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Fast zwei Stunden vergingen, während die Sonne emporstieg, und die drei Verfolger standen vor der Wand aus Nebel, in der ihr Opfer verschwunden war. Sie blieben stehen wie er und starrten stumm auf die unheimliche Schwärze, die Schwelle zum Reich des Dämonen-Lords. Der Dunst schien in Schichten auf der abgestorbenen Erde zu liegen, jede ein wenig dunkler als die lindere, immer düsterer, immer unheimlicher. Panamon Creel Hing mit gemessenen Schritten auf und ab, ohne den Blick von der Schwärze abzuwenden, während er seinen Mut zusammenzunehmen versuchte. Keltset hatte den Boden abgesucht und mit einer kurzen Bewegung angezeigt, daß der Gnom wirklich nach Norden weitergegangen war, dann erstarrte er zur Regungslosigkeit, die Arme verschränkt, die Augen schmale Schlitze unter den buschigen Brauen.

Es blieb keine andere Wahl, dachte Shea, bereits entschlossen, in seiner Hoffnung nicht einmal durch die Aussicht beirrt, dass sie in der Dunkelheit die Spur verlieren würden. Aus irgendeinem Grund war sein Selbstvertrauen zurückgekehrt. Auf einmal schien für ihn festzustehen, daß sie Orl Fane einholen und das Schwert an sich bringen würden. Irgend etwas trieb ihn an, beruhigte ihn, vertraute ihm an, daß er nicht scheitern werde – eine innere Stimme, die ihm neuen Mut einflößte. Er wartete ungeduldig auf Panamons Entschuß.

»Was wir tun, ist Wahnsinn«, murmelte der Scharlachrote, als er wieder einmal an Shea vorbeiging. »Ich spüre den Tod in dieser Wand...« Er verstummte und sah Shea an.

»Wir müssen weitergehen«, sagte Shea tonlos.

Panamon warf einen Blick auf seinen riesigen Freund, aber der Berg-Troll rührte sich nicht. Der Dieb wartete noch einen Augenblick, offenbar verstört, weil Keltset seine Meinung nicht kundgeben wollte. Früher, als sie zu zweit gewesen waren, hatte der Riese stets sein Einverständnis bekundet, wenn Panamon sich an ihn gewandt hatte, aber in der letzten Zeit hielt sich der Troll auffällig zurück.

Endlich nickte der Abenteurer, und die drei Männer stürzten sich in den Dunst. Der Boden war flach, und eine Weile kamen sie zügig voran. Als der Nebel dichter wurde, nahm die Sicht immer mehr ab, bis sie einander nur noch als verschwommene Schatten sahen. Panamon ließ haltmachen, zog einen Strick aus seinem Rucksack und schlug vor, sie sollten sich aneinander binden, um sich nicht aus den Augen zu verlieren. Sie taten es und gingen weiter. Man hörte nichts als das Scharrren ihrer Stiefel auf der harten Erde. Der Nebel war nicht feucht, schien aber trotzdem auf eine höchst unliebsame Art an ihrer Haut zu haften. Shea erinnerte sich dabei an den düsteren, unheimlichen Nebelsumpf.

Die Luft schien sich immer heftiger zu bewegen, je tiefer sie eindrangen, dabei schien kein Wind zu wehen. Schließlich waren sie von allen Seiten eingehüllt und standen in undurchdringlicher Dunkelheit.

Sie gingen, wie es schien, stundenlang, aber ihr Zeitgefühl verwirrte sich in dem lautlosen, schwarzen Dunst, der sie umgab.

Das Seil bewahrte sie vor der Einsamkeit des Todes, der im Nebel lauerte, und es verband sie nicht nur untereinander, sondern auch mit der Welt von Sonne und Licht, die sie hinter sich gelassen.

Es war eine Zwischenwelt, in die sie sich hineingewagt hatten, eine Welt halben Lebens, wo die Sinne erstickten und alle Ängste aufbrandeten. Man konnte spüren, wie der Tod die Dunkelheit zerteilte, eine Berührung hier, eine Berührung dort, das sterbliche Wesen streifend, das er eines Tages ergreifen würde. Das Unwirkliche wurde in dieser fremdartigen Dunkelheit beinahe annehmbar, als alle Beschränkungen der menschlichen Sinne in traumartigen Erinnerungen verschwanden und die Visionen des inneren Geistes, des Unbewußten, sich nach vorn drängten und um Beachtung warben.

Eine Weile war es beinahe angenehm, sich diesen Verlockungen des Unbewußten zu überlassen, und danach war es weder angenehm noch widerlich, sondern einfach abtötend. Lange Zeit setzte sich dieses letztere Gefühl durch, beruhigend, ihrem Geist einlullend, so daß Körper und Geist von der trägen Schläfrigkeit der alten Lotusesser erfüllt wurden. Die Zeit löste sich vollends auf, und die Nebelwelt erstreckte sich ins Unendliche.

Aus den trüben Winkeln der Welt des Lebens kam die kriechende Empfindung von brennendem Schmerz, der Sheas gefühllosen Körper plötzlich durchzuckte. Sein Geist befreite sich schlagartig von der Trägheit, die seine Gedanken umnebelte, und der sengende Schmerz in seiner Brust wurde stärker. Immer noch schläfrig, seltsam gewichtslos, tastete er schlaff nach seinem Rock, bis seine Hand endlich die Quelle der Störung berührte - einen kleinen Lederbeutel. Dann wurde er plötzlich wach, als er die kostbaren Elfensteine umklammerte. Er war wieder bei sich.

In plötzlichem Entsetzen wurde ihm klar, daß er ausgestreckt am Boden lag, nicht mehr aufrecht stand, nicht einmal mehr wußte, wie er hierhergekommen war. Vezweifelt griff er nach dem Seil an seiner Hüfte und zerrte heftig daran. Er wurde belohnt von einem schwachen Stöhnen; seine Begleiter waren noch in der Nähe. Er stemmte sich in die Höhe und begriff, was geschehen war. Die grausige Zwischenwelt ewigen Schlafes hatte sie beinahe überwältigt, hatte sie eingelullt und ihre Sinne eingeschläfert, bis sie hingestürzt und dem Tod immer mehr entgegengerückt waren. Nur die Macht der Steine hatte sie gerettet.

Shea fühlte sich unendlich schwach, nahm aber den letzten Rest seiner Kraft zusammen und zerrte wild am Seil, holte Panamon Creel und Keltset zurück vom Abgrund des Todes, zurück in die Welt der Lebenden. Er schrie wild, während er am Seil riß, dann taumelte er zu ihnen und stieß mit den Füßen die am Boden liegenden Männer an, bis der Schmerz sie wieder zum Leben erweckte.

Lange Minuten später waren sie wach genug, um zu begreifen, was mit ihnen vorgegangen war; mit dem Erwachen trieb der Lebensgeist auch den Willen wieder an, um das Dasein zu kämpfen. Sie klammerten sich aneinander, bemüht, wach zu bleiben. Dann gingen sie blindlings durch die Dunkelheit, setzten einen Fuß vor den anderen, und jeder Schritt bedeutete eine ungeheure Anstrengung von Körper und Geist. Shea ging voraus, ungewiß, in welcher Richtung, aber er verließ sich auf seinen von den Elfensteinen geleiteten Instinkt.

Lange Zeit stolperten sie durch die endlose Dunkelheit, rangen darum, bei Bewußtsein zu bleiben, während der träge Nebel sie umwallte. Das fremdartige, schlafähnliche Gefühl des Todes versuchte sie niederzuzwingen, ihre erschöpften Körper zu veranlassen, die wohlverdiente Ruhe zu suchen. Aber die Sterblichen wehrten sich mit eiserner Entschlossenheit, ihre Kraft war ein Rest von Mut und Verzweiflung, der, auch wenn alles andere dahin war, nicht aufgab.

Endlich löste sich die schwere Erschlaffung, schien sie sich zurückzuziehen in den schwarzen Nebel. Diesmal war es dem Tod nicht gelungen, den Lebenswillen zu brechen. Es würde andere Gelegenheiten geben für diese drei, aber vorläufig würden sie in der Welt der Menschen noch ein wenig länger existieren. Die Trägheit verschwand, mit ihr die Schläfrigkeit - nicht wie ein gewöhnlicher Schlaf, sondern mit der leisen Warnung einer Wiederkehr.

Die drei Wanderer waren plötzlich wieder wie vorher, ihre Muskeln waren frei, der Geist war wach. Es gab nicht das Bedürfnis, zu gähnen oder sich zu strecken, sondern nur eine schwache Erinnerung, daß der Schlaf des Todes ein Schlummer ohne Empfindung, ohne Zeit war.

Lange Zeit sprachen sie nichts, obwohl sie wiederbelebt waren.

Sie dachten mit dumpfer Angst an den Vorgeschmack des Todes, den sie erlebt hatten, und wußten, daß eines Tages der Augenblick kommen würde, in dem er sie aus seinem Griff nicht mehr entließ. Sekundenlang hatten sie am Abgrund gestanden und in das düstere Reich geblickt - etwas, das keinem Sterblichen vor Ablauf seiner Zeit beschieden war. So nah dem Tod gewesen zu sein, war betäubend, erschreckend, beinahe unerträglich.