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Rayan grunzte, stemmte die Arme in die Hüften und starrte ihn feindselig an. »Wenn ich jetzt den Kurs ändere und diesen verdammten Eisberg ansteuere, kann ich genausogut die Segel streichen und hier auf den Dronte warten«, schrie er aufgebracht. »Du kennst diese verdammten schwimmenden Eisinseln nicht, Skar...«

»Aber du, wie?« höhnte Del. Rayan ignorierte ihn.

»Ich habe genug über sie gehört«, fuhr er wütend fort. »Sie sind teuflisch. Das, was du da siehst, ist nur ein kleiner Teil - die Hauptmasse liegt unter der Wasseroberfläche verborgen. Komm ihnen zu nahe, und du wirst aufgeschlitzt, schneller, als du ein Stoßgebet zu deinen Ahnen geschickt hast.« Er hob die linke Hand, legte die Finger zu einer Imitation eines Schiffsrumpfes zusammen und schlug mit der Faust hinein. »Nein!« Er schüttelte wütend den Kopf. »In Küstennähe würde ich es riskieren. Gib mir Festland, und ich manövriere diesen schwarzen Aasgeier aus, daß ihm die Augen aus seinem Schädel fallen. Aber das da ist Selbstmord!«

Del schnaubte erregt. »Der Kerl hat doch nur Angst um sein kostbares Schiff«, bemerkte er bissig. Er fuhr herum, trat an die Reling heran und starrte die weiße Linie über dem Horizont an. »Was glaubt er, wie lange er ihnen noch davonsegeln kann?« fragte er, ohne Rayan dabei anzusehen. Skar schluckte einen Fluch herunter und warf ihm einen beinahe flehenden Blick zu. Del sprach absichtlich in der dritten Person von Rayan, um ihn zu beleidigen und noch mehr zu reizen. »Wahrscheinlich laden sie bereits die Katapulte. Wäre er vor drei Tagen nicht zu feige gewesen, sich zum Kampf zu stellen, dann wären wir jetzt nicht in dieser Lage. Sie werden uns noch vor Sonnenuntergang einholen.«

Einer der beiden Veden hinter Rayan spannte sich. Seine Hand glitt zum Gürtel und legte sich um den Griff des wuchtigen Breitschwertes, aber Rayan hielt ihn mit einer raschen Bewegung zurück. »Vielleicht«, antwortete er gelassen. »Aber ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen.«

Del wandte sich wieder um und funkelte wütend auf den zwei Köpfe kleineren Freisegler herunter. »Du vielleicht«, zischte er, »aber ich nicht.«

»Noch bin ich der Kapitän der SHAROKAAN«, antwortete Rayan eisig. »Und noch entscheide ich, was wir tun. Wir haben noch viele Stunden, in denen sich eine Möglichkeit ergeben kann, ihn abzuschütteln. Land. Eine Insel. Was weiß ich.«

Skar zog das Fernrohr auseinander und setzte es an. Es war ein wirklich gutes Glas - die dünne weiße Linie wuchs mit einem Mal zu einer mächtigen glitzernden Mauer heran, scheinbar nur wenige Steinwürfe entfernt. Rayan und Del stritten sich weiter, aber er achtete nicht mehr darauf. Del war trotz allem klug genug, seine Grenzen zu kennen und es nicht auf eine offene Konfrontation ankommen zu lassen. Minutenlang stand Skar reglos da, schwenkte das Glas von rechts nach links und wieder zurück und betrachtete die schimmernde Barriere vor dem Horizont. Sein Mut sank, als er erkannte, wie recht Rayan mit seiner Prophezeiung hatte. Das Eis bildete eine mächtige gläserne Wand, die hundertfünfzig, zweihundert Fuß oder mehr senkrecht aus dem Meer emporwuchs, als hätte ein zorniger Gott hier eine endgültige Sperre errichtet, um ihrem Vordringen ein Ende zu setzen. Das Wasser an ihrem Fuß war von trügerischer Ruhe, aber an vielen Stellen schimmerte es weiß durch die grüngrauen Wogen, und manchmal brachen sich die Wellen mit schaumiger Gischt, lange bevor sie gegen die schimmernde Mauer trafen. Eis, das bis dicht unter die Wasseroberfläche herangewachsen war und nun wie eine Phalanx kleiner heimtückischer Seeungeheuer auf den leichtsinnigen Segler wartete, der ihnen in die Fänge lief. Eine Todesfalle, selbst für einen so erfahrenen Seemann wie Rayan.

Er schwenkte das Fernrohr weiter, aber der Anblick war überall gleich: eine fugenlose Wand, glatt und poliert wie Glas, hier und da gerissen und zu bizarren Mustern gesprungen, aber trotzdem von undurchdringlicher Härte. Nicht einmal ein einzelner Mann hätte dort Zuflucht finden können, geschweige denn ein ganzes Schiff.

»Was ist das da?« fragte Del leise. »Dort vorne?«

Skar setzte das Glas ab, sah den jungen Satai fragend an und blinzelte mit bloßen Augen zum Horizont. Er konnte nichts Außergewöhnliches erkennen. »Was meinst du?«

»Direkt vor uns. Siehst du es nicht?«

Skar hob das Glas erneut an die Augen und starrte in die Richtung, in die Dels Arm wies. Im ersten Moment sah er nichts als schimmerndes Weiß und monotone Glätte, aber dann gewahrte er ein flüchtiges Aufblitzen, das Spiegeln von Licht auf einer gebrochenen Eisfläche, nur sichtbar, wenn sich die SHAROKAAN auf dem Rücken einer Woge befand und kurz davor war, ins nächste Wellental hinabzustürzen. Wortlos setzte er das Fernrohr ab und gab es Rayan zurück. »Del hat recht. Sieh selbst.«

Der Freisegler griff wütend nach dem Instrument, preßte die Lippen aufeinander und starrte Skar an. Aber schließlich hob er das Glas und blickte sekundenlang durch die Linse.

»Siehst du es?« fragte Skar.

Rayan nickte widerwillig. »Den Einschnitt?«

»Die Durchfahrt«, verbesserte Skar. »Dahinter muß ein See liegen. Siehst du, wie sich das Sonnenlicht auf dem Wasser bricht?«

Rayan antwortete nicht. Sein Gesicht verriet Anspannung, und Skar konnte den lautlosen Kampf, der hinter seiner Stirn tobte, fast sehen. Seine Kiefer mahlten in einer unbewußten, kraftvollen Bewegung. »Ich sehe es, aber...«

Skar brachte ihn mit einer knappen, aber energischen Geste zum Verstummen. Der Anblick der senkrechten, wie mit einer gewaltigen Axt in das Eis gehauenen Bresche ließ einen verzweifelten Plan in ihm Gestalt annehmen. »Was glaubst du?« fragte er langsam. »Ist der Kanal breit genug für die SHAROKAAN?«

Rayan ließ das Glas sinken und starrte Skar an, als zweifle er ernsthaft an seinem Verstand. »Vielleicht«, sagte er. »Auf diese Entfernung kann ich das nicht sagen. Und wenn er breit genug ist, heißt das noch lange nicht, daß er auch genug Tiefgang hat. Warum? Du glaubst doch nicht ernsthaft, daß ich mein Schiff dort hineinmanövriere? Selbst wenn wir hindurchkommen, ohne uns den Rumpf aufzuschlitzen oder wie ein Korken in einem Flaschenhals hängenzubleiben - woher willst du wissen, was dahinter ist? Es kann offenes Meer sein, aber genausogut ein See, aus dem wir nie wieder herauskommen.«

Skar tauschte einen langen Blick mit Del. Sein Gesicht blieb starr, aber er schien den gleichen Gedanken nachzuhängen wie er. Er nahm Rayan das Glas aus der Hand, blickte erneut die Eiswand an und drehte sich herum, um in die entgegengesetzte Richtung zu sehen. Durch das Fernrohr betrachtet, war der Dronte bereits erschreckend nahe gekommen; ein schwarzes Ungeheuer, dessen gewaltiges Hauptsegel das Sonnenlicht aufzusaugen schien. Hinter der niedrigen Reling war nicht das geringste Zeichen von Leben auszumachen, aber Skar war sicher, daß man dort drüben jede Bewegung an Deck der SHAROKAAN mißtrauisch verfolgte.

Skar senkte das Glas, schob es mit einer bedächtigen Bewegung zusammen und begann Rayan mit knappen Sätzen seinen Plan zu erklären.

4.

Die Eiswände glitten so dicht an der Bordwand vorüber, daß man nur die Hand hätte auszustrecken brauchen, um sie zu berühren. Ein hoher, schwingender Ton, als würde irgendwo vor ihnen eine gewaltige gläserne Harfe anschlagen, ließ die Nerven der Männer vibrieren, und das dumpfe Klatschen der Wellen erzeugte ein unwirklich verzerrtes Echo, das die bizarre Atmosphäre im Inneren des Eiskanals noch verstärkte. Die schimmernden Wände färbten das Licht blau.