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Was Ingrimmsch deutlich sah: Die Feinde hielten Abstand zum falschen Tungdil, als sei er von einer unsichtbaren Glocke umgeben, geschaffen aus Ehrfurcht und Angst. »Was immer du bist, ich vernichte dich!« Mit einem lauten, zornigen Schrei schwang er den Krähenschnabel hoch über den Kopf.

Die zwei blauen Augen an der Unterseite der Schnauze des Kordrions richteten sich auf ihn und danach auf den schwarz gerüsteten Tungdil, der sich soeben von Ingrimmsch abwandte und zu dem gigantischen Scheusal drehte; die Runen erstrahlten. Das Wesen kreischte auf, und es klang... furchtsam?

Bevor Boindil ihn erreichen konnte, sprang Tungdil nach vorne auf einen Leichnam, von da auf einen nächsten und nutzte den herausstehenden Schaft eines dicken Speeres als Sprungbrett, um mit einem Satz auf einen großen Katapultstein zu gelangen. Von da ging es auf einen weiteren und den nächsten über die Köpfe des Heeres hinweg wie über Trittstufen in einem Bach. Er war dem kurzen Hals des kauernden Kordrion nun ganz nahe, der zurückzuckte und grell zischte.

Ingrimmsch konnte seinen begonnenen Schlag nicht mehr aufhalten und ließ ihn kurzerhand gegen ein entgegeneilendes Scheusal krachen. Es erinnerte ihn an eine Kreuzung aus übergroßem Reptil und sehr fetter Schweineschnauze, der man die Ärmchen eines Gnoms verpasst hatte. Dennoch schwang es Schwert und Schild mit Leichtigkeit.

Die flache Seite des Krähenschnabels zerschmetterte den Schild mitsamt dem dünnen Arm, der ihn gehalten hatte, zerbrach die Rippen und quetschte den Brustkorb zusammen; tot fiel die Bestie in den Staub. Die nun auf ihn eindringenden Feinde hielt Ingrimmsch mit kreiselnden Bewegungen seiner Waffe auf Abstand und verteilte Verderben und Verletzungen großzügig unter ihnen, während er den vermeintlichen Tungdil nicht aus den Augen ließ. Noch immer weigerte er sich anzunehmen, dass es doch der Kampfgefährte aus alten Zyklen war, aber die Zweifel bröckelten. Was, bei Vraccas, tut er?

Plötzlich waren Yagur und die Ubariu an seiner Seite und standen ihm gegen die Ausgeburten des Bösen bei, die trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit ausharrten und auf den Befehl warteten, als Masse loszustürmen und sich gegen die Mauern der Festung zu werfen. Nur Vereinzelte attackierten sie und bezahlten dies mit ihrem Leben; Pfeile prallten an den überschweren Schilden der Ubariu ab, anderen blieben in der Luft stehen und fielen wirkungslos zu Boden. Godas Magie.

»Wir müssen zurück, General!«, verlangte Yagur und spaltete seinen Gegner mit einem wilden Hieb vom Schlüsselbein bis zum Nabel; er stach durch die niedersinkende Leiche und durchbohrte einen weiteren Feind dahinter. Die zweite Ubariu-Patrouille stieß zu ihnen und verstärkte ihre Kampfkraft.

Ingrimmsch sah zu dem schwarz gerüsteten Zwerg hinauf, der Blutdürster mit beiden Händen gegen den Körper des Kordrion führte. Die merkwürdig geformte Klinge durchschnitt die ungesunde weiß-gräuliche Haut, und ein breiter Blutstrom ergoss sich. Der Kordrion brüllte auf. Ingrimmsch war von dem Klang vom Kopf bis zu den Füßen regelrecht gelähmt. Das Gefecht erlahmte unter der donnernden Stimme, und auch die Schwarze Schlucht erzitterte unter dem Dröhnen.

Alles stand still...

... bis auf den Zwerg in der Tioniumrüstung!

Er klappte das Visier seines Helmes schwungvoll herab und scherte sich nicht um das Blut, das über ihn schwappte.

Er ist es doch! Er hat nur auf den rechten Augenblick gewartet, um sich uns zu erkennen zu geben! Ingrimmsch fragte sich bei dem Anblick nicht länger, ob es sich um seinen vermissten Freund handelte. Er wollte zu gern glauben, dass er es war. Vom heldenhaften, selbstlosen Handeln her stand der Angriff auf den Kordrion dem Kämpfer unzähliger Schlachten um das Geborgene Land gut zu Gesicht. Und warum Tungdil eine ganz andere Rüstung trug, die ihn mehr und mehr an Djerün erinnerte, dafür würde es sicherlich eine gute Erklärung geben. Dafür und für alles andere auch. Nach dem Kampf. Als Tungdil jedoch vom weißen Feuer des aufgebrachten Wesens eingehüllt wurde und in dem glühend grellen Ball verschwand, gab Boindil ihn auf. Der Zwerg wusste noch zu genau, was die gleißenden Flammen anrichteten, auch wenn die Schlacht mehr als zweihundertfünfzig Zyklen zurücklag. Sollte die Rüstung aus Tionium widerstehen, so reichte die Hitze im Innern aus, um den Zwerg bei lebendigem Leib zu rösten. Der Anblick seines getöteten Zwillingsbruders stieg aus seinen Erinnerungen empor... »Nein!«, schrie Ingrimmsch verzweifelt und hackte einem weiteren Gegner das lange, gebogene Ende des Krähenschnabels von oben durch Helm und Schädel. Es knackte laut, dann trat die Spitze unterhalb der Kehle aus dem Brustbein aus. Boindil riss den Toten zu Boden, stellte den rechten Fuß auf dessen Schulter und zog das lange Ende durch das hässliche Gesicht. »Vraccas, lass es nicht zu, dass ich ihn finde und gleich wieder verliere!«

Der Feuerball verteilte sich und quoll zu einer Wolke auf, in der ein schwarzer Umriss erkennbar war. Tungdil schien die Attacke überstanden zu haben!

Der Zwerg in der schwarzen Rüstung war auf ein Knie gesunken. Blutdürster hielt er schützend mit der breiten Seite voraus vor den Kopf, der andere Arm lag auf dem Rücken. Als der Flammenstoß verebbte, federte er in die Höhe und stach nach den unteren Augen des überrumpelten Kordrion.

Tungdil erwischte eines, und ein Geräusch erklang, das dem eines berstenden Lederbeutels ähnelte, der prall gefüllt war.

Blaues Wasser ergoss sich daraus, dem gleich darauf schwarzrotes Blut folgte. Armdicke Adern und Sehnen baumelten herab, noch mehr Flüssigkeiten sprühten umher, und die Kreatur wand sich vor Schmerzen.

Ingrimmsch wollte nicht glauben, was er sah: Der Kordrion zog sich mit blutsprühenden Wunden in seiner Flanke und am Kopf in die Schlucht zurück! Die titanischen Füße zermalmten Dutzende Scheusale und pressten sie in den Boden, Körperflüssigkeiten spritzten nach allen Seiten davon, dann war er verschwunden und hinterließ eine feuchte Spur auf den Felsen. Ein lautes Heulen erklang, und das Heer verschwand unter Geschrei in der Dunkelheit der aufragenden Felswände. Letzte Pfeil- und Speerschauer begleiteten ihren Abzug, dann schwiegen die Katapulte der Festung.

Ruhe senkte sich herab, in der das Säuseln des Windes, der sich an den Zinnen der Festung und den Hängen der Schwarzen Schlucht brach, überlaut erklang. Vorher hatte ihm niemand Beachtung geschenkt.

Ingrimmsch gab den Ubariu den Befehl, hinter ihn zu treten und den Weg nach unten in die Tiefe der Finsternis genau zu beobachten, während er selbst einen Schritt nach vorn machte und den blutverschmierten Krähenschnabel neben seinem Fuß abstellte. Er sah zu dem gerüsteten Zwerg und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, nach unten zu kommen. »Zeig dich, damit ich sehe, ob ich einen alten Freund oder einen neuen Feind vor mir habe«, rief er. Er vermochte seine Erregung kaum mehr zu zügeln und schwankte zwischen Freude und sehr, sehr viel Misstrauen. Der Glaube allein, seinen Freund vor sich zu haben, reichte noch nicht aus.

Von den Wehrgängen erklangen Hornsignale, das große Tor wurde geöffnet, und eine Streitmacht von zweihundert Zwergenkriegern und Untergründigen eilte unter der Führung von Goda heran. Sie nahmen hinter Ingrimmsch und den Ubariu Aufstellung und warteten. Kampfbereit.