Выбрать главу

In all den Jahren, in denen Fidelma ihre Fälle vor den Brehons der fünf Königreiche hatte darlegen müssen, hatte sie einiges über Rhetorik gelernt. Mit leicht gesenktem Kopf stand sie schweigend da und wartete, bis in der Kapelle absolute Stille herrschte. Dann begann sie mit leiser Stimme und wurde langsam und mit Bedacht laut und deutlich.

»Ich kam an diesen Ort, um einem Konzil beizuwohnen. Ich tat das auf Geheiß des Abts und obersten Bischofs in meines Bruders Königreich Muman, das eines der fünf Königreiche des Landes ist, das ihr Hibernia nennt. Ich sollte Abt Segdae als Ratgeberin zur Seite stehen, soweit die im Konzil zu erörternden Fragen Gesetze unseres Landes berührten. Begleitet wurde ich von Bruder Eadulf, meinem Ehemann, der in meinem Volk wohlbekannt ist, denn auch er ist ein gerefa .« Sie machte eine Pause. »Unmittelbar nach unserer Ankunft trat Bischof Leodegar aufgrund der Fürsprache von Abt Segdae, dem zu der Zeit bereits ranghöchsten Gesandten aus Hibernia, mit der Bitte an uns heran, einen Todesfall, der sich hier ereignet hatte, zu untersuchen. Im Gemach des angelsächsischen Bischofs Ordgar aus Canterbury hatte man Abt Dabhoc ermordet aufgefunden; im gleichen Zimmer hatten sich zu dem Zeitpunkt auch Ordgar und Abt Cadfan von Gwy-nedd aufgehalten. Dem Anschein nach lag der Fall klar. Man erwartete von uns eine Entscheidung, wer von den beiden - Ordgar oder Cadfan - das Verbrechen begangen hatte. Doch ganz so einfach war die Sache nicht.«

»Es handelt sich außer Frage um eine einfache Entscheidung«, warf Bischof Leodegar empört ein. »Einer von den beiden ist schuldig. Vel caeco apparet!«

Eine unwirsche Handbewegung des Königs brachte ihn zum Schweigen. Über Fidelmas Gesicht huschte ein böses Lächeln.

»Bischof Leodegar meint, der Fall wäre selbst für einen Blinden offensichtlich. Doch lasst uns der Wahrheit auf den Grund gehen. Es stellte sich bald heraus, dass es noch andere Dinge gab, die in Betracht zu ziehen waren. Genau genommen handelte es sich um drei Dinge, die mehr oder weniger miteinander verwoben waren.«

»Majestät, ich bitte um Gehör«, rief Gräfin Beretrude, die zu ihrer Selbstsicherheit zurückgefunden hatte, laut dazwischen. »Ich bin hierhergekommen, weil man mir zugetragen hat, dass diese Frau womöglich die braven Schwestern unserer Abtei und weitere Personen - sogarmich -beschuldigen würde, Verbrechen begangen zu haben. Ich spreche für die Burgunden in unserem Gebiet. Ich vertrete mit meiner Person das Gesetz unseres Volkes. Die Frau da ist keine der Unseren. Ihr steht es nicht zu, über uns zu Gericht zu sitzen. Man muss ihr verbieten, Urteile zu fällen, die den einen oder anderen von uns schuldig sprechen. Sie ist eine Fremdländische hier ohne Rang und Verfügungsgewalt.«

Chlothar sah sie bedauernd an.

»Soviel ich weiß, Beretrude von Burgund, ist dein Sohn Guntram, der neben mir steht, der Gebietsherr hier; er regiert in meinem Auftrag und nach dem Recht der Franken. Wessen Recht glaubst du vertreten zu dürfen?«

Verstört trat Guntram neben dem König von einem Fuß auf den anderen. »Gib Ruhe, Mutter«, sagte er peinlich berührt. »Schwester Fidelma spricht im Auftrag des Königs und . und mit meiner gnäigen Erlaubnis als Gaugraf von Burgund.«

»Damit ist dein Einwand beantwortet, Gräfin«, fügte Chlothar kalt hinzu. »Beuge dich deinem Gaugrafen und deinem König.«

Gräfin Beretrudes Mund verkrampfte sich zu einem dünnen Strich, ihr Gesicht war hochrot vor Scham und Wut. Fidelma wartete erneut, bis sich die Unruhe in der Kapelle gelegt hatte.

»Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich lediglich darstellen kann, wie die Dinge liegen. Zu sagen, ob der Tatbestand eure Gesetze verletzt oder nicht, steht mir nicht zu. Ich weiß nur, dass er gegen die Gesetze in unserem Land verstoßen würde, aber schließlich hat jedes Volk seine eigenen Gesetze und seine eigenen Sitten. Das, was ich sage, zu beurteilen, muss ich denen überlassen, die für die Rechtsprechung in diesem Land zuständig sind. Sie werden Gerechtigkeit üben, wie sie hier Brauch ist.«

Aus den Reihen der Mönche kam zustimmendes Gemurmel.

»Wir nehmen das sehr wohl zur Kenntnis, Fidelma von Cashel«, bestätigte ihr der König. »Fahre also fort. Du sagtest gerade, es gäbe drei Dinge, die der Offenlegung bedürften.«

»Ich möchte mit einer Sache beginnen, bei der es an Beweisen nicht mangelt und für die ich mehrere Zeugen habe, die bestätigen können, dass ich die Wahrheit sage. Es geht um Vorgänge, die den Sklavenhandel berühren.« Bischof Leodegar beugte sich vor. »Es gibt kein Gesetz, welches das Halten, Kaufen oder Verkaufen von Sklaven in unserem Land verbietet«, beeilte er sich zu sagen. Fidelma drehte sich zu ihm um. »Das habe ich selbst zu spüren bekommen. In meinen Augen ist Sklavenhandel eine zutiefst verabscheuungswürdige Sache, und mein Volk sieht das ebenso. Aber ich muss akzeptieren, dass er nach eurem Recht und Brauch legal ist. Doch Freigeborene zu entführen und sie in die Sklaverei zu verkaufen, scheint mir sogar unter der hiesigen Gesetzgebung ein fragwürdiges Unterfangen. Ich selbst wurde vor zwei Tagen entführt und wäre um ein Haar auf einem Sklavenmarkt verkauft worden .«

Diesmal war es Äbtissin Audofleda, die sich einmischte. »Eine Freigeborene magst du sein, aber du bist eine Fremdländische, und als solche fällst du nicht unter unser Gesetz.

Wenn dich Sklavenhalter entführt haben, dann musst du die uns schon hierher beordern.«

»Mit dem Unterschied zwischen Freigeborenen und Fremdländischen hast du recht«, erwiderte Fidelma in aller Ruhe.

»Nur sind leider auch viele frei geborene Burgunden und Franken, Mitglieder deiner eigenen Gemeinschaft, deiner Fürsorge entzogen und entführt worden und sollten in die Sklaverei verkauft werden. Du verlangst, die Sklavenhändler hier zu sehen.

Sie sind anwesend.«

»Eine Lüge! Eine Lüge!«, schrie Schwester Radegund, die sich jetzt neben die Äbtissin drängte und mit ihrer Stimme den Tumult, der ausgebrochen war, übertönte.

»Es ist keine Lüge. Dort steht Schwester Valretrade, eine der frei geborenen Frauen dieser Stadt, die in deiner Gemeinschaft lebte. Sie wurde verraten und entführt. Auf unserer Flucht aus Beretrudes Villa haben wir beide um unser Leben gebangt.«

Grimmig schaute Chlothar die Äbtissin an.

»Ehe du auch das eine Lüge nennst, Äbtissin Audofleda, möchte ich dir sagen, dass meine Krieger gestern Abend auf dem Aturavos auf einen Frachtkahn gestoßen sind. Darauf befanden sich dreißig Nonnen, zum größten Teil aus deiner Abtei, mit ihren Kindern, die unter der Aufsicht eines Kaufmanns namens Verbas von Peqini abtransportiert wurden. Man hatte sie allesamt an den Händen gefesselt, und wäre niemand dazwischengegangen, hätte man sie zu den Seehäfen im Süden geschafft, um sie dort auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen. Leider haben Verbas von Peqini und seine Männer versucht, sich mit meinen Kriegern anzulegen. Sie sind alle tot, aber ich freue mich, sagen zu können, dass die Frauen und ihre Kinder nach Autun zurückgebracht werden konnten. Sie sind jederzeit bereit, von ihrer Gefangennahme und ihrer Gefangenschaft Zeugnis abzulegen.«

Äbtissin Audofleda war sichtlich verwirrt und schüttelte heftig den Kopf.

»Das verstehe ich nicht. Die Frauen haben die Abtei alle aus freiem Willen verlassen«, begehrte sie schwach auf. »Das stimmt«, ergriff Schwester Radegund für sie Partei. »Man kann nicht die Äbtissin für das verantwortlich machen, was diesen Frauen zustieß, nachdem sie sich dem Schutz der Abtei entzogen hatten.«

»Nur wurden sie bereits zu Gefangenen gemacht, als sie noch in der Abtei waren«, hielt Fidelma dagegen. »Sollten sie als Zeugen aussagen müssen, werden sie das ohne weiteres bestätigen.«

»Unmöglich, das kann nicht sein!«, wehrte Schwester Radegund verzweifelt ab und blickte Äbtissin Audofleda an, die ihren Ohren nicht trauen mochte und blass vor Schreck geworden war.