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»Berg-Trolle!« rief Balinor. »Sie werden Messaline und alle seine Leute vernichten. Gebt das Zeichen für den Rückzug, Janus!«

Der junge Kommandeur zog an einer Fahnenstange einen großen, roten Wimpel auf. Menion Leah starrte den König von Callahorn an. Es hatte so ausgesehen, als sei die Schlacht beinahe gewonnen, und trotzdem befahl Balinor den Rückzug. Menion begegnete dem Blick des Königs, aber dieser lächelte, als er die fragenden Augen seines Kampfgenossen sah.

»Berg-Trolle sind von klein auf für den Kampf ausgebildet - sie kennen nichts anderes. Beim Kampf von Mann gegen Mann sind sie sogar den Legionären überlegen. Sie sind besser ausgebildet und körperlich weitaus stärker. Wir haben keine Chance, wenn wir die Attacke fortsetzen. Wir haben dem Feind bereits schwere Verluste zugefügt und halten nach wie vor die Klippe. Wenn wir den Sieg erringen wollen, müssen wir das Schritt für Schritt versuchen.«

Menion nickte verständnisvoll. Balinor winkte seinen Freunden kurz zu und kehrte wieder auf seinen Posten zurück. Im Augenblick kam es ihm darauf an, den Rückzugsweg für seine beiden Regimenter offen zuhalten, und das verlangte eine erfolgreiche Verteidigung der fahrbaren Rampen, der einzigen Verbindung zwischen den Soldaten und ihrer Stadt. Balinor Menion sah der breiten Gestalt nach und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Kampf zu. Das Blutbad auf der Ebene war grauenhaft. Von der Klippe bis zu den hinteren Linien des Nordland-Heeres lagen überall Tote und Verwundete. Es war das schrecklichste Gemetzel, das irgendeiner der Beobachter je gesehen hatte, und sie verfolgten den Fortgang der Feindseligkeiten bedrückt und sprachlos.

In größerer Entfernung hatten die Fußsoldaten der Legion unter Messalines Kommando mit dem geordneten Rückzug begonnen, aber den riesenhaften Berg-Trollen war es beinahe schon gelungen, die durcheinanderwogenden Reihen ihrer eigenen Verbündeten zu durchstoßen, um die verhassten Bewohner von Tyrsis zu verfolgen. Während die Fußsoldaten sich noch ohne Gegenwehr zurückzogen, war das berittene Regiment auf unerwarteten Widerstand der angreifenden Gnomen-Reiter gestoßen. Die beiden Einheiten lieferten sich auf der linken Seite der vorrückenden Trolle heftige Kämpfe. Acton war offenbar nicht fähig oder nicht bereit, sich von den Angreifern zu lösen. Seine Reiter waren so einem verheerenden Kreuzfeuer der Gnomen-Bogenschützen ausgesetzt. Ein großer Trupp von Gnomen- und Trollen-Schwertkämpfern hatte sich zusätzlich hinter den angreifenden Reitern zum Kampf bereitgestellt, und Actons Leute sahen sich plötzlich auf drei Seiten eingeschlossen.

Höndel stieß zornige Laute aus. Zum erstenmal begann Menion sich Sorgen zu machen. Selbst Janus Senpre ging nervös hin und her. Einen Augenblick später bestätigten sich ihre schlimmsten Befürchtungen. Die nachsetzende Troll-Einheit, noch kampffrisch, war so schnell vorgestürmt, dass die sich zurückziehenden Legionäre, erschöpft von ihrem Gegenangriff, die Stadt nicht zu erreichen vermochten. Hundert Meter vor der Rampe mussten sie sich zum Kampf stellen. Der wallende Rauch schob sich wie eine schwarze Wand vor die niedrigen Schanzen und nahm Balinor jede Sicht, aber den entsetzten Männern auf der Mauer entging von den schrecklichen Ereignissen nichts.

»Ich muss Balinor warnen!« schrie Höndel plötzlich und sprang von der Brustwehr herunter. »Die ganze Einheit wird sonst aufgerieben!«

Janus Senpre folgte ihm. Menion und die beiden Elfen blickten weiterhin hilflos zu, wie die riesigen Berg-Trolle gegen Messalines erschöpfte Leute anstürmten. Die Soldaten der Legion hatten sich mit Schildern und Speeren eingeigelt. Auch die Trolle hatten eine Schlachtformation gebildet, etwas breiter als lang. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie von drei Seiten auf die Südländer losstürzen und sie überwältigen wollten. Menion blickte hastig über die Mauer, aber Balinor hatte sich nicht bewegt; er ahnte noch immer nicht, dass ein ganzes Regiment in Gefahr war, vernichtet zu werden.

Als Menion den Blick wieder auf die Walstatt richtete, erreichten Höndel und Janus gerade den König und begannen wild zu gestikulieren. Zu spät, dachte Menion dumpf. Es war schon zu spät.

Aber plötzlich geschah etwas Seltsames. Actons Kavallerie, von den Beobachtern auf der Mauer vorübergehend aus den Augen gelassen, löste sich plötzlich von den angreifenden Gnomen, wendete und stürmte auf die Trolle von hinten los. Im Galopp brachen sich die Reiter Bahn durch die Reihen der Gnomen. Ohne der Pfeile der Bogenschützen zu achten, hetzten sie auf die vorrückenden Trolle zu. Mit gesenkten Piken traf das Regiment auf die rückwärtigen Reihen der Troll-Phalanx. Die riesigen Trolle wurden überrascht, und Dutzende stürzten zu Boden, durchbohrt von den Piken.

Aber die Berg-Trolle galten nicht umsonst als die besten Kämpfer der Welt. Sie fingen sich rasch, schlössen ihre Reihen und stellten sich der neuen Bedrohung. Als Actons Reiter wieder nach Westen schwenkten und die Nachhut der Trolle erneut angriffen, schlugen die Nordländer mit Piken und Streitkolben brutal zurück. Über ein Dutzend Reiter sank leblos aus den Sätteln, und eine gleiche Anzahl hing verwundet auf den Pferden, als das Regiment nach Osten stürmte und dann nach Süden abbog, um die Sicherheit von Tyrsis zu gewinnen.

Acton hatte aber seinen Zweck erreicht; die im richtigen Augenblick erfolgte Attacke hatte es Messalines bedrängtem Regiment ermöglicht, plötzlich zum schützenden Rauch durchzubrechen. Das Manöver war glänzend gelungen, und die Zuschauer auf der Mauer stießen Rufe der Bewunderung aus.

Obschon von den vordersten Reihen der wutentbrannten Berg-Trolle verfolgt, waren die Fußsoldaten der Legion in den tarnenden Rauch entkommen, und die meisten gelangten, unterstützt von Balinor, der Entsatz brachte, sicher zur Rampe. Am Fuß der Klippe kam es noch einmal zu heftigen Kämpfen, als das Regiment sich bemühte, die herabgelassene Brückenrampe hinaufzuziehen, bevor der Gegner sie erobern konnte. Schließlich wurde sie einfach von den Schanzen abgetrennt und stürzte hinunter auf die Ebene, wo sie nur Augenblicke liegen blieb, bevor die Tyrsianer sie in Brand steckten und vernichteten.

An der linken Abwehrflanke kämpfte die bedrängte Nachhut tapfer, um die andere Rampe zu halten, als Actons Regiment erneut an den Bogenschützen der Gnomen vorbeigaloppierte und wieder Verluste hinnehmen musste. Der Kampf tobte unablässig, und an einer Stelle mussten die Reiter durch die Mitte einer Reihe von Schwertkämpfern stoßen, die ihnen den Fluchtweg abschneiden wollte. Aber endlich erreichten die dezimierten Reiter die Klippe, galoppierten die Rampe hinauf und jagten auf das offene Stadttor zu, wo sie von Massen jubelnder Soldaten und Bürger empfangen wurden. Als der letzte Reiter die Höhe gewann, zog sich die Nachhut schnell hinter ihre Schanzen zurück, und die Rampe wurde in Sicherheit gebracht.

Inzwischen war es Mittag geworden, und die Hitze der Sonne legte sich wie eine feuchte Decke über die Soldaten beider Armeen. Düster und widerwillig zog das Nordland-Heer sich zurück, um neue Aufstellung zu nehmen, Hunderte von Toten und Verwundeten mit sich schleppend. Der Rauch vom brennenden öl hing in Schwaden über dem Grasland, das nun von unheimlicher Stille erfüllt war. Der Erdboden vor der Klippe war übersät mit verkohlten Leichen, und überall loderten noch kleine Brände, wo die Stämme der zerstörten Rampen sich in Asche auflösten. Ein fauliger Gestank stieg vom Schlachtfeld auf, und Aasfresser, die krochen und flogen, tauchten auf, um sich gütlich zu tun. Die Armeen standen einander mit unverhülltem Hass gegenüber, erschöpft und von Schmerzen gepeinigt, aber begierig darauf, mit dem Töten fortzufahren. Einige lange Stunden lag das früher grüne Land leer unter dem wolkenlosen blauen Himmel, während die zernarbte Oberfläche in der Hitze der Sommersonne austrocknete. Diejenigen, die zuließen, dass ihre Vernunft sich dem Wunschdenken beugte, gewannen den Eindruck, dass der Kampf zu Ende war, die Zerstörung sich ausgetobt hatte. Die Gedanken wandten sich vom Töten hoffnungsvoll ab und den Familien und Freunden zu. Der Schatten des Todes verschwand für kurze Zeit.