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Sie ging ins Wohnzimmer, um zu sehen, ob Duke betrunken vor dem Fernseher eingeschlafen war. Aber da lag niemand. Die Sofakissen waren ordentlich ausgeklopft, der Fernseher war aus.

»Duke?«, sagte sie, aber diesmal so leise, dass er sie auch nicht gehört hätte, wenn er im Haus gewesen wäre.

Er war nicht in der Küche. Nicht in der Vorratskammer. Nicht im Garten. Und Gott sei Dank trieb er auch nicht im Pool.

Sie sah ihr Gesicht im Garderobenspiegel, als sie zu Rays Zimmer ging, um zu sehen, ob er aus irgendwelchen Gründen dort geschlafen hatte. Dabei wusste sie, dass er Rays Zimmer nie betrat. Er nannte es die »Pesthöhle«. Fast glaubte sie, seine Stimme zu hören: »Weißt du, warum die Kids heutzutage ständig furzen? Liegt am Essen, all dem verdammten Grünzeug. Möchte mal wissen, was an dem Fraß gesund sein soll, wenn andere wegen der Furzerei fast ersticken.«

Sie klopfte. »Ray? Ist dein Vater bei dir?«

Weil sie keine Antwort bekam, klopfte sie noch einmal und öffnete dann vorsichtig die Tür. Duke lag nicht auf dem Teppich. Und Ray nicht in seinem Bett. Es war unberührt, die Tagesdecke lag sogar noch darauf.

Erst in diesem Moment begann Bonnie, sich Sorgen zu machen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wie sie am Abend zuvor ins Bett gegangen war. Nach der Dusche hatte sie ihr Nachthemd angezogen und war ins Schlafzimmer gegangen. Sie wusste noch, dass sie wach gelegen und sich gefragt hatte, wann Duke wohl ins Bett käme. Normalerweise weckte er sie dabei auf, weil er immer über seine Füße oder etwas anderes stolperte und Radau machte. Aber er gab ihr auch immer einen Gutenachtkuss. Und an den konnte sie sich nicht erinnern.

Sie lief zur Haustür: von innen verschlossen, die Kette vorgelegt. Sie prüfte die Fenster: alle geschlossen. Das bedeutete, dass Duke und Ray das Haus verlassen haben mussten, bevor Bonnie nach Hause gekommen war. Sie hatte hinter ihnen abgeschlossen. Aber sie konnte sich nicht erinnern, das getan zu haben, und sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wo die beiden hingegangen sein konnten. Ein Hotel war ausgeschlossen, weil Duke kein Geld hatte. Und Freunde, bei denen sie übernachtet haben konnten, hatte Duke auch nicht. Vielleicht waren sie über Nacht bei einem von Rays Freunden geblieben.

Aber warum sollten sie? Hatten sie sich gestritten? Duke hatte sie wegen seinem Job belogen und sie hatte heftig reagiert. Und Ray hatte irgendetwas von Mexikanern erzählt, die Amerikanern Jobs wegnehmen und Drogen verkaufen. Aber das war am Nachmittag gewesen. Und danach?

Richtig. Sie hatte sich umgezogen, war zu Esmeralda gefahren und hatte Juan Maderas getroffen. Und danach war sie direkt zurückgefahren. Waren Ray und Duke da noch zu Hause gewesen? Weit konnten sie jedenfalls nicht gewesen sein, denn Dukes Wagen, den sie gestern benutzt hatte, stand vor der Tür neben ihrem Pick-up.

Sie kam sich vor wie jemand, der auf einer Party zu viel getrunken und am Morgen danach einen Blackout hatte.

Zurück in der Küche trank sie ein Glas Orangensaft. Danach setzte sie die Packung direkt an den Mund und trank sie leer. Ihr fiel auf, dass die Wohnung wie aus dem Ei gepellt war. Hatte sie gestaubsaugt? Aufgeräumt? Nichts war zerbrochen oder beschädigt, das sprach gegen einen heftigen Streit.

Sie ging zurück in Rays Zimmer und nahm sein Bart-Simpson-Adressbuch zur Hand. Die meisten Seiten waren mit kleinen Zeichnungen beschmiert und voll gekritzelt, trotzdem fand sie die Nummer seines besten Freundes Kendal.

»Mrs Rakusen? Hier ist Bonnie Winter. Bitte entschuldigen Sie die Störung, ich wollte fragen, ob Sie Ray gesehen haben? – Nicht? Er hat nicht bei Kendal übernachtet, oder so? – Ah ja. – Könnten Sie denn zur Sicherheit einfach Kendal noch mal fragen? – Ach so. -Na ja, wenn Sie ihn doch sehen sollten, soll er mich bitte anrufen, wenn Sie ihm das sagen würden? – Das wäre nett. Er ist nämlich letzte Nacht nicht nach Hause gekommen und ich mache mir etwas Sorgen. Vor allem nach dem, was passiert ist. – Genau. Vielen Dank.«

Sie wählte noch zwei weitere Nummern aus dem Buch, sogar Rays Exfreundin Cherry-Jo rief sie an. Niemand hatte etwas von Ray gehört oder gesehen.

Danach saß sie auf dem Sofa im Wohnzimmer, biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, was sie nun tun sollte.

Schließlich rief sie Ruth an.

»Ruth… etwas ist passiert – etwas sehr Seltsames.«

»Sag mir nicht, dass du dich endlich von Duke… du weißt schon…«

»Ich mach keine Witze, Ruth. Duke und Ray sind weg.«

»He, gratuliere! Wie hast du denn das geschafft?«

»Sie sind weg, Ruth, verschwunden, ich weiß nicht wann und ich weiß nicht wohin.«

»Du meinst es wirklich ernst, was? Verschwunden, sagst du? Was soll das heißen?«

Bonnie erzählte ihr alles, von ihrem Streit mit Duke, den unbenutzten Betten, dem Klodeckel und der von innen verschlossenen Haustür. »Sie sind weg, also müssen sie gegangen sein, aber ich weiß nichts mehr. In meiner Erinnerung klafft ein Loch. Es ist, als ob es sie nie gegeben hätte.«

»Unsinn«, sagte Ruth, »die ziehen bestimmt nur eine dumme Show ab. Duke war beleidigt, weil er sich von einer Frau nichts sagen lassen will, vor allem nicht, dass er den Arsch hochkriegen soll. Wenn die Hunger kriegen, stehen sie plötzlich wieder vor der Tür. Wart’s ab.«

Für einen Moment war Bonnie versucht, Ruth von dem Besuch bei Esmeralda zu erzählen, von Juan Maderas und Itzpapalotl. Aber weil sie nicht wollte, dass Ruth sie für völlig hysterisch hielt, ließ sie es bleiben.

Anruf bei Ralph

»Ralph, es tut mir so Leid, dass ich das mit Phil Cafagna versaut habe.«

»Schon gut. Vergiss es einfach.«

»Ich will es aber nicht vergessen. Und diese Nacht mit dir war etwas ganz Besonderes.«

»Ich weiß. Für mich auch. Aber Glamorex bricht gerade zusammen, und ich kann mich um nichts anderes kümmern.«

»Duke hat mich verlassen, Ralph.«

»Was?«

»Er hat mich verlassen. Ich weiß nicht, wo er hin ist, aber er ist weg und hat Ray mitgenommen.«

»Das tut mir Leid, Bonnie, aber das ändert nichts. Und wenn Vanessa tot umfällt, ändert das auch nichts. Manchmal laufen die Dinge so, wie man sich das wünscht, manchmal eben nicht. Das ist Schicksal, wenn du so willst.«

»Ralph, bitte, ich… ich flehe dich an. Du hast mir so viel gegeben, du hast mich wieder daran erinnert, wie es ist, eine Frau zu sein. Was ich bei dir gefühlt habe, habe ich nie zuvor gefühlt. Nie. Und sag mir nicht, dir hätte es nicht auch gefallen.«

Zwanzig Herzschläge lang schwieg Ralph. Dann sagte er: »Ich liebe dich, Bonnie. Ich will dir nicht wehtun, aber wir müssen beide akzeptieren, dass wir die Chance verpasst haben.«

»Nein, Ralph, hör mir bitte zu…«

Aber dann hielt sie inne, weil sie plötzlich wusste, dass es keinen Zweck hatte. Dass ihr das Glück nicht vergönnt war. Sie stand in der Telefonzelle gegenüber dem Glamorex-Gebäude, sah Ralphs Silhouette hinter seinem Bürofenster und ließ langsam den Hörer auf die Gabel sinken. Sie sah, wie auch er auflegte, die Arme um seinen Körper schlang und den Kopf auf die Brust drückte, als leide er unter großen Schmerzen.

Falter

Sie rief alle Freunde von Ray an, die in dem Adressbuch standen. Keiner hatte ihn gesehen. Sie rief sogar Dukes Mutter an, die in einem Altenheim in Anaheim wohnte. Mrs Winter hustete, murmelte unverständliches Zeug und fragte ständig »Bonnie wer?«.

Sie rief auch ihre eigene Mutter an, die beinahe hörbar mit den Achseln zuckte. »Pah, so sind die Männer. Verdrücken sich einfach. Ich habe nie verstanden, warum du ihn geheiratet hast.«

Sie suchte im ganzen Haus nach Hinweisen, die das Verschwinden von Duke und Ray erklären könnten. Hinter dem Wasserkocher lag ein altes, feuchtes Hustler-Magazin. Unter Rays Schlafanzügen entdeckte sie ein Springmesser, und Alufolie mit Marihuana-Krümeln. Nichts von dem erklärte das Geschehen.