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»Das brauchen Sie auch nicht. Ich habe die Bilder bereits gesehen.«

Beth schloss ihre Ledermappe. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, Mr Hoyt. Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, aber ich fürchte, es gibt noch jemanden, der Interesse an diesem Gemälde hat.«

Sie wandte sich ab und ging hinüber zum Kurator des Getty-Museums. Er beobachtete sie über den Rand seiner Halbbrille und sagte mit leiser Stimme: »Sie dürfen diese Gericht-Studie nicht an diesen Kretin verkaufen – das wäre ein Verbrechen.«

Beth unterdrückte ein Lachen.

»Sie haben es doch nicht getan, oder?«, fragte er.

»Nein, noch nicht. Kann ich es vielleicht stattdessen dem Getty verkaufen?«

Er nahm seine Brille ab und schob sie in die Brusttasche seiner Anzugjacke. »Lassen Sie uns darüber reden.«

»Ja«, sagte sie erleichtert, »reden wir. Solange Sie können.«

4. Kapitel

Kimberlys erster Gedanke beim Aufwachen war: Das war ein Erfolg. Die Dinnerparty für den Bürgermeister war ein Erfolg gewesen.

Ihr zweiter Gedanke war Ezra. Er war aus Israel zurückgekommen, hatte sein Zeug in die Zimmer geschafft, in denen er aufgewachsen war, und sie hatte keinen Schimmer, wie lange er vorhatte hierzubleiben. Je kürzer sein Aufenthalt, desto besser, aber sie konnte es sich nicht leisten, ihre Gefühle allzu offen zu zeigen. Soweit sie wusste, war die Beziehung zwischen Ezra und seinem Vater seit Jahren angespannt, aber er war immer noch Sams einziger Sohn. Und da Blut nun einmal dicker als Wasser war, musste sie vorsichtig zu Werke gehen.

Sam kam aus seinem begehbaren Kleiderschrank und zog den Knoten seiner Krawatte zu, die gelbe Seidenkrawatte von Sulka, die sie ihm letzte Woche gekauft hatte. Für seine Verhältnisse sah Sam gut aus. Maßgeschneiderter blauer Anzug, glänzende burgunderrote Schuhe, ein ordentlich gefaltetes, zur Krawatte passendes Einstecktuch. Sie hatte getan, was sie konnte, aber mehr konnte selbst sie mit ihren Künsten nicht erreichen. Er war immer noch klein, glatzköpfig und fast dreißig Jahre älter als sie. Jedes Mal, wenn er sie berührte, wurde sie daran erinnert, dass seine Wurstfinger ebenfalls kurz waren.

»Ist Ezra schon aufgestanden?«, fragte er.

»Woher soll ich das wissen? Ich liege ja selbst noch im Bett.« Es kam schärfer heraus als beabsichtigt.

»Ich habe lediglich eine einfache Frage gestellt.«

Schlechte Laune, dachte sie im Stillen. Er hat schlechte Laune. Sie lächelte und warf die Bettdecke aus ägyptischer Baumwolle zurück. »Mach dir keine Sorgen um Ezra. Ich werde mich darum kümmern, dass er alles bekommt, was er braucht.«

»Was immer das auch sein mag.« Sam stand neben dem Bett und blickte auf sie herunter, genau, wie sie es vorausgesehen hatte. Ihre Haare, denen Franck stets ein perfektes Kastanienbraun verpasste, ergossen sich über die Kissen, und ihre Brüste wurden von dem schwarzen Spitzenhemd, in dem sie schlief, kaum bedeckt.

»Was hast du heute vor?«, fragte er.

»Ich habe mich noch nicht entschieden.« Was sie sehr wohl hatte. »Vielleicht treffe ich mich mit Janine zum Lunch.« Sie hatten für halb eins einen Tisch im Le Cirque reserviert.

Sam schnaubte; er mochte Janine nicht. Andererseits mochte er niemanden von ihren Freunden, die er bislang kennengelernt hatte. Gott allein wusste, was er sagen würde, wenn er einigen von denen begegnen würde, die sie ihm vorenthielt. Es war Zeit, den Tenor ihrer Unterhaltung zu ändern. Mit einer Hand berührte sie lässig die Vorderseite seiner Hose.

»Musst du jetzt schon los?«, schnurrte sie.

»In fünfundvierzig Minuten habe ich einen Ortstermin im Village.«

Aber allein der Klang seiner Stimme verriet ihr, dass sie bereits gewonnen hatte. »Du bist der Boss. Die anderen können warten.«

Er blieb stehen, während sie sich auf die Seite drehte und den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Ihre Finger waren so geschickt wie die einer Spitzenklöpplerin. Als sie feststellte, dass er leicht auf den Hacken wippte und hörbar Luft holte, wusste sie, dass sie ihn hatte. Und wenn sie Glück hatte, wäre die Quälerei in drei Minuten vorbei.

Nachdem Sam gegangen war, rief Kimberly bei Janine an, um die Lunchverabredung zu bestätigen. Denn in einem hatte Sam recht: Janine war wirklich zerstreut. Anschließend ging sie in ihr Ankleidezimmer, schaltete den Fernseher ein und hörte einer der morgendlichen Nachrichtensendungen zu, während sie badete und langsam den letzten Rest Schlaf fortwusch. Nachdem Sam für den Rest des Tages verschwunden war, blieb nur noch Ezra im Haus, mit dem sie irgendwie fertigwerden musste. Als sie in ihrem Morgenmantel vor dem Spiegel saß und sich schminkte, fragte sie sich, was genau Sams Sprössling eigentlich in New York vorhatte, jetzt, wo er wieder zurück war. Die ganze Angelegenheit hatte etwas höchst Mysteriöses an sich. In der einen Minute war er völlig aus dem Rennen, stellte keine Gefahr dar und arbeitete an irgendeinem Institut in Israel, zu dem sein Vater, o Wunder, Beziehungen hatte. Und im nächsten Moment haute er aus dem gesamten Nahen Osten ab und kehrte mit dem erstbesten Flug zurück. Sie hatte zufällig mitgehört, als Sam seine Sekretärin am Telefon angeschrien hatte, sie solle auf der Stelle den Botschafter ans Telefon holen und für Ezra den nächsten Flug aus Tel Aviv raus buchen, egal wohin. Er schrie oft Leute an, aber seine Sekretärin normalerweise nicht.

Dabei hatte Kimberly große Pläne für die beiden Zimmer, die Ezra einst bewohnt hatte. Sie würden ein perfektes Kinderzimmer abgeben.

Nun, noch war nichts in Stein gemeißelt, sagte sie sich erneut. Die Dinge konnten sich immer noch in ihrem Sinne entwickeln.

Nachdem sie ihrem Gesicht den letzten Schliff verpasst hatte, wählte sie ein Outfit aus ihrem gut bestückten Kleiderschrank aus. Cremefarbene Bluse und hellgrauer Bleistiftrock, beides von Jean Gaultier, dazu ein Paar Schuhe mit moderaten Absätzen. Sie war ohnehin schon größer als Sam, so dass sie ihr Schuhwerk mit Bedacht wählte. Schließlich verließ sie das Schlafzimmer.

Von Ezra keine Spur, weder im Wohnzimmer noch im Salon, der Bibliothek oder dem Arbeitszimmer. Nicht einmal im Esszimmer, wo Gertrude, die ältliche Haushälterin, den silbernen Kandelaber auf seinen Platz auf den Tisch stellte.

»Haben Sie Ezra gesehen?«, fragte Kimberly.

»Er frühstückt. Er hat abgenommen.«

Kimberly hatte noch nie zuvor genug von ihm gesehen, um das beurteilen zu können, aber es war ihr ohnehin herzlich egal. »Danke.« Sie wandte sich bereits zum Gehen, doch dann hielt sie noch einmal inne, gerade lange genug, um zu sagen: »Vielleicht sollten Sie das Silber noch einmal polieren, ehe Sie es zurückstellen.«

Gertrude erstarrte, nicht mehr als eine Sekunde, und Kimberly dachte schon, sie würde etwas sagen, doch dann nahm sie schweigend den Kandelaber vom Tisch und verließ den Raum.

Mit ihr sind es zwei Leute, dachte Kimberly, die ich gerne hier raus hätte.

Sie entdeckte Ezra in der Frühstücksecke, wo er mit einem Bagel mit Frischkäse, Saft und Kaffee hockte. Es war ein sonniger Tag, und der Ausblick auf den East River weit unter ihnen und die Skyline von Queens dahinter erstreckte sich bis in die weite Ferne. Von hier oben konnte sie die Mietswohnung sehen, in der sie anfangs gewohnt hatte, als sie in New York angekommen war, die kleine Krone der Miss Milwaukee in der Reisetasche.

»Guten Morgen, Ezra«, sagte sie strahlend. »Gut geschlafen?«

»Ja, sehr gut.«

Er sah nicht so aus. Er hatte sich nicht rasiert, und unter den Augen hatten sich Tränensäcke gebildet. Für jemanden, der ein paar Jahre im Nahen Osten verbracht hatte, wo es, soweit sie wusste, heiß und sonnig war, wirkte seine Haut ungesund blass. Auf Kimberly machte er den Eindruck, als hätte er unter einem Stein gelebt.