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Helles Entsetzen ergriff die Menge.

»Wen willst du beschuldigen, Fidelma?«, verlangte Bischof Leodegar zu wissen. »In unserer Abtei gibt es mehrere, die aus Divio kommen. Behauptest du, dass besagte Person Abt Dabhoc getötet hat? Ich bin ratlos.«

»Bischof Ordgar und Abt Cadfan haben mit dem Mord nichts zu tun«, erklärte Fidelma. »In Wahrheit wurden sie Opfer eines Verbrechens, das von dem wahren Vorhaben des Mörders ablenken sollte. Doch ehe ich den wahren Mörder entlarve, bedarf es noch ein paar anderer Erklärungen. Gundobad, der mit Hilfe seiner Mutter das ganze Komplott erdachte, kam in die hiesige Abtei. Autun sollte zum Ausgangspunkt für den Aufstand der Burgunden gegen die Franken werden. Warum ausgerechnet Autun?

Das Konzil bot die ideale Gelegenheit für ein solches Vorhaben. Man wusste, dass Chlothar herkommen würde, um die Beschlüsse des Konzils höchstselbst zu bestätigen, ehe sie nach Rom gesandt wurden. Einen besseren Ort zur Ermordung des Frankenkönigs und zum Erheben des Symbols als Zeichen des Aufstands konnte es gar nicht geben.«

»Symbol? Welches Symbol?«, fragte Chlothar.

»Wie ich bei meinen Ermittlungen gelernt habe, halten die Burgunden einen großen Verkünder des Neuen Glaubens hoch in Ehren, sowohl als Bischof wie auch als Märtyrer.

Voller Ehrerbietung spricht man von seiner Verbindung zu Autun - sogar Beretrudes Villa steht an einem Platz, der nach ihm benannt ist, dem Benignus-Platz. An der Villa prangt das Symbol des Benignus-Kreuzes, wie man mir erklärt hat. Man stelle sich vor, der Führer der Bur-gunden erschiene, trüge die Reliquie dieses Benignus vor sich her und riefe die Burgunden auf, sich zu erheben und ihm zu folgen, da selbst Gott ein solches Unterfangen gesegnet hätte!«

»Das wäre in der Tat ein mächtiges Symbol«, gab Bischof Leodegar zu. »Aber eine solche Reliquie gibt es nicht.« »Es gibt aber Menschen, die daran glauben. Der arme Bruder Budnouen zum Beispiel hat mir erzählt, dass Gerüchte und Geschichten über die Reliquien des heiligen Benignus im Umlauf sind. Er sprach auch davon, dass die Bauern im Land von einem Anführer reden, der sich mit ihnen erheben und Burgund zu seinem einstigen Ruhm und zur Unabhängigkeit zurückführen würde.« Fidelma legte eine Pause ein und fuhr dann fort: »Von Bruder Gil-lucan weiß ich, dass Dabhoc, sein Abt, mit einem Reliquienkästchen hierher gekommen ist, das die Gebeine des Benen Mac Sesenen von Midhe enthielt, einem Schüler und Nachfolger unseres großen Lehrers, des heiligen Patrick. Die Reliquien waren als Geschenk für Bischof Vita-lianus von Rom gedacht.«

Nuntius Peregrinus unterbrach sie gelangweilt. »Lass gut sein, Fidelma, was hat dein Bischof aus Hibernia mit Benignus von Autun zu tun?«

»Zum Beispiel Folgendes: Benen Mac Sesenen nannte sich auch Benignus. Auf dem Reliqienkästchen, das als Geschenk für den Heiligen Vater gedacht war, war auf der einen Seite sein Name eingraviert und auf der anderen Seite - deutlich in Latein - sein Klostername ... Benignus.«

Einen Moment herrschte Schweigen. »Ich glaube, du hast da etwas durcheinandergebracht«, gab Nuntius Peregrinus zu bedenken. »Dieser Benignus aus Hibernia war gewiss nicht der Benignus, der den Burgunden die Lehre von Jesus Christus brachte.«

»Darin stimme ich mit dir überein, Nuntius«, erwiderte Fidelma. »Das hat aber die Verschwörer nicht weiter beirrt. Für sie kam es wie gerufen, dass der Abt aus Hibernia ein Reliquiar bei sich trug, auf dem für jedermann sichtbar der Name Benignus stand. Unter ihrer Gefolgschaft würde es kaum jemanden geben, der danach fragte, ob die Gebeine darin wirklich die von ihrem Apostel Benignus oder die von irgendeinem unbekannten Hibernier gleichen Namens wären.«

»Und du glaubst, dass man deswegen Abt Dabhoc umgebracht hat?«, erkundigte sich der Nuntius. »Bloß wegen des Reliquienkästchens?«

»Ich denke, du weißt es längst.«

Er wirkte verunsichert. »Wie meinst du das?«

»Als ihr im Amphitheater wart, hatte dir Abt Dabhoc von dem Kästchen erzählt und dass er es dir nach dem Konzil geben wollte. Dann wurde er ermordet. Als du davon erfuhrst, bist du in sein Zimmer gegangen und hast das Kästchen gesucht, aber nicht gefunden. Deiner Meinung nach gab es nur eine Person, die davon etwas wissen konnte, und das war Dabhocs Kämmerer, Bruder Gil-lucan. Zusammen mit deinem Leibwächter, demcustos, der jetzt neben dir steht, hast du daraufhin seine Zelle durchsucht und nichts gefunden. Immer noch davon überzeugt, Gillucan müsste es irgendwo unter seinen Habseligkeiten verstaut haben, seid ihr mitten in der Nacht bei dem armen jungen Mann aufgekreuzt und habt ihm mit Gewalt gedroht, wenn er euch nicht sagte, wo das Kästchen sei. Er konnte es euch nicht sagen, denn er wusste es nicht, und so voller Angst, wie er sich gebärdete, habt ihr ihm schließlich geglaubt.«

Überrascht starrte sie der Nuntius an. »Du bist in deinen Schlussfolgerungen reichlich kühn, falls du dich nur darauf berufen willst.«

»Keine Angst, Nuntius. Ich versuche mich den Dingen nur zu nähern. Der arme Bruder Gillucan. Er stand Todesängste aus und beschloss, die Abtei zu verlassen. Zuvor hat er heimlich mit mir gesprochen. Die burgundischen Verschwörer glaubten allerdings, er hätte andere Gründe zu gehen. Sie befürchteten, er wüsste etwas und könnte sie verraten. Was den armen Burschen noch mehr verängstigte, waren die Schreie der Kinder, als sie aus dem domus feminarum geschafft wurden. Er hörte sie zufällig spät nachts, als er auf dem necessarium war. In eben demne-cessarium wurde er dann ermordet, seinen nackten Leichnam warf man ins Abwasser, von wo er schließlich in den Fluss gespült und entdeckt wurde. Das erklärt, warum an seinem Körper Exkremente hafteten, als man ihn fand.« Alle hingen an ihren Lippen und verfolgten Wort für Wort. »Und was ist mit dem verschwundenen Reliquienkästchen geworden?«, fragte Bischof Leodegar. »Wer hat es nun?« »Natürlich hatten es die Verschwörer bei Dabhocs Ermordung gestohlen.«

»Wieso soll Abt Dabhoc das Kästchen mit in Bischof Ordgars Zimmer genommen haben?«, wollte Leodegar wissen.

»Das hat er gar nicht gemacht. Abt Dabhoc wurde in seinem eigenen Zimmer ermordet, und dort hat man auch das Kästchen gestohlen.«

»Jetzt bin ich vollends durcheinander«, bekannte Chlothar.

»Es ist eine komplizierte Geschichte«, tröstete ihn Fidelma. »Als Beretrudes ehrgeiziger Sohn hierher kam, hatte er außer seiner Mutter zwei Helfershelfer. Der eine war Bruder Andica, der Steinmetz, der sowohl Eadulf als auch mich zu töten versuchte. Zum Glück traf uns die Skulptur, die er von oben auf uns herunterstieß, nicht wie geplant. Während man Eadulf zu Bruder Gebicca, dem Arzt, brachte, der sich um seine Wunde kümmerte, kletterte ich nach oben, um mir die Stelle anzusehen, von der die Statue herabgefallen war. Ich wollte mich vergewissern, ob sie tatsächlich von allein umgestürzt war oder ob jemand nachgeholfen hatte, als wir unten vorbeigingen. Mein Verdacht, dass man sie vorsätzlich hinuntergekippt hatte, bestätigte sich. Ein junger Mann, der - wie ich später lernte - der Steinmetz Andica war, erbot sich, mich zu der Galerie zu führen, von der die Skulptur gefallen war. Als ich mir die Stelle näher betrachtete, versuchte er, mich hinunterzustoßen, vertat sich aber und stürzte selbst zu Tode.«

Ein Laut des Erschreckens ging durch die Reihen. Bruder Gebicca, der Arzt, hüstelte und zog so die Aufmerksamkeit auf sich.

»Glaubst du, dass der Schlangenbiss, den du erlitten hast, auch ein Versuch war, dich umzubringen?«

Fidelma zuckte die Achseln und blickte zu Beretrude hinüber.

»Das ist schwer zu sagen. Ich will dem nicht weiter nachgehen. Ich kann mir vorstellen, Beretrude hat sich jetzt mit wichtigeren Dingen zu befassen. Die Ermordung von Abt Dabhoc mag ihren Anfang mit einem einfachen Diebstahl genommen haben. Könnte sein, der Mörder war in Dabhocs Zimmer und wollte das Kästchen gerade stehlen, als Dabhoc unerwartet dazukam. Der ungünstige Zeitpunkt kostete ihn das Leben. Ich glaube nicht, dass es so einfach abgelaufen ist, denn der Mörder hätte damit rechnen müssen, dass Dabhoc den Diebstahl nicht hätte auf sich beruhen lassen und mit Bischof Leodegar gesprochen hätte. Dann wäre ans Tageslicht gekommen, wessen Reliquien tatsächlich in dem Kästchen lagen. Nein, man hat Dabhoc ermordet, um ihn mundtot zu machen, und dasselbe gilt für Gillucan. Der Mörder befürchtete, er wüsste von der Reliquie.