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Der Bischof hatte ihm erlaubt, seinen Friedhof neu zu weihen, und Pike hatte erzählt, daß Doktor Vincentius verschwunden sei. Benedicta war bestürzt gewesen, und Athelstan verspürte noch immer Gewissensbisse. Geistesabwesend gab er Bonaventura einen Kuß zwischen die Ohren. Er hatte sich bei allen Beteiligten für seinen Zornesausbruch nach Tosspots Grabschändung entschuldigt.

Athelstan seufzte. Alles schien in Ordnung zu sein, aber war es das auch? Weihnachten würde verstreichen, das Fest der Erscheinung des Herrn würde kommen und mit ihm neue Probleme. Vielleicht würde er ein Fest veranstalten, ein Bankett für den Gemeinderat, um sich bei allen für ihre Freundlichkeit zu bedanken. Watkin hatte ihm einen neuen Löffel aus Horn geschenkt, Ursula, die Schweinebäuerin, eine Speckseite. Von Pike hatte er eine neue Hacke für seinen Garten bekommen, von Ranulf, dem Rattenfänger, ein paar Handschuhe aus Maulwurfsfell, und Benedicta, möge Gott sie segnen, war mit einem dicken Wollmantel gekommen, der ihn vor den Unbilden des Winters schützen sollte. Aber morgen, nach der Messe, würde er allein sein. Athelstan starrte in die Kerzenflammen.

Verbarg Gott sich hinter dem Feuer? fragte er sich und schloß die Augen.

»O Herr der verborgenen Flammen«, betete er, »warum ist es so schrecklich, allein zu sein?« Er sprang auf und grinste, als die Kirchentür aufgestoßen wurde. »Gütiger Gott«, flüsterte er. »Von der Macht des Gebetes habe ich ja schon gehört, aber das hier ist wirklich ein Wunder.«

»Mönch!« brüllte Cranston und stand wie ein Koloß in wehenden Gewändern in der Kirche. »Ich weiß, daß du hier bist, Athelstan. Wo versteckst du dich, verdammt? In drei Teufels Namen, es ist noch zu früh für deine verdammten Sterne!« Athelstan trat unter dem Chorgitter hervor. »Sir John, Ihr seid höchst willkommen.« Er schaute den Coroner aufmerksam an. »Doch nicht schon wieder ein Mord?«

»Das will ich nicht hoffen, verflucht!« röhrte Cranston; er kam näher und klatschte in die Hände. »Ich brauche eine Erfrischung, Bruder! Willst du mir nicht Gesellschaft leisten?«

»Natürlich, Sir John. Aber diesmal bezahle ich.«

»Ein Pfaffe, der bezahlt, was er trinkt«, neckte Cranston. »Es muß wirklich Weihnachten sein.«

Athelstan holte seinen Mantel, den er über den Taufbrunnen geworfen hatte, und zusammen traten sie hinaus in die kalte Nachmittagsluft.

»Laß uns ins Geschenkte Pferd gehen«, schlug Cranston vor. »Ein guter Rotwein und ein heißer Eintopf werden uns guttun - an Leib und Seele!«

Sie gingen die Gasse hinunter und traten in die willkommene Wärme der Schenke. Der einarmige Wirt kam geschäftig herüber, um sie zu begrüßen.

»Sir John!« rief er. »Und Bruder Athelstan!«

Er führte sie zu einem Tisch am Kamin, und Cranston bestellte lautstark. Dann räkelte er sich auf der Bank und schaute sich strahlend um.

»Ihr habt viel zu tun, Sir John?«

»Ich suche immer noch Roger Droxford, der in Cheapside seinen Herrn ermordet hat. Jetzt habe ich gehört, daß er sich in einer Taverne bei La Reole verstecken soll; vielleicht gehe ich auf dem Heimweg einmal dort vorbei. Aber, Bruder, laß uns die Mordgeschichten vergessen. Lady Maude lädt dich für morgen um drei zum Essen ein. Dich und die Lady Benedicta.« Athelstan errötete, und Cranston grinste teuflisch.

»Keine Sorge, sie wird kommen. Ich war schon bei ihr, habe einen Becher Roten getrunken und ihr in deinem Namen einen Kuß gegeben.«

»Sir John, Ihr macht Euch über mich lustig.«

»Sir John, Ihr macht Euch über mich lustig«., äffte Cranston ihn nach. »Komm schon, Bruder, es ist doch keine Sünde, wenn man Gefallen an den Werken des Herrn findet. Du kommst?« drängte er. »Ich habe nämlich ein Geschenk für dich.«

Athelstan nickte, und Cranston fragte sich, ob das Astrolabium, das er gekauft hatte, diesem wunderlichen sterneguckenden Ordensbruder wohl gefallen würde. Der Wirt brachte Wein und zwei Schüsseln mit heißem, gut gewürztem Hammeleintopf. »Tja, Sir John, nun ist alles in Ordnung. Der Mörder Sir Ralphs ist gefaßt, Doktor Vincentius ist fort, mein Friedhof ist sicher. Morgen ist Weihnachten, und alles ist gut.«

Cranston trank schlürfend aus seinem Becher.

»Aye, Bruder, aber der Frühling wird wieder einen Korb voll Sorgen bringen. Der Rote Schlächter wird wieder zuschlagen. Der Mensch hört nicht auf, seinen Bruder zu töten.« Er seufzte. »Und Lady Maude braucht Fürsorge; ihr und dem Kind darf nichts geschehen.« Er senkte den Kopf und funkelte Athelstan an. »Es wird ein Junge«, verkündete er ohne Umschweife. »Und ich werde ihn Francis nennen, nach deinem toten Bruder.« Athelstan schnappte nach Luft und stellte seinen Becher auf den Tisch.

»Sir John, das ist wunderbar. Es ist sehr gütig von Euch.«

»Er wird ein Ritter werden«, fuhr Cranston überschwenglich fort. »Ein Friedensrichter, ein Mann des Gesetzes.« Er schwieg einen Augenblick. »Glaubst du, er wird aussehen wie ich?« Athelstan grinste. »In den ersten Monaten bestimmt, Sir John.« Cranston hörte das Lachen in seiner Stimme. »Wie meinst du das, Mönch?« fragte er drohend.

»Na ja, Sir John, natürlich wird er aussehen wie Ihr. Er wird kahlköpfig sein und rot im Gesicht, er wird viel saufen, rülpsen und furzen, laut brüllen und voll heißer Luft sein.«

Die anderen Gäste in der Schenke unterbrachen, was immer sie gerade taten, und starrten verblüfft herüber, als Sir John Cranston, der Coroner des Königs in der Stadt London, sich an die Wand lehnte und vor Lachen brüllte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen.

Athelstan grinste, bis ihm klar wurde, daß er es fortan mit zwei Cranstons zu tun haben würde. Da schloß er die Augen. »O Gott«, flüsterte er, »und wenn es nun Zwillinge werden?«