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»Und das, obwohl Autun endlos weit weg ist von Cas-hel!« »Gedanken und Ideen reisen schneller als Menschen«, beendete Fidelma das Gespräch.

Eadulf stöhnte und schob das Gewicht seines Seesacks von einer Schulter auf die andere. Neidvoll blickte er auf Fidelmas leichtes Leinengewand und wünschte, er hätte etwas aus weniger warmem Gewebe an und nicht die braune wollene Kutte, die er als Glaubensbruder trug.

Auf dem geebneten Weg zwischen den Häusern kamen sie rasch voran, und bald sahen sie die Tore der Abtei vor sich. Keiner der vielen Menschen, denen sie begegneten, schien von ihnen Notiz zu nehmen. Nebirnum war eine geschäftige Handelsstadt, durch die viele mit Gütern beladene Wagen rollten und in der Fremde etwas Alltägliches waren.

Am Portal der Abtei trafen sie auf einen Bruder, der mehr Wachtposten zu sein schien als ein sie willkommen heißender Mönch.

»Pax tecum«, grüßte Fidelma den dunkelhaarigen, sonnengebräunten Mann.

»Pax vobiscum«, erwiderte der ohne jede Anteilnahme. »Wir kommen aus dem fernen Lande Hibernia und sind auf dem Wege zum Konzil in Autun. Man hat uns gesagt, Bischof Arigius würde uns auf unserer Reise dorthin behilflich sein.«

Der Mann wies durch die Toreinfahrt. »Fragt da drin nach dem Bischof«, sagte er gleichgültig, wandte sich um und schaute wieder auf die Vorübergehenden.

»Begeistert klang die Begrüßung eben nicht, die uns auf unserer peregrinatio pro Christo zuteil wird«, murmelte Eadulf verdrossen, während sie in einen von Gebäuden umschlossenen Hof traten.

Fidelma winkte einen jüngeren Mönch heran, der gerade vorüberging. »Wir möchten zu Bischof Arigius. Wo können wir ihn finden?«

Der junge Mann blieb stehen und runzelte die Stirn. »Ich bin sein Verwalter. Ihr seid wohl fremd an diesem Ort.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

»Wir sind unterwegs nach Autun zum Konzil, das dort stattfindet. Wir kommen aus dem Land Hibernia.«

Der junge Mann hob verwundert die Brauen, als er den Namen hörte, und sagte dann: »Folgt mir.«

Er führte sie zu einer Tür in einer Ecke des Hofs. Dort befand sich ein Zugang zu einem viereckigen Turm, dem gegenüber ein Bau stand, der offenbar eine Kapelle war. Sie gingen mit ihm eine Treppe aus dunkler Eiche hinauf bis zu einer Tür aus ähnlichem Holz. Hier bat sie der junge Verwalter zu warten. Er klopfte an, öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten, ging hinein und schloss die Tür hinter sich. Sie hörten Stimmengemurmel, dann ging die Tür wieder auf, und der junge Mann bedeutete ihnen einzutreten.

Bischof Arigius war ein großer schlanker Mann mit kantigen Gesichtszügen, stechenden dunklen Augen und schmalen roten Lippen. Sein Haar war silbergrau und bereits spärlich. Er hatte sich aus einem Armsessel erhoben, kam ihnen entgegen und begrüßte sie mit einem Lächeln.

Dabei wurden seine gelblichen Zähne sichtbar.

»Pax vobiscum«, hieß er sie freundlich willkommen. »Mein Verwalter berichtet mir, ihr seid auf dem Wege nach Autun, zum Konzil, und kommt aus dem Land Hibernia.« »Das entspricht der Wahrheit«, bestätigte Eadulf und rückte seinen Seesack zurecht.

Dem Bischof entging die Bewegung nicht. »Tretet näher, legt eure Last ab und setzt euch. Leistet mir Gesellschaft bei einem erfrischenden Trunk. Wie wäre es mit einem Glas weißen Weins aus unseren Kellern .?« Er gab dem Verwalter einen Wink, der davoneilte, das Gewünschte zu holen. »Ich bin Bischof Arigius, der zweite dieses Namens, der in der ehrwürdigen Abtei hier seines Amtes waltet.« »Ein beeindruckendes Bauwerk und die Stadt nicht minder, wie wenig wir bisher auch von ihr gesehen haben«, äußerte sich Eadulf höflich, nachdem sie sich vorgestellt hatten. Bischof Arigius lächelte voller Stolz. »In der Tat. Als der große Julius Caesar die römischen Legionen in das Land führte, wählte er diesen Fleck als einen Stützpunkt für seine Truppen. Die Aedui, die Gallier, die hier siedelten, hatten an eben der Stelle eine Hügelfestung errichtet. Caesar ließ sie verstärken und erweitern. Von da an hieß der Ort Noviodunum - nach dem lateinischen novus für neu und dunum, dem gallischen Wort für Festung. Eigentlich bedeutete der Name nichts als >Neue Festung<, und seither ist durch sich wandelnden Sprachgebrauch die gegenwärtige Bezeichnung Nebirnum daraus geworden. Die Stadt war eine der ersten Siedlungen in diesem Land, in denen der Glaube Fuß fassen konnte. Zeitweilig hieß das ganze Gebiet Gallia Christiana, und die Bischöfe hier waren hochberühmt.« »Euer tiefgründiges Wissen über den Ort verdient Anerkennung«, bemerkte Fidelma.

»Scientia estpotentia«, sagte der Bischof lachend.

»Das ist wohl wahr. Wissen ist Macht«, bestätigte sie. Es war eine Lebensweisheit, die Fidelma oft selber verkündete.

Der junge Verwalter erschien mit einem Krug und Bechern, die er mit dem goldfarbenen Wein füllte. Er war kühl und erfrischend, und sie lobten ihn ausgiebig.

»Es ist Wein von unseren eigenen Weinbergen«, erklärte ihnen der junge Mann.

»Wie ich annehme, wisst ihr von den Geschehnissen in Autun?«, begann der Bischof lebhaft.

Fidelma sah Eadulf verwundert an. »Geschehnisse in Autun?«, wiederholte sie.

»Wir selbst haben erst gestern Nachmittag davon erfahren.« Bischof Arigius sah erwartungsvoll von einem zum anderen, als bedürfe es seinerseits keiner weiteren Erklärungen.

»Wir sind völlig ahnungslos«, sagte Fidelma. »Auf welche Ereignisse in Autun spielst du an?«

Der Bischof lehnte sich zurück. »O weh! Verzeiht. Wie dumm von mir. Mein Verwalter dachte, ihr wäret just deswegen auf dem Wege nach Autun.«

Fidelma zügelte ihre Ungeduld. »Wir sind viele Tage lang auf dem Fluss gereist und haben unterwegs nichts Neues erfahren.«

»Einer der Äbte aus eurem Land Hibernia ist in Autun ermordet worden.«

Fidelma schwieg betroffen. Sofort fragte Eadulf: »Weißt du, wie dieser Abt hieß? Doch nicht etwa Abt Segdae?« Bischof Arigius schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass er aus eurem Land kam.«

»Kannst du uns sonst noch etwas von dem berichten, was sich dort zugetragen hat?«, fragte Eadulf weiter.

»Nichts als die simple Tatsache«, erwiderte der Bischof sofort. »Wir erfuhren es gestern von einem durchziehenden Händler.«

»Und einen Namen hat er nicht genannt?«, erkundigte sich Fidelma.

»Nein, hat er nicht«, bestätigte der Bischof.

Alle schwiegen. Schließlich sagte Fidelma: »Wir müssen so schnell wie möglich nach Autun weiterreisen. Der Schiffer, der uns herbrachte, hat gesagt, man braucht zwei bis drei Tage zu Pferde von hier.«

Bischof Arigius schaute aus dem Fenster. »Heute noch aufzubrechen wäre unsinnig, der Tag geht schon zur Neige«, stellte er fest. »Bleibt und seid unsere Gäste heute Nacht, zieht in der Früh weiter.«

Fidelma lächelte bekümmert. »Leider haben wir keine Pferde, und ...«

Mit großmütiger Geste wischte der Bischof ihre Bedenken beiseite. »Einer unserer Brüder macht sich morgen bei Tagesanbruch mit einem Frachtwagen voller Güter für die Abtei in Autun auf den Weg. Da könnt ihr mitfahren. Die Straße ist gut, besonders in dieser Jahreszeit ist sie trocken und fest. Länger als vier Tage braucht ihr nicht bis dort.« »Das nehmen wir gern an«, beeilte sich Eadulf zu versichern. Der Gedanke, über fremde Straßen und auf einem nicht minder fremden Ross zu galoppieren, hatte ihm ohnehin nicht behagt. Bequem auf einem Wagen zu sitzen, war weitaus verlockender.