Выбрать главу

»Das, worum ich dich gebeten habe, hast du getan. Mehr erwarte ich nicht von dir.« Zu Chlothar gewandt, fuhr er fort:

»Du magst deine Gefangenen ihrer Bestrafung zuführen, Majestät, danach werde ich das Konzil eröffnen. Morgen beginnen wir mit den Gesprächen. Lange dürften unsere Verhandlungen nicht dauern.«

Chlothar nickte, war aber mit den Gedanken woanders. Er schaute dorthin, wo Gräfin Beretrude und Schwester In-ginde zusammen mit den restlichen ihrer Krieger standen. Die Gruppe wurde streng bewacht.

»Erledige das mit den Gefangenen, Ebroin.«

»Sollen wir sie zur Gerichtsverhandlung abführen, Majestät?«

»Gerichtsverhandlung?« Chlothar sah ihn an, als hätte er einen unsinnigen Vorschlag gemacht. »Ihr Strafprozess hat bereits stattgefunden. Nein! Führe sie ab und richte sie hin. Die Einzelheiten überlasse ich dir.« Dann drehte er sich zu dem kreidebleichen Guntram um. »Was dich betrifft, so magst du auf deine Burg zurückkehren und weiter deinen Lustbarkeiten frönen. Aber lass es dir nicht einfallen, irgendwelche Machtansprüche zu stellen.«

Als Nächstes wollte er sich Fidelma zuwenden, doch sie und Eadulf waren verschwunden. Nur Nuntius Peregrinus stand noch da, im Gespräch mit Abt Segdae. »Die Schwester deines Königs ist eine bewundernswerte Frau«, sagte Chlothar zum Abt.

»Sie genießt bei uns hohe Wertschätzung, Majestät«, versicherte ihm Abt Segdae.

»Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du ihre Ansichten über unsere Gesetzgebung hier und darüber, was sich Bischof Leodegar auf dem Konzil für den Glauben erhofft, teilst?«

»Auch auf die Gefahr hin, dass es ungebührlich ist, das zu sagen: Ja, ich teile ihre Ansichten, Sire. Und ich bin überzeugt, du wirst erfahren müssen, dass die Gesandten von den Kirchen der Britannier, der Armoricaner und der Gallier genauso denken wie wir, denn wir alle stehen für ähnliche Werte ein.«

Der jugendliche König konnte sich eines Lachens nicht erwehren und klopfte dem Abt freundschaftlich auf die Schulter.

»Das dürfte auch der Grund sein, weshalb der gute Bischof dafür Sorge getragen hat, dass von den Kirchen Neustriens und Austrasiens doppelt so viele Vertreter auf dem Konzil sind wie aus den anderen Ländern.«

»Wo nötig, werden wir Einspruch erheben«, erklärte Abt Segdae ernst, »und danach kehren wir zu dem uns Vertrauten zurück, dorthin, wo wir uns wohl und geborgen fühlen. Nil aon tintean mar do thintean fein.«

»Und das heißt?«

»Der eigene Herd ist Goldes wert.«

EPILOG

Über die Landschaft um Cashel hatte der Herbst seine braunen und gelben Farben verteilt. Aus den Schornsteinen stieg grauer Rauch und kündete davon, dass in den Häusern wärmende Feuer brannten. Am Hofe von Colgü, dem König von Muman, trug man nicht länger leichte Leinen- und Seidenstoffe, sondern hüllte sich in schweres wollenes Tuch oder Felle. Fidelma hatte es sich vor einem lodernden Holzfeuer gemütlich gemacht. Auf dem Tisch neben ihr sorgte eine Laterne für zusätzliches Licht, denn es war ein dunkler Tag, auch wenn die Sonne, falls sie es überhaupt mit den düsteren, am Himmel dahinjagenden Wolken hatte aufnehmen können, noch nicht untergegangen war. Fidelma hielt einen Brief in der Hand, den ihr soeben ein Mönch überreicht hatte, der zwei Jahre durch das Land der Franken gewandert war.

Sie las den Namen des Absenders, und freudige Erregung erfasste sie. Sie brachte es nicht fertig, auf Eadulfs Rückkehr zu warten, den Pflichten zur Abtei von Imleach gerufen hatten. Sie brach die Siegel auf, entfaltete das Pergament und sah voller Erleichterung, dass das Schreiben in Latein verfasst war. Das Datum des Briefes lag schon vier Monate zurück, und er kam aus der Stadt Nebirnum. Sie zog die Stirn in Falten. Wieso nicht aus Autun? Wiederum war es über fünf Jahre her, dass sie und Eadulf Autun verlassen hatten.

»Einen Gruß entbieten Dir, Fidelma von Cashel, und Deinem treuen Gefährten, Eadulf von Seaxmund’s Ham, Si-geric und Valretrade, Diener unseres Herrrn Jesus Christus.

Wir beten darum, dass dieser Brief Euch in Glück und Frieden und im festen Glauben an unseren Herrn erreicht. Wir senden Euch unsere Grüße und haben die großen Dienste, die Ihr uns und vielen anderen in Autun erwiesen habt, in guter Erinnerung.

Nachdem Ihr fort wart, ist gewaltiges Unglück über unser Land gekommen, und das innerhalb von nur zwei Jahren. Zuerst starb unser junger König Chlothar, das war im Frühjahr nach Eurer Abreise. Noch mit seinem letzten Atemzug bekannte er sich zum Neuen Glauben; begraben liegt er in der Basilika, die Dionysius von Paris, dem heiligen Bischof und Märtyrer, gewidmet ist. Chlothars Bruder Theuderich folgte ihm als König, aber wie viele befürchteten, wurde er verraten. Bischof Leodegar verschwor sich mit anderen, um Childerich, einen weiteren Bruder Chlothars, auf den Thron zu heben. Theuderich wurde verhaftet und in einer Abtei gefangen gehalten, und Ebroin, der als Ratgeber bei Theuderich geblieben war, nahm man gleichfalls gefangen. Aber er konnte außer Landes fliehen.

Grauen und Schrecken wüteten. Wir können nur Gott danken, dass wir uns entschlossen, der verfluchten Abtei von Autun den Rücken zu kehren. So blieb uns ein solches Schicksal, wie es Freunde und deren Familien erfuhren, erspart. Leodegar und Audofleda setzten ihre Gebote durch. Alle, die sich ihnen nicht beugten, wurden auch körperlich gezüchtigt, und es waren nicht nur die klösterlichen Gemeinschaften, die solches Leid erdulden mussten. Überall in den Königreichen wurden sogar Adlige, die sich nicht Childerich unterwarfen, verstümmelt oder gehängt. Childerich, angestachelt von dem besessenen Leo-degar, war ein junger unduldsamer Herrscher. Es blieb nicht aus, dass Childerich und seine Frau Bilichildis, die man wegen des Leids, das sie anderen zufügten, hasste, in den Menschen das Verlangen nach Rache schürten. Als sie eines Tages auf der Jagd waren, brachte man sie um; die Täter wurden nie entdeckt.

Nach Childerichs Tod wurde Theuderich aus dem Klostergefängnis entlassen, und er schickte nach Ebroin, den er wieder als Berater einsetzte.

Ebroin aber konnte nicht vergeben. Er stellte ein Heer auf und marschierte nach Autun, das immer noch in der Gewalt von Bischof Leodegar war. Der Angriff auf die Stadt war gnadenlos und brachte viel Leid. Äbtissin Audofleda fand den Tod, ihre Gefährtin Schwester Radegund desgleichen. Viele Brüder und Schwestern starben bei dem Sturm auf die Abtei. Am Ende blieb Bischof Leodegar nichts anderes übrig, als sich Ebroin zu ergeben.

Freundlich ging man mit Leodegar nicht um. Es heißt, man habe ihm mit glühenden Schürhaken die Augen ausgestochen, die Zunge herausgerissen und ihm sonst noch gräuliche Dinge angetan. Aber er überlebte und wurde vor das Hochgericht Theuderichs gezerrt. Dort wurde er erneut erniedrigt und verurteilt, doch gerechterweise muss man sagen, er hatte oft genug andere ohne Gewissensbisse ebenso misshandelt. Auf Ebroins Befehl wurde er in einen Wald geschleppt und erhängt.

Es geht das Gerücht um, dass viele Gläubige ihn nun als einen Märtyrer ansehen. Etliche Klöster folgen seiner Regel, und das ist genau die Regula, die seinerzeit auf dem unter heutiger Sicht unrühmlichen Konzil von Autun angenommen wurde. Selbst in Autun gibt es einige, die seine sterblichen Überreste für heilig und verehrungswürdig halten und Anspruch auf sie erheben. Ein Jammer, wie kurzlebig Erinnerungen sind.

Valretrade und mir sowie unseren beiden Kleinen sind die schlimmsten Grausamkeiten erspart geblieben, weil wir bei Ebroins Sturm auf die Stadt nicht dort waren. Aber von der Familie ihrer Schwester hat nur die arme Magnat-rude überlebt.

Was wird uns die Zukunft bringen? Wir haben uns entschieden, gemeinsam mit Magnatrude westwärts zu ziehen. Bis Nebirnum sind wir schon gekommen. Wir suchen nach einem neuen Zuhause im Land der Armoricaner, wollen ein neues Leben beginnen. Es soll dort ein Gebiet namens Domnonia geben, es liegt im Norden des Landes am Meer, und dort wollen wir von neuem anfangen. Vielleicht finden wir einen Acker, den wir bestellen können, vielleicht auch ein kleines Gasthaus, um Pilgern eine Herberge zu bieten.