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Aber durch einen glücklichen Zufall entdeckte Keltset Fußspuren auf der nackten Erde - Fußspuren, die aus der Nebelwand kamen und nach Norden führten. Der Berg-Troll zeigte Panamon Creel,daß die Abdrücke von einer kleinen Person, vermutlich einem Gnomen, stammen mußten und daß die Person dahingetorkelt war, entweder vor Erschöpfung oder weil sie verletzt war. Erbaut von dieser Entdeckung, gewiß, Orl Fanes Fährte wiedergefunden zu haben, folgten sie den Spuren in Richtung Norden, und zwar viel schneller als zuvor. Vergessen war die Qual dieses Vormittags. Vergessen war die Bedrohung durch den allgegenwärtigen Dämonen-Lord, dessen Reich unmittelbar vor ihnen lag. Vergessen waren Erschöpfung und Verzweiflung nach dem Verlust des Schwertes von Shannara. Orl Fane sollte ihnen nicht noch einmal entkommen.

Der Himmel wurde zusehends dunkler. Weit im Westen grollte Donner, ein drohendes Rumpeln, das der Wind schnell durch das ganze Nordland trug. Es würde ein schrecklicher Sturm werden, beinahe so, als habe die Natur beschlossen, dem sterbenden Land neues Leben einzuhauchen, indem sie es reinwusch, damit es wieder fruchtbarer Boden für lebende Wesen sein konnte. Die Luft war bitter kalt, und der Wind fegte mit schneidender Heftigkeit durch ihre Kleidung. Sie spürten ihn jedoch kaum, und ihre Augen suchten angestrengt den Horizont nach einer Spur ihres Opfers ab. Die Fährte sah frischer aus; Orl Fane konnte nicht mehr weit vor ihnen sein.

Die Landschaft hatte sich merklich verändert. Der Boden blieb nackt und eisenhart, überstreut mit Felsbrocken, aber er wurde immer hügeliger und rauher, so daß sie nur noch langsam vorankamen.

Die rissige, trockene Erde erschwerte das Gehen besonders, weil jede Vegetation fehlte, die ein wenig Halt geboten hätte. Als die Hügel und Täler immer steiler und schroffer wurden, kamen die drei Wanderer nur noch kletternd und abrutschend voran.

Der zunehmende Westwind fegte nun mit ohrenbetäubendem Heulen heran und drohte die Männer manchmal umzureißen.

Der Staub wirbelte in dichten Wolken auf und wehte an die Gesichter der Männer. Es wurde bald so schlimm, daß sie sich in einem Sandsturm wähnten. Die ganze Landschaft war windumtost und von Sand eingehüllt. Das Atmen fiel schwer, sehen konnten sie fast gar nichts mehr, und schießlich erkannten nicht einmal mehr Keltsets scharfe Augen Spuren des Fliehenden am Boden. Wahrscheinlich gab es überhaupt nichts mehr zu sehen, so wild wirbelte der Wind die Erde auf, aber die drei gingen weiter.

Aus dem fernen Donnergrollen war ein nahezu unaufhörliches Krachen geworden, während die Blitze vom Himmel herabzuckten.

Der Himmel war schwarz geworden, obwohl sie das kaum noch wahrnahmen. Vom westlichen Horizont her näherte sich ein dichter Dunst - offenkundig eine Regenwand von größter Heftigkeit, vorangetrieben vom heulenden Wind. Es wurde so schlimm, daß Panamon brüllte, sie müßten stehenbleiben.

»Es hat keinen Zweck! Wir müssen einen Unterschlupf finden, bevor uns der Sturm ganz erfaßt!«

»Wir können jetzt nicht aufgeben!« schrie Shea zornig, aber seine Stimme wurde vom Donnerkrachen fast übertönt.

»Sei kein Narr!« Der Räuber kämpfte sich zu ihm vor und sank auf ein Knie, während er die Augen vor dem peitschenden Sand schützte. Auf der rechten Seite sah er einen hohen Hügel mit großen, überhängenden Felsblöcken, die ein wenig Zuflucht vor der Gewalt des Sturmes zu bieten schienen. Er winkte den beiden anderen, gab es auf, weiter nach Norden vorzudringen, und wandte sich den Felsen zu. Schwere Regentropfen begannen herabzufallen und auf der Haut der Männer zu zerplatzen; das Donnerkrachen steigerte sich zu ohrenbetäubender Lautstärke.

Shea starrte weiter nach Norden in die Dunkelheit, kaum bereit, Panamons Entscheidung hinzunehmen und die Verfolgung aufzugeben, wo er doch wußte, daß sie ihrem Ziel so nah waren.

Sie hatten die Felsen fast schon erreicht, als er eine Bewegung wahrnahm. Ein gleißender Blitzstrahl beleuchtete eine kleine Gestalt am Kamm eines hohen Hügels weit vor ihnen, die sich mühsam gegen den Sturm vorankämpfte. Shea schrie wild auf und packte Panamons Arm, um auf den inzwischen wieder in der Dunkelheit verschwundenen Hügel zu zeigen. Sekundenlang blieben die drei Männer wie erstarrt stehen und versuchten die Schwärze zu durchdringen, während der Regen wolkenbruchartig herunterrauschte und sie durchnäßte. Ein zweitesmal zuckten Blitze und zeigten wieder den fernen Hügel mit der winzigen Gestalt, die noch immer versuchte, den Kamm zu erreichen.

Dann war die Erscheinung verschwunden, und nur der Regen umgab sie.

»Das ist er! Das ist er!« schrie Shea. »Ich verfolge ihn!« Ohne auf die beiden anderen zu achten, stürzte er den Hang hinunter, entschlossen, sich das Schwert nicht noch einmal entgehen zu lassen.

»Shea! Nein! Shea!« schrie ihm Panamon vergeblich nach.

»Keltset, hol ihn zurück!«

Der Riesentroll hetzte den Hügel hinunter, überholte den kleinen Talbewohner, ergriff ihn mühelos mit einem Arm und trug ihn hinauf zum wartenden Panamon. Shea wehrte sich verzweifelt und brüllte aus Leibeskräften, aber er hatte keine Chance, sich dem eisernen Griff des Riesen zu entwinden. Der Sturm erreichte seinen Höhepunkt, und der gewaltige Regen narbte die ungeschützte Erde, auf der große Brocken und Felsblöcke in tief eingeschnittene Rinnen hinabrutschten, wo sich schon reißende Bäche bildeten. Panamon führte sie in die Felsen und achtete nicht auf Sheas Drohungen und Flüche, während er nach einem Unterschlupf suchte. Nach kurzer Umschau wählte er eine Stelle oben auf dem Kamm, die auf drei Seiten von hohen Felsblöcken geschützt war. Mühsam hinaufkletternd, erreichten die drei Männer endlich erschöpft die bescheidene Zuflucht, wo sie zusammensanken. Panamon bedeutete Keltset, Shea loszulassen.

Zornig wandte sich der Talbewohner dem hochgewachsenen Abenteurer zu, während ihm der Regen in Augen und Mund lief.

»Seid ihr verrückt?« tobte er im Donner und Krachen der Blitze. »Ich hätte ihn eingeholt! Ich hätte ihn...«

»Shea, hör zu!« unterbrach ihn Panamon hastig. Der Sturm schien für einen Augenblick zu erlahmen, als Shea zögerte. »Er war uns zu weit voraus, um bei diesem Wetter eingefangen zu werden. Wir wären alle weggefegt oder von Geröllawinen mitgerissen worden. Es ist zu gefährlich bei diesem Gewittersturm, unterwegs zu sein - auch nur wenige Meter, geschweige denn Meilen. Beruhige dich. Wir können die Überreste des Gnoms suchen, wenn der Sturm vorbei ist.«

Shea wollte noch etwas einwenden, atmete aber tief ein und beruhigte sich, als seine Vernunft die Oberhand gewann. Er sah ein, daß Panamon recht hatte.

Die volle Wucht des Sturmes tobte über das ungeschützte Land, riß die nackte Oberfläche auf und gestaltete sie neu. Langsam wurden die Hügel hinabgewaschen in die überschwemmten Flußtäler, und die alten Streleheim-Ebenen weiteten sich zum riesigen Nordland. Zusammengekauert im Schutz der mächtigen Felsen, starrte Shea hinaus auf die Regenwände, die in endlosen Güssen kamen und gingen und die Trostlosigkeit des sterbenden Landes verhüllten. Es schien, als lebe nichts mehr außer ihnen.

Wenn der Sturm lange genug anhielt, mochten sie alle fortgespült werden, und das Leben konnte einen neuen Anfang machen, dachte er düster.

Obwohl der Regen in ihrem kleinen Unterschlupf nicht direkt auf sie herabprasselte, entkamen sie der eisigen Feuchtigkeit nicht; in ihrer durchnäßten Kleidung fühlten sie sich elend genug. Zuerst blieben sie in erwartungsvollem Schweigen sitzen, als warteten sie darauf, daß der Sturm nachlasse und die Jagd auf Orl Fane weitergehen könne, aber mit der Zeit wurden sie des Wartens überdrüssig und begannen sich anders zu beschäftigen, überzeugt davon, daß Regen und Wind noch lange anhalten würden. Sie aßen ein paar Bissen, mehr aus Notwendigkeit, denn aus Hunger, und versuchten dann, so gut es ging, ein wenig zu schlafen. Panamon hatte zwei Decken retten können, die wasserdicht verpackt gewesen waren, und er gab sie Shea. Der Talbewohner lehnte ab und wollte sie seinen Freunden überlassen, aber Keltset, den kaum etwas aus der Ruhe zu bringen schien, schlief bereits. So wickelten Panamon und Shea sich in die warmen Decken und starrten, nebeneinander sitzend, stumm ins Leere.