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»Ja?«

»Du rettest nicht zufällig Prinzessinnen? Ich hätte nämlich eine hier – und sie treibt mich zum Wahnsinn!«

»Du hältst eine Prinzessin gefangen?«, schrie Rupert. Er sprang auf und versuchte das Schwert aus der Scheide zu zerren.

»Leise!«, zischte der Drache. »Sonst hört sie dich noch.

Ich halte sie nicht gefangen. Im Gegenteil, ich wäre froh, sie endlich loszuwerden. Irgendwelche Hofschranzen schickten sie als Opfergabe hier herauf, und ich brachte es nicht übers Herz, sie zu töten. Ich dachte, ob du mich vielleicht von ihr befreien könntest…«

Rupert setzte sich langsam wieder hin und massierte sanft seine schmerzenden Schläfen. Immer wenn er glaubte, er habe die Spielregeln kapiert, wurden sie wieder geändert.

»Eine echte Prinzessin?«

»Soweit ich weiß, ja.«

»Und worin besteht ihre Macke?«, fragte Rupert misstrauisch.

»Drache!«, gellte eine durchdringende Stimme aus einem Seitentunnel. Der Drache zuckte zusammen.

»Das wirst du gleich sehen.«

Die Prinzessin platzte von einem der Nebenstollen in die Höhle und blieb wie angewurzelt stehen, als sie den Fremden sah. Rupert rappelte sich auf. Die Prinzessin trug ein fließendes langes Gewand, das irgendwann einmal vermutlich weiß gewesen war, inzwischen aber mit Flecken in einem Dutzend Schattierungen und Schmierern aus getrocknetem Schlamm übersät war. Sie war jung, knapp zwanzig, und keine ausgesprochene Schönheit, aber immerhin hübsch anzusehen. Tiefblaue Augen und ein voller Mund bildeten einen starken Kontrast zu ihrem männlich energischen Kinn. Das lange blonde Haar fiel ihr in zwei stramm geflochtenen Zöpfen bis fast zur Taille. Sie war schlank, gut gewachsen und locker eins achtzig groß. Während Rupert noch nach der passenden Begrüßungsformel für eine Prinzessin suchte, stieß sie ein Freudengeheul aus und rannte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Erschrocken wich Rupert einen Schritt zurück.

»Mein Held!«, strahlte sie und klatschte ihm einen nassen Kuss aufs Ohr. »Bist du gekommen, um mich zu retten?«

»Äh, ja«, murmelte Rupert und versuchte sich aus ihrer Umklammerung zu lösen, ohne unhöflich zu wirken. »Stets zu Diensten. Ich bin Prinz Rupert…«

Die Prinzessin drückte ihn an sich, bis ihm die Luft wegblieb. Der Drache ist weniger gef ährlich, dachte Rupert, dem farbige Ringe vor den Augen tanzten. Endlich ließ ihn die Prinzessin los und trat einen Schritt zurück, um ihn genauer zu betrachten.

Sie kam zu dem Schluss, dass er nicht viel älter sein konnte als sie, obwohl ihm die jüngst erworbenen Narben ein verwegenes und gefährliches Aussehen verliehen. Die langen schlanken Hände waren aufgerissen und mit getrocknetem Blut bedeckt. Sein Lederwams und die Reithose hatten offensichtlich einiges mitgemacht, der Umhang taugte nicht mehr viel, und alles in allem sah der Typ eher wie ein Bandit als ein Prinz aus. Die Prinzessin runzelte argwöhnisch die Stirn, doch dann zuckten ihre Mundwinkel; alles in allem sah sie vermutlich auch nicht wie eine Prinzessin aus.

»Wo hast du deine Rüstung gelassen?«, fragte sie.

»Im Schlingpflanzenwald.«

»Und dein Streitross?«

»Am Fuß des Berges.«

»Hast du wenigstens dein Schwert mitgebracht?«

»Klar.« Rupert holte das Schwert aus der Scheide, um es ihr zu zeigen, aber sie entriss es ihm sofort, wog die Klinge in der Hand und durchschnitt mit ein paar geübten Hieben die Luft.

»Könnte gehen«, entschied sie und gab ihm die Waffe zurück. »Also los, fang an!«

»Womit?«, erkundigte sich Rupert höflich.

»Mit dem Drachentöten, womit denn sonst?«, sagte die Prinzessin. »Deshalb bist du doch hergekommen, oder?«

»Äh…«, stammelte Rupert. »Der Drache und ich haben uns dahingehend geeinigt, dass ich ihn lebend in meine Burg heimführen werde. Dich natürlich auch.«

»Das ist nicht gerade ruhmvoll«, stellte die Prinzessin trocken fest.

»Und ob das ruhmvoll ist!«, widersprach der Drache.

»Du hältst dich da raus!«, fauchte die Prinzessin.

»Mit Vergnügen«, brummte der Drache.

»Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, fragte Rupert. Er hatte das Gefühl, dass er dringend eine Rückenstärkung brauchte.

»Auf der Seite eines jeden, der mich vor dieser Prinzessin rettet«, sagte der Drache mit Nachdruck.

Die Prinzessin versetzte ihm einen Tritt.

Rupert schloss kurz die Augen. Wenn er an den Hof zurückkehrte, musste er sich einmal die Barden vorknöpfen.

Ihre Balladen hatten sich allem Anschein nach ziemlich weit von der Realität entfernt. Er hüstelte höflich, und die Prinzessin ließ, immer noch wütend, von dem Drachen ab.

»Wie heißt du eigentlich?«, fragte er.

»Julia. Prinzessin Julia vom Hügelland.«

»Also schön, Julia, du kannst wählen. Entweder du kommst mit mir und dem Drachen in meine Burg, oder du bleibst allein hier droben.«

»Du kannst mich nicht zurücklassen. So etwas tut ein Held nicht.«

»Bist du da ganz sicher?«, fragte Rupert.

Julia blinzelte empört und sah dann den Drachen an, der zur Höhlendecke starrte und verschiedenfarbige Rauchringe durch die Nüstern ausstieß.

» Du würdest mich nicht allein zurücklassen, oder?«

Der Drache grinste breit. Der Feuerschein färbte seine spitzen Zähne blutrot.

Julia warf ihm einen zornigen Blick zu. »Na warte!«, murmelte sie drohend.

»Könnten wir sofort aufbrechen?«, drängte Rupert. »Mein Einhorn wartet nämlich nur zwei Tage auf mich.«

»Du reitest ein Einhorn?«, fragte der Drache. Rupert warf der Prinzessin einen Blick zu und merkte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg.

»Das ist für uns Prinzen nicht so einfach. Es hat mit der Dynastie zu tun. Das Letzte, was ein Herrschergeschlecht brauchen kann, sind Bastarde, die wie Pilze aus dem Boden schießen und Anspruch auf den Thron erheben. Also müssen unverheiratete Nachkommen des Königs… enthaltsam leben.«

»Genau«, pflichtete ihm die Prinzessin bei. »Deshalb haben mich die Ratsältesten hier heraufgeschickt.«

Der Drache hüstelte taktvoll. »Ist es weit bis zu deiner Burg, Rupert?«

Rupert wollte antworten, doch dann blieb ihm keine andere Wahl, als sich an Julia festzuhalten, weil ihm plötzlich schwarz vor den Augen wurde. Seine Knie begannen zu schlackern, und er setzte sich rasch auf den Höhlenboden, um nicht umzukippen.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte Julia, während sie ihn fürsorglich stützte.

»Ich brauche nur eine kleine Verschnaufpause«, murmelte er benommen und fuhr sich mit zitternder Hand über die Schläfen. »Ziemlich heiß hier drinnen. Aber es geht gleich wieder.«

Der Drache studierte den Prinzen eingehend. »Rupert, wie bist du diesen Berg heraufgekommen?«

»Auf dem Kletterpfad, bis mir ein Geröllstreifen den Weg versperrte. Daraufhin schickte ich das Einhorn zurück, überquerte das Geröll und benutzte die Felsentreppe.«

»Du hast den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt? Bei diesem Wetter?« Julia betrachtete Rupert mit neuem Respekt.

»Ich kam mitten im Sommer. Ich hatte eine Eskorte von sieben Mann und ein Packmuli, und dennoch brauchten wir fast vier Tage, bis wir am Ziel waren.« Sie nahm seine zerschundenen Hände in die ihren und zuckte zusammen. »Die sind ja eiskalt. Vermutlich spürst du deshalb deine Wunden nicht. Du musst bis ans Mark durchgefroren sein. Es ist ein Wunder, dass du dich überhaupt auf den Beinen halten konntest.«

Rupert zuckte verlegen mit den Schultern. »Mir fehlt nichts weiter. Ich bin nur ein wenig müde.«

Julia und der Drache wechselten einen Blick.

»Klar«, sagte der Drache. »Hör mal, warum wärmst du dich nicht eine Weile am Feuer auf? Anschließend fliege ich euch beide nach unten. Es ist ein prächtiger Tag zum Fliegen.«