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»Sehr gut«, lobte Jacob den schwarzen Schmied und wandte sich dann an alle Auswanderer. »Dank Sam Kelleys Einsatz können wir früher aufbrechen. Holt eure Angehörigen vom Creek zurück und sagt ihnen, daß es weitergeht - nach Oregon!«

Patrick O'Rourke trat nach vorn, hakte selbstgefällig die Daumen hinter seine ausgeleierten Hosenträger, spuckte die bräunliche Soße seines Priems dicht vor Jacob in den Dreck und brummte: »Da wäre ich mir nicht so sicher, Mr. Treck-Captain!«

Sofort war Jacob klar, daß der Ire seine Autorität anzweifeln wollte. Die Art, wie er das Wort »Treck-Captain« betonte, war eindeutig.

»Weshalb nicht?« fragte Jacob. »Der Weg ist jetzt frei.«

»Wir werden es nicht schaffen«, behauptete O'Rourke und erhielt Schützenhilfe von seinem Bruder Liam, der sich neben ihm aufbaute, seine doppelläufige Schrotflinte scheinbar lässig am langen Arm haltend. »Es sind schon zu viele Zwischenfälle passiert. Wir haben zuviel Zeit verloren.«

Der Ire sah hinüber zu der großen, einsam stehenden Pappel, unter der Abner Zachary begraben war.

»Und es sind zu viele Menschen gestorben. Ich habe letzte Nacht mit den anderen gesprochen. Viele sind wie ich der Meinung, daß sich der Weg nach Oregon nicht lohnt. Zu viele Gefahren. Wir wissen nicht einmal, was uns dort erwartet.«

»Wollen Sie etwa umkehren?« fragte Jacob ungläubig. »Den ganzen Weg zurück?«

O'Rourke schüttelte den Kopf.

»Nicht den ganzen Weg, Adler. Nur das kurze Stück bis zum Raft River. Von dort nehmen wir den California Trail.«

»Aber der Weg nach Kalifornien ist nicht ungefährlicher als der nach Oregon! Das Great Basin, die Wüsten!«

»Das mag sein. Doch um nach Kalifornien zu gelangen, lohnt sich wenigstens das Risiko. Dort gibt es Gold!«

Bei den letzten Worten leuchtete Jacob aus O'Rourkes Augen die blanke Gier entgegen. Die Erzählungen in Fort Hall über die neuen Goldfunde in Kalifornien waren bei ihm und seinem Bruder offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen. Vielleicht hatten sie schon länger geplant, sich vom Treck abzusetzen, es aber nicht gewagt, Abner Zachary dieses Ansinnen vorzutragen. Jetzt, wo der Prediger nicht mehr war, glaubten die Iren leichtes Spiel zu haben.

»Von Gold wird viel erzählt«, entgegnete Jacob. »Aber die wenigsten finden es. Und wenn sie es finden, reicht es oft nicht, um die Ausrüstung zu bezahlen.«

»Woher wollen Sie das wissen, Greenhorn?« fragte Patrick O'Rourke mit einem rauhen Lachen. »Haben Sie etwa schon Gold gesucht?«

»Nein. Aber ich höre genau hin, wenn mir die Leute Geschichten erzählen.«

»Sie haben Ihre Meinung, Adler, wir haben unsere. Sie können meinetwegen weiterfahren ins Gelobte Land.« O'Rourke lachte bei den letzten Worten erneut. »Dann trennen sich hier unsere Wege. Wir fahren jedenfalls nach Kalifornien!« »Das werden Sie nicht!« sagte Jacob scharf. »Wir alle haben uns verpflichtet, nach Oregon zu fahren. Einer ist auf den anderen angewiesen. Deshalb wird sich jeder an sein Versprechen halten!«

»Mit welchem Recht verlangen Sie das?«

»Ich bin der Captain. Also gilt, was ich sage!«

Wieder lachte der Ire, und es klang verächtlich. »Der Captain - pah!« Er spuckte erneut vor Jacob aus.

»Ich habe mich nicht danach gedrängt«, sagte Jacob ruhig. »Abner Zachary hat es so gewollt.«

»Wahrscheinlich war der alte Prediger nicht mehr ganz bei Sinnen, als er das gesagt hat. Er hätte einen gestandenen Mann zu seinem Nachfolger bestimmen müssen, nicht so ein unerfahrenes Greenhorn!«

Ein leichtes Lächeln spielte um Jacobs Lippen.

»Etwa einen gestandenen Mann wie Sie, O'Rourke?«

»Warum nicht? Oder glauben Sie, daß Sie es mit mir aufnehmen können, Adler? Dann sollten wir es austragen wie Männer!«

Bei den letzten Worten hatte der Ire seine große Rechte erhoben und zur Faust geballt.

Jetzt begriff Jacob, worauf der andere hinauswollte: ein Zweikampf zwischen ihnen.

Wahrscheinlich hatte es der Ire nicht verwinden können, daß Jacob ihn mehrere Male in die Schranken verwiesen hatte. Am Big Blue hatte er O'Rourke sogar niedergeschlagen.

Gleichwohl schien er sich Chancen auszurechnen, Jacob in einem offenen Zweikampf zu besiegen. Warum auch nicht? O'Rourke war genauso groß wie der hochgewachsene Zimmermann und wirkte noch um einiges kräftiger, wenn Jacob auch der Meinung war, daß das bei dem Iren nicht nur Muskeln waren, sondern auch eine Menge Fett.

Jacob war der Meinung, im Recht zu sein. Abner Zachary hatte ihn zu seinem Nachfolger bestimmt, also war er der rechtmäßige Anführer des Trecks. Jetzt war sein Wort Gesetz, und alle Auswanderer hatten sich ihm unterzuordnen. Auch die Brüder O'Rourke.

Patrick O'Rourkes Verhalten grenzte an Meuterei, und Jacob hätte ihn dafür bestrafen lassen können. Aber was brachte das ein? Die unterschwellige Feindschaft zwischen ihm und den O'Rourkes würde nur noch weiter heftiger schwelen. Deshalb hielt Jacob es für besser, die Sache hier und jetzt auszutragen, »Also gut, Sie irischer Dickschädel, ich bin einverstanden. Lassen Sie uns die Sache bereinigen wie Männer, in einem fairen Kampf!«

Ein Grinsen zog quer über die ganze beträchtliche Breite von Patrick O'Rourkes Gesicht, von einem Ohr zum anderen. Er hatte auch die linke Hand zur Faust geballt.

»Jetzt mache ich dich fertig, Adler!«

*

Urilla blieb schlagartig stehen, als sei sie vor eine unsichtbare Wand gelaufen. Die große Gestalt löste sich aus dem Dämmerlicht der Bäume und trat auf sie zu.

Ein Schauer durchlief Urilla. Ängstlich machte sie ein paar Schritte zurück.

Aber sie verhakte sich in einer Baumwurzel und stürzte. Noch ehe sie sich aufraffen konnte, fiel der fremde Schatten über sie.

»Urilla«, sagte eine vertraute Stimme. »Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken.«

Urilla atmete auf, als sie den Mann erkannte.

»Martin! Was machen Sie hier?«

»Ich habe Sie gesucht. Die Witwe Cartland hat mir ausführlich erzählt, was sich am Creek alles zugetragen hat. Es tut ihr wirklich sehr leid.«

Der stämmige Deutsche streckte seine Hand aus, um der jungen Frau aufzuhelfen. Als sie wieder auf ihren Beinen stand, klopfte sie Erdreich und trockene Baumnadeln aus ihrem Kleid. Jetzt erst wurde ihr richtig bewußt, wie schrecklich sie aussah in ihrem an mehreren Stellen schmutzigen und zerrissen Kleid.

»Weshalb sind Sie so gerannt?« erkundigte sich der junge Auswanderer.

»Ich hatte Angst.«

»Vor diesen irischen Weibern?«

»Nein. Vor jemand oder etwas anderem. Ich fühlte mich plötzlich beobachtet.«

»Von wem?«

»Ich weiß nicht.« Ein schüchternes Lächeln glitt über Urillas hübsches Gesicht. »Vielleicht war es das Phantom.«

Martin schüttelte den Kopf.

»Dieser Billy Calhoun mit seinen Indianermärchen! Wer immer für das Unglück gestern verantwortlich ist, es war bestimmt kein Phantom. Und ich bin hier im Wald auch keinem Geist begegnet, als ich Sie gesucht habe.«

»Vielleicht war der Geist unsichtbar.«

Martin zuckte mit den Schultern und bot Urilla an, sie zum Lager zurückzubegleiten. Urilla nahm das dankbar an.

Als sie nebeneinander durch den Wald gingen, fühlte sie sich richtig wohl in seiner Gesellschaft. Anfangs, als sie mit Clayton zu dem Treck gestoßen war, war sie dem Deutschen aus dem Weg gegangen. Sie wußte, daß er in sie verliebt war. Sie wollte ihm und sich eine peinliche Begegnung ersparen, weil sie seine Gefühle nicht erwiderte.

»Warum sind Sie in den Wald gelaufen?« durchbrach Martin das Schweigen. »Sie hätten zurück ins Lager kommen können.«

»Ich habe mich gefürchtet, wenn ich auch nicht genau weiß, wovor. Vielleicht davor, daß auch die anderen sich so verhalten hätten wie die Frauen am Creek.« »Das glaube ich nicht. Selbst wenn sie sich so verhalten hätten, Sie hätten ihnen offen entgegentreten können.«