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Bruder Budnouen erklärte ihr ungerührt: »Da werden Sklaven versteigert. Das Geschäft blüht in der Stadt, hier ziehen viele Händler aus fremden Ländern durch.« »Abscheulich«, murmelte Fidelma.

Bruder Budnouen schaute sie belustigt an. »Was meinst du? Den Sklavenhandel etwa? Wie soll man in der Welt zurechtkommen ohne Sklaven?«

»Ziemlich gut sogar«, erwiderte sie aufgebracht.

Der Gallier gluckste. »Du willst mir doch nicht etwa erzählen, dass es bei euch keine Sklaven gibt.«

»Nicht in dem Sinne, wie man sie hier hat.«

»In welchem Sinne dann?«, fragte er und zog die Brauen hoch.

»Es gibt bei uns eine Schicht, die ihr die Unfreien nennen könntet, die fudir«, räumte sie ein.

»Und wie werden die gekauft und verkauft?« »Die werden nicht wie Waren gekauft oder verkauft, um daran zu verdienen wie an einem Sack Mehl. Meistens sind das Gefangene, die in einer Schlacht gemacht wurden, oder es sind Verbrecher, die ihr Recht verwirkt haben, zu einem Clan zu gehören. In den Clans aber regelt sich unser Zusammenleben. Solche Leute heißen bei uns daer-fudir - sie müssen in ihrem Sippenverband niedere Dienste verrichten, bis sie ihr Vergehen gebüßt oder ausreichend lange gearbeitet haben, damit sie ihre Freiheit wiedererhalten. Ihr Los ist nicht das der völlig hoffnungslosen Sklaven wie in anderen Ländern. Die Gesetze bei uns sehen die Möglichkeit vor, aus der Unterschicht der fudir freizukommen.«

Bruder Budnouen schnaufte ungläubig. »Ich habe jedenfalls gehört, die Angelsachsen verkaufen den Iren Kinder als servus, und das heißt doch als Sklave, oder etwa nicht?« »Ja, das schon, auch in meinem Volk gibt es Sklaverei«, mischte sich Eadulf ein. »Gerade unter armen Leuten kommt es vor, dass sie ihre Kinder oder andere Verwandte an Händler veräußern, um an Geld zu kommen. Diese Händler verkaufen sie dann in den Häfen von Hi-bernia. Ich kann nur hoffen, das hört bald auf. Eigentlich übernehmen die Iren diese Kinder in gutem Glauben, nicht weil sie Sklaven benötigen, sondern weil sie denken, sie würden damit den dear-fudir helfen freizukommen, denn das Wort fudir bedeutet, wie ich gelernt habe, nichts weiter als Überrest oder jemand, der überflüssig ist. Du kannst mir glauben, lieber Freund, es ist den Hibernianern völlig unverständlich, dass ein Mensch Eigentum eines anderen ist, so wie man ein Stück Stoff oder ein Schwert besitzt.«

Bruder Budnouen verzog das Gesicht und tat die Erklärung mit einem Achselzucken ab. »De gustibus non est disputandum. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Der christliche Glaube duldet die überkommene Sitte der Sklaverei. Entlaufene Sklaven werden verurteilt und dürfen nicht am Abendmahl teilnehmen. Das steht sogar in der Bibel. Heißt es nicht bei Petrus: >Ihr Sklaven seid untertan mit aller Furcht euren Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den launischen<? Demnach ist es Ketzerei zu behaupten, es sei nicht rechtens, Sklaven zu halten.«

»Hat Paulus von Tarsus den Korinthern nicht geschrieben: >Kannst du frei werden, so tue es ... macht euch nicht zu Sklaven von Menschen<?«, hielt ihm Fidelma ärgerlich vor.

Bruder Budnouen fand Gefallen an dem Wortgefecht. »Im Brief des Apostels Paulus an Titus heißt es aber, wie wir in der Heiligen Schrift lesen: >Die Sklaven sollen ihren Herren in allem gehorchen und ihnen gefällig sein. Sie sollen ihnen nicht widersprechen und nichts stehlen, sondern sich als treu und zuverlässig erweisen. Mit allem, was sie tun, sollen sie der Botschaft Gottes, unseres Heilands, Ehre machen.< Mich dünkt, du predigst Rebellion, Schwester. Wir sind doch hier, um den Glauben zu verbreiten, nicht aber um dazu aufzurufen, die Herrschaft von Königen und Kaisern zu stürzen.« »Ich bin nicht hier, um mich auf eine Debatte über Moralfragen einzulassen«, fertigte sie ihn ab.

»Quando hic sum, non ieiuno Sabbato - quando Romae sum, ieiuno Sabbato«, zitierte Eadulf warnend, der sah, wie streitlustig sie war.

Fidelma zog verärgert einen Flunsch. Eadulf hatte ein Leitwort des heiligen Ambrosius benutzt: »Wenn ich hier bin, faste ich nicht am Sabbat. Wenn ich in Rom bin, faste ich am Sabbat.« Es war eine Ermahnung, sich nach den örtlichen Gepflogenheiten zu richten und nicht zu versuchen, seine eigenen Ansichten durchzusetzen.

Der Sklavenmarkt und der Anblick von Kindern, die verkauft wurden, bewirkten einen faden Geschmack in ihrem Mund. Sie verließen den Platz, und Fidelma gab sich Mühe, nicht länger zu den bedauernswerten kleinen Geschöpfen zu schauen. Die Bauten und die Dünste der Stadt sowie der von allen Seiten heranbrandende Lärm bedrückten sie, während sich der Frachtwagen einen Weg durch den Wirrwarr bahnte. »Sei unbesorgt«, munterte Bruder Budnouen sie auf, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. »Hier ist das Geschäftsviertel. Sobald wir da durch sind, geraten wir auf ruhigere Straßen, und die führen hinauf in die geistlichen Gefilde.« Und so war es. Sie fuhren weiter in südlicher Richtung, und gar bald erhoben sich vor ihnen die stattlichen Bauten der Abtei. Sogar die Gerüche wurden weniger lästig, und die Häuser ähnelten mehr den geräumigen Villen, die Fidelma von Rom her kannte. Die Welt hier unterschied sich gänzlich von den niedrigen Behausungen um das Stadttor.

»Geht es an allen Zugängen zur Stadt derart lärmend zu?«, fragte Eadulf.

»Was willst du machen? Gerade an den Stadttoren wird Handel getrieben. Und wo Handel und Wandel gedeihen, da ist es eben laut, und viel Unrat bleibt liegen.«

Sie gelangten auf einen mit Steinplatten ausgelegten Platz, über den nur wenige Leute gingen. An seiner einen Seite strebten die Bauwerke der Abtei himmelwärts. Aus der Nähe betrachtet empfand Fidelma sie als hässlich und furchteinflößend. Die hohen Mauern schienen die anderen Gebäude am Platz einzuschüchtern, ja sogar die Menschen, die in ihrem Schatten dahineilten.

»Also das ist die Abtei von Autun, und damit sind wir am Ziel unserer Reise«, verkündete ihnen der Gallier, lenkte sein Fahrzeug zu einer niedrigen Durchfahrt und brachte sein Maultiergespann zum Stehen. »Hier lade ich meine Sachen ab. Das ist der Zugang zu den Vorratshäusern. Wenn ihr da drüben in das Gebäude geht« - er wies mit der Hand in die erwähnte Richtung -, »gelangt ihr zur Kanzlei des Verwalters der Abtei. Dort wird man euch sagen, wohin ihr weiter müsst.«

Eadulf war froh, endlich absteigen zu können, nahm das Gepäck auf und half Fidelma vom Kutschbock herunter. »Hab Dank für die Fahrt, Bruder«, sagte er, »und für deine angenehme Gesellschaft. Wir haben viel von dir lernen können.«

Budnouen antwortete darauf nur mit seinem fast ewigen Lächeln. »Ich habe in Autun etwa eine Woche zu tun. Bestimmt werden sich unsere Wege kreuzen, bevor ich zurückfahre. Wenn ihr mit mir wieder zurück nach Nebir-num wollt, braucht ihr nur den Verwalter zu fragen, der weiß, wo er mich findet. Ich wünsche euch viel Glück bei eurer Mission, die Haltung der Geistlichkeit hier dürfte euch freilich kaum behagen.« Er zuckte mit den Schultern und führte einen Bibelspruch an: »Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? Wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet? . Wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern sehen?«

»Wir kennen uns aus in der Heiligen Schrift, mein Freund«, erwiderte Fidelma kühl. »Wir sind ohne vorgefasste Meinung, ohne Erwartungen in dieses Land gekommen. Jedoch sind wir dir sehr zu Dank verpflichtet, Bruder.«

Budnouen hob eine Hand zum Abschied und bugsierte sein Gespann näher an die Toreinfahrt. Eadulf lud sich ihre Reisesäcke auf die Schulter und schritt mit Fidelma auf das Portal zu, das ihnen der Gallier gewiesen hatte. »Beeindruckt bin ich gerade nicht«, raunte er ihr zu, während er sich umsah.