jahren. Vor Jahren!«

Cranston schnippte gebieterisch mit den Fingern. »Reißt die Mauer ein!«

Die Soldaten machten sich mit eisernen Hämmern und Schlegeln an die Arbeit. Bald war der Gang voll weißem, modrigem Staub.

»Da ist eine Tür!« rief einer.

»Einschlagen!« befahl Cranston.

Wenig später brach und krachte das verrottete Holz, das hinter der niedergerissenen Mauer zum Vorschein gekommen war; die Soldaten schlugen ein Loch hinein, und Cranston und Athelstan krochen hindurch. Cranston rief nach Fackeln und hielt dann eine in die Höhe.

»Barmherziger Gott!« wisperte er und starrte das zerfallene Skelett an, das auf einem verfaulten Strohsack lag. »Wer ist das?

Und welcher gräßliche Sohn des Satans hat einen so furchtbaren Tod befohlen?«

»Um Eure Fragen zu beantworten, Sir John: Ich nehme an, dies sind die sterblichen Überreste des Bartholomew Burghgesh. Und Whitton, ein Mann, dessen Herz eine Mördergrube ist, hat den Befehl gegeben.«

»Sieh doch!« zischte Sir John und leuchtete mit seiner Fackel an die Wand, wo der weiße Knochenarm lehnte. Athelstan spähte genauer hin und sah die grobe Zeichnung eines Dreimasters in den Stein geritzt; es war die gleiche Zeichnung wie in den Briefen an Sir Ralph und die anderen. Cranstons Augen rundeten sich überrascht.

»Bruder, du hast recht!«

»Ja, Sir John. Jetzt wollen wir sehen, ob der Rest meiner Theorie ebenfalls standhält.«

Sie befahlen Colebrooke, Wachen vor der Zelle aufzustellen, und kehrten schnell in die kalte, frische Luft des Tower Green zurück.

»Was habt Ihr denn gefunden?« fragte der Lieutenant besorgt hinter ihnen.

»Nur Geduld, Master Lieutenant. Aber kommt, ich muß Euch noch um weitere Gefälligkeiten bitten.« Athelstan nahm Colebrooke beim Ellbogen und führte ihn beiseite, und Cranston sah, wie Ordensmann und Soldat leise miteinander sprachen.

»Braucht Ihr Rothand noch?« Plötzlich hüpfte der Bucklige wieder neben ihnen.

Cranston lächelte und wühlte in seiner Börse nach zwei Silberstücken und drückte sie dem Mann in die Hand. Dann tätschelte er ihm sanft die Wange.

»Im Augenblick nicht, Rothand. Aber ich danke dir, und ebenso der Regent, der Bürgermeister und die Stadt London.«

Die Augen des Buckligen blitzten entzückt. Er rannte davon, machte Bocksprünge vor Freude, schlug Purzelbäume und lachte den Raben zu, die lautstark über ihm krächzten.

»Rothand ist der Größte! Rothand ist der Beste!« kreischte er. Athelstan trat zu Sir John. »Der Lieutenant weiß, was er zu tun hat«, sagte er. »Kommt, Mylord Coroner, das Drama kann beginnen.«

Die anderen warteten in Philippas Gemach. Sir Fulke war sehr elegant in ein dunkles Gewand in goldgesäumtem Maulbeerrot gekleidet. Philippa trug Trauerkleidung und einen schwarzen Schleier; sie saß am Fenster, den Kopf über eine Stickerei gebeugt. Rastani hockte vor dem Feuer, und der Kaplan saß ihm gegenüber auf einem Schemel. Alle außer Philippa blickten wütend auf, als Athelstan und Cranston hereinkamen.

»Wir warten schon seit einer Stunde!« schimpfte Sir Fulke. »Gut«, erwiderte Sir John. »Und in drei Teufels Namen, wenn ich will, wartet Ihr noch mal eine verdammte Stunde! Wir sind hier im Auftrag des Königs. Vier Männer sind tot, und einer von ihnen ist Sir Ralph Whitton, ein hoher Staatsbeamter, wenn auch ein vollendeter Dreckskerl!«

Mistress Philippa blickte auf, und ihr Gesicht war eine weiße Maske der Wut. Athelstan schloß die Augen, während Sir John das Mädchen mit überschwenglichsten Entschuldigungen überschüttete.

»So - können wir jetzt anfangen?« fragte Sir Fulke.

»Gleich, gleich«, brummte Athelstan. »Ich glaube, wir warten noch auf Master Colebrooke und den jungen Geoffrey.« Cranston ließ sich neben Philippa auf die Fensterbank fallen, aber sie wandte ihm den Rücken zu. Athelstan trug einen Schemel zum Tisch und legte Tablett, Tintenfaß und Federkiel bereit. Colebrooke stieß schwer atmend die Tür auf.

»Es ist alles bereit, Sir John.« Der Lieutenant kam zu Athelstan. »Hier, Bruder.«

Athelstan nahm, was der Lieutenant ihm gab, und verbarg es in seinem voluminösen Ärmel. Er schaute in die schweigende Runde. Hier, dachte er, werden wir den Mörder fangen.

14. Kapitel

Cranston drehte Daumen und schaute strahlend in die Runde. Athelstan sah mit stiller Belustigung, daß Sir John unter seinem Mantel Wams und Hose in dunklem Flaschengrün mit silbernen Fransen und dazu passenden Knöpfen trug. Das war einer der besten Anzüge des Coroners, ein sicheres Anzeichen dafür, daß er in bester Verfassung war. Die anderen indessen wirkten niedergedrückt: Hammond starrte auf den Boden, Rastani ins Feuer. Sir Fulke nagte an seiner Unterlippe und wippte ungeduldig mit dem Fuß. Colebrooke zappelte, während Philippa wütend auf ihre Stickerei einstach. Draußen waren Schritte zu hören; die Tür ging auf, und Parchmeiner trat ein. Athelstan sah die Wachen draußen und war froh, daß Colebrooke so vernünftig gewesen war, bewaffnete Soldaten herbeizubefehlen. Der junge Mann hatte rote Wangen und war außer Atem. Er lächelte Philippa zu, ging hinüber und küßte sie sanft auf den Mund, bevor er sich erwartungsvoll umsah.

»Sir John! Bruder Athelstan! Was soll dieser plötzliche Aufstand?«

Der Ordensbruder erhob sich. »Schalom, Geoffrey!«

»Friede sei mit Euch, Bruder.« Plötzlich errötete der junge Mann.

Athelstan lächelte. »Woher kennt Ihr das arabische Wort für Frieden?«

Der junge Mann zuckte die Achseln. »Ich kaufe und verkaufe. Ich kenne mehr als eine Sprache.«

»Schlagt Eure Manschetten zurück, Master Parchmeiner.« Parchmeiner machte ein verblüfftes Gesicht. »Wieso?«

»Schlagt sie zurück.«

»Ich begreife nicht…«

»Schlagt sie zurück!« befahl Cranston. »Sofort!«

Parchmeiner knöpfte die bestickte Manschette auf, klappte sie zurück, und Athelstan sah die weißen Streifen, die sich wie Ringe um die braunen Handgelenke des Mannes zogen.