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Also Dabhoc war ermordet, und das Reliquienkästchen war gestohlen. Wie weiter? Dabhoc in seinem Zimmer zu lassen, würde zu viele Fragen aufwerfen, falls man feststellte, dass das Kästchen fehlte. Warum also nicht Vorhaben und Tat verschleiern? Wir haben es mit einem raffinierten Täter zu tun. Bischof Ordgar war nach der Abendmahlzeit nicht in sein Gemach zurückgekehrt, also war es ein Leichtes, ihm ein Betäubungsmittel in den Wein zu tun. Als er nach dessen Genuss das Bewusstsein verlor, konnte man Dabhocs Leichnam getrost zu ihm ins Zimmer schaffen. Aber was für einen Grund sollte Bischof Ordgar gehabt haben, den Abt zu töten? Der Hauptverschwörer ersann einen Streich, der alle verwirren musste. Er hatte von dem Streit auf der Vorbesprechung zum Konzil erfahren. Also schlich er zu Abt Cadfans Kammer, schob einen Brief mit einer Notiz unter die Tür, pochte laut, um den Abt zu wecken, und machte sich davon. Wie Cadfan uns wahrheitsgemäß berichtete, stand in dem Brief, er möge sofort zu Ordgar kommen. Er leistete der Aufforderung Folge und wurde von dem ihn erwartenden Mörder niedergeschlagen. Den Zettel ließ man verschwinden. Als nächstes schaffte man Dabhoc ins Zimmer des angelsächsischen Bischofs, und die Inszenierung war perfekt. Dabhocs Kammer hatte der Mörder mit Vorbedacht aufgeräumt. Das Reliquienkästchen wurde Bruder Andica zugesteckt, der es in dem Gewölbe unter der Abtei verbergen sollte. Alle Welt würde glauben, Ordgar oder Cadfan, einer von beiden hätte Dabhoc als Schlusspunkt ihres Streits umgebracht.«

»Gehst du so weit, zu behaupten, Bruder Andica wäre Gundobad gewesen?«, ließ sich Bischof Leodegar vernehmen. »Das ist nicht wahr. Ich habe Bruder Andica gut gekannt, Bertrudes Sohn war der ganz gewiss nicht.« »Andica kam ja auch nicht aus Divio«, pflichtete Fidelma ihm bei. »Andica war lediglich einer der Verschwörer. Er nutzte sein Können als Steinmetz, um regelmäßige Verbindung zu Beretrude zu halten, die Krieger für den Aufstand anwarb und unterhielt. Wie ich schon sagte, es gibt zwei weitere Verschwörer in der Abtei. Einer von ihnen ist eine Frau.

Ihr ist die Entführung und der Verkauf der verheirateten Frauen und deren Kinder zur Last zu legen.« Schwester Fidelma machte eine Pause, um ihren Zuhörern Gelegenheit zu geben, die Nachricht in sich aufzunehmen.

»Selbst bei sorgsam durchdachten Plänen kann etwas dazwischenkommen. In diesem Falle war es das Stelldichein von Sigeric und Valretrade. Sigeric musste an Ord-gars Zimmer vorbei, stellte fest, dass die Tür offen stand, und sah, was geschehen war. Weil er den Bischof davon in Kenntnis setzte, kam er zu seiner Verabredung zu spät, und das rettete ihm das Leben. Valretrade hingegen, die zu dem üblichen Treffpunkt der beiden in die Katakomben ging, lief Andica und seiner Mitverschwörerin in die Arme. Glücklicherweise beschlossen die beiden, Valretrade nicht zu töten, sondern sie nur zu den anderen Frauen zu stecken, die als Sklaven verkauft werden sollten. Es war praktischer und einträglicher, sie auf diese Weise aus dem Weg zu schaffen.«

»Und wer, bitteschön, war diese Mitverschwörerin?«, fragte Chlothar.

»Das wird uns Schwester Valretrade sagen. Sie ist diejenige, die gesehen hat, wie zwei der Verschwörer das Reliquiar versteckten.«

Etwas verwirrt blickte Valretrade sie an.

»Du weißt, dass ich nur Bruder Andica, den Steinmetz, erkannt habe, der auch das Reliquienkästchen trug. Die andere Person war eine Frau, eine Nonne, mehr kann ich nicht sagen. Man fesselte und knebelte mich und verband mir die Augen, und davon wurde ich erst in Beretrudes Verließ befreit.«

»Als ich in die Katakomben unten zu unserem Treffpunkt kam, war Valretrade schon eine Gefangene?«, warf Sigeric ein.

»Genauso war es, Bruder Sigeric«, bestätigte Fidelma. Chlothar wurde ungeduldig. »Dürfen wir erfahren, wer die Frau war, Schwester Valretrade? Fidelma behauptet, du wüsstest es.«

»Ich glaubte, es wäre Radegund gewesen. Aber wirklich sehen konnte ich sie nicht.«

Schwester Radegund beteuerte unter Schluchzen: »Das ist nicht wahr. Nicht wahr.«

»Valretrade, erinnere dich«, drängte Fidelma sie. »Du hast mir erzählt, wie du in der besagten Nacht deine Kammer verlassen hast, um zum Stelldichein mit Sigeric zu gehen. Es war zwischen euch abgemacht, dass du immer eine Kerze anzündetest, wenn du losgingst. An dem Abend aber hast du es versehentlich anders gehandhabt. Was war diesmal anders?«

Valretrade dachte angestrengt nach.

»Ich habe die Kerze brennen lassen«, sagte sie plötzlich. »Ich hatte sie vom Fensterbrett an mein Bett getragen, weil ich etwas suchte, und habe sie dann nicht gelöscht wie sonst, wenn ich die Kammer verließ.«

Fidelma blickte gezielt in eine bestimmte Richtung.

»Eine Person aber gibt es, der nicht aufgegangen war, dass du einen Fehler gemacht hattest, nicht wahr?« Schwester Inginde sprang auf, im Begriff die Flucht zu ergreifen, doch schon hatten zwei von Chlothars Kriegern sie auf einen Wink von Fidelma zwischen sich genommen. Sie leistete keinen Widerstand.

»Schwester Inginde hat mir erzählt, dass sie wusste, dass Valretrade zu einem Stelldichein mit Sigeric gegangen war. Wie konnte sie das wissen? Valretrade hat mir gegenüber betont, Inginde wäre nicht im Zimmer gewesen, als Sigeric seine Kerze ins Fenster stellte, und sie hatte Inginde auch nicht gesagt, dass sie ihn treffen wollte. Später brannte Sigerics Kerze erneut, was bedeutete, dass er sie nicht am Treffpunkt angetroffen hatte. Inginde ließ durchblicken, sie wäre im Zimmer gewesen, als Valretrade ging. Das kann nicht stimmen.Ob Valretrade zu ihrer Verabredung in die Katakomben gegangen war oder nicht, konnte sie nur erfahren haben, wenn sie selbst dort war. Schwester Inginde ist nicht nur die Dritte im Bunde der Verschwörer, sondern auch die Hauptkontaktperson zu Beretrude. Sie hatte bei dem Verkauf der verheirateten Frauen die Hände mit im Spiel, sie gab ihre Namen weiter und organisierte ihre Entführung. Sie schrieb auch die kurzen Nachrichten, die angeblich Valretrade und die anderen Schwestern verfasst hatten. Wie ich zuvor sagte, waren weder Äbtissin Audofleda noch Schwester Radegund an der Verschleppung beteiligt. Sie gaben sich mit den schriftlichen Erklärungen zufrieden. Es kam ihnen alles ganz gelegen, weil man ohnehin nicht wusste, wie man mit den verheirateten Nonnen im domus feminarum umgehen sollte.«

Sie schaute zu der in Tränen erstickten Schwester Radegund. »Ursprünglich hatte ich dich im Verdacht, besonders als ich dir zur Villa deiner Tante Beretrude folgte. Dann erfuhr ich aber von eurem Verwandtschaftsverhältnis und auch, dass du in geschäftlichen Angelegenheiten öfter mit ihr zu tun hast. Mein Verdacht auf Schwester In-ginde«, fuhr sie dann fort, »verstärkte sich, als ich wegen eines Gewandes zu einer Näherin ging. Ich brauchte eine Verkleidung, weil ich mich unerkannt in Beretrudes Villa schleichen wollte. Bruder Budnouen hatte mir erzählt, dass die Schneiderin mit einer der Nonnen aus dem domus feminarum verwandt sei. Ich traf dann Schwester Inginde bei ihr an, die mir sagte, es wäre ihre Tante. Inginde war mir bei der Auswahl des Kleides behilflich. Ich wähnte mich in meiner neuen Aufmachung geschützt, wurde aber von Beretrudes Kriegern überwältigt und in den Keller zu den anderen geworfen, wo wir gemeinsam unseres Schicksals harrten. Da ging mir auf, dass vermutlich Inginde Beretrude hatte wissen lassen, wie ich bekleidet war und wo man mich finden würde. Ich glaube sogar, ihre Schritte gehört zu haben, als sie zur Villa rannte, um Be-retrude und den Wächtern Bescheid zu geben. Dass ich mich nicht umgedreht und gesehen habe, wer da lief, war eine Nachlässigkeit, für die ich bald bitter büßte.«