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»Die Trolle nennen sie Mutens«, flüsterte der Abenteurer. »Nur Ruhe, und vergiss nicht, dass du ein Gefangener bist.«

Eines der missgeformten Wesen sprach schnarrend auf die Trolle ein und deutete kurz auf die gefesselten Männer. Es gab einen Wortwechsel, dann sagte einer der Trolle über die Schulter etwas zu Keltset, der daraufhin Shea und Panamon bedeutete, ihm zu folgen. Die drei Männer lösten sich von der Hauptgruppe. Begleitet von zwei anderen Trollen folgten sie stumm einem der dahintappenden Muten, der sich umdrehte und schwankend auf die Felswand zu ihrer Linken zuging.

Shea schaute kurz um und sah, dass die Trolle sich zu beiden Seiten des Eingangs niederließen, offenbar entschlossen, auf die Rückkehr ihrer Begleiter zu warten. Die anderen Mutens hatten sich nicht bewegt. Shea richtete den Blick wieder nach vorn und sah, dass die Felswand von einem langen Riss gespalten war, der an die hundert Meter hoch hinaufreichte, und dass man durch die Öffnung hineingelangen konnte. Die kleine Gruppe trat in die Felswand, und die Augen mussten sich an die plötzliche Dunkelheit erst gewöhnen. Sie blieben alle stehen, als ihr Führer eine Fackel entzündete und sie geistesabwesend einem der Trolle reichte, bevor er weiterging. Seine eigenen Augen waren an die Dunkelheit wohl gewöhnt.

Sie traten in eine feuchte, übelriechende Höhle, aus der mehrere Tunnels hinausführten. Aus weiter Ferne glaubte Shea schwache, qualvolle Schreie zu hören, die als Echo von den Felswänden widerhallten. Panamon fluchte rau im flackernden Licht, sein breites Gesicht war schweißüberströmt. Der stumme, gedankenlose Muten schlurfte voraus in einen der Gänge, und das schwache Licht aus dem Spalt in der Felsmauer erlosch.

Der laute Widerhall von Stiefeln auf Stein war das einzige Geräusch, als die Männer durch den dunklen Gang schritten. Ihre Augen glitten kurz über die fensterlosen Eisentüren im Gestein zu beiden Seiten des Ganges. Die Schreie klangen immer noch schwach in ihren Ohren, aber sie schienen nun aus größerer Entfernung zu kommen. Aus den Zellen, an denen sie vorbeigingen, drangen keine menschlichen Laute.

Ihr Führer blieb endlich vor einer der schweren Türen stehen, gestikulierte kurz und sprach mit gutturaler Stimme auf die Trolle ein. Er wandte sich ab, um weiterzugehen, und hatte den ersten Schritt getan, als der vorderste Troll seinen mächtigen Streitkolben hob und auf den massigen Schädel des Wesens niedersausen ließ. Der Muten sank leblos zu Boden. Keltset trat an Shea und Panamon heran, um ihnen die Fesseln abzunehmen, während die beiden anderen Trolle wachsam vor der Zellentür standen. Als seine Freunde befreit waren, huschte der riesige Nordländer zur Eisen vor und schob die Riegel zurück. Er packte die Gitterstäbe und zerrte an der uralten Tür. Mit einem schrillen Quietschen ging das hohe Portal auf.

»Jetzt werden wir sehen«, stieß Panamon hervor. Er nahm Keltset die Fackel ab und trat vorsichtig in den kleinen Raum, gefolgt von seinen beiden Begleitern.

Orl Fane kauerte an der Rückwand, die mageren Beine angekettet, die Kleidung zerfetzt und beschmutzt. Es war ganz offenkundig nicht dasselbe Wesen, das sie einige Tage zuvor auf der Ebene von Streleheim gefangengenommen hatten. Orl Fane starrte die drei Gestalten vor sich leer an, lallte vor sich hin und grinste auf schreckliche Weise. Seine Augen waren sonderbar groß, und er schaute sich immer wieder um, während er vor sich hinplapperte, so, als seien noch andere in der Zelle, Wesen, die allein er zu sehen vermochte.

Die beiden Männer und der Riesen-Troll erfassten seinen Zustand mit einem einzigen Blick, und ihre Augen richteten sich sofort auf seine knochigen Hände, die immer noch die verbeulte Scheide aus Leder und Metall umklammerten, in der steckte, was sie so lange gesucht hatten. Der alte Schwertknauf schimmerte stumpf im Licht der Fackel. Sie hatten es gefunden. Sie hatten das Schwert von Shannara gefunden.

Einen Augenblick lang bewegte sich niemand, während der wahnsinnige Gnom das Schwert fester an sich presste. Seine Augen zuckten, als er den Kopf hob und den gefährlichen Haken an Panamons Armstumpf sah, der sich langsam hob. Der Abenteurer trat drohend vor und beugte sich zum mageren Gesicht des Gnomen hinab.

»Ich habe dich lange gesucht, Gnom«, sagte er rau.

Orl Fane schien beim Klang von Panamon Creels Stimme einer plötzlichen Verwandlung unterworfen zu sein. Ein Angstschrei entrang sich seinen Lippen, während er sich noch tiefer in den Winkel der Zelle presste.

»Gib mir das Schwert, du stinkende Ratte!« fuhr ihn Panamon an, packte, ohne auf eine Antwort zu warten, die Waffe und versuchte sie dem entsetzten Gnom zu entreißen. Obwohl ihm aber der Tod ins Angesicht starrte, ließ Orl Fane seinen kostbaren Besitz nicht los. Seine Stimme schwoll zu einem gellenden Schrei an, und Panamon hieb die schwere Eisenkante um seine Hakenhand in plötzlicher Wut auf den Schädel des Gnomen. Orl Fane sank bewusstlos zu Boden.

»Wie lange wir diese elende Kreatur verfolgt haben!« rief Panamon. Er verstummte plötzlich und fuhr mit flüsternder Stimme fort: »Ich dachte, ich würde wenigstens das Vergnügen haben, ihn sterben zu sehen, aber ... es lohnt nicht mehr.« Angewidert griff er nach dem Knauf des Schwertes, um dieses herauszuziehen aus der Scheide, aber Keltset trat vor und legte warnend die Hand auf seine Schulter. Der Dieb schaute sich zornig um, doch der riesenhafte Troll wies nur stumm auf Shea. Creel begriff und trat ebenso zurück wie Keltset.

Das Schwert von Shannara war Sheas Geburtsrecht, aber er zögerte. Er war so weit gekommen, hatte so vieles durchgemacht für diesen einen Augenblick - und nun packte ihn die Angst. Einen Augenblick lang erwog er, sich zu weigern, weil er wusste, dass ein Teil von ihm die schreckliche Verantwortung, die er übernehmen sollte, nicht zu tragen vermochte - eine Verantwortung, die ihm aufgezwungen worden war. Er entsann sich blitzartig der ungeheuren Kraft der drei Elfensteine. Wie stand es dann um die Macht des Schwertes von Shannara? Er sah vor sich die Gesichter von Flick und Menion und den anderen, die so viel getan hatten, damit er das Schwert zu erlangen vermochte. Wenn er sich jetzt abwandte, verriet er alles, was Bedeutung hatte. Er verriet das Vertrauen der anderen, er sagte ihnen praktisch, es sei sinnlos gewesen, was sie getan hatten. Wieder sah er das dunkle, rätselhafte Gesicht Allanons vor sich, hörte, wie der schwarze Wanderer ihn wegen seiner albernen Gedanken rügte, seiner Weigerung, die Menschen so zu sehen, wie sie waren. Er würde sich auch vor ihm verantworten müssen, und Allanon würde nicht erbaut sein ...

Steif trat er vor den hingestürzten Orl Fane und bückte sich, schloss die Finger fest um den kalten Metallknauf der Waffe, spürte die Reliefform der brennenden Fackel in seiner schwitzenden Hand. Er stockte. Dann zog er das Schwert von Shannara langsam heraus aus der Scheide.

32

Der zweite Tag der Schlacht um Tyrsis wurde Zeuge eines ebenso schrecklichen Gemetzels unter den Soldaten der Nordland-Armee wie der erste. Die riesige Invasionsstreitmacht griff in der Morgendämmerung an, marschierte unter dem dumpfen Klang der Gnomen-Kriegstrommeln auf die Klippe zu, kam hundert Meter davor zum Stehen. Wieder wurde es still, dann setzte die Armee unter ohrenbetäubendem Geschrei zum Sturmangriff an. Ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit warfen sich die Angreifer Welle um Welle gegen die äußere Verteidigungslinie der Grenzlegion. Sie kamen ohne die riesigen Rampen, die neu zu bauen keine Zeit geblieben war, und verließen sich statt dessen auf Tausende kleiner Sturmleitern und Wurfanker. Es war ein barbarischer, gnadenloser und erbitterter Kampf. Hunderte von Nordländern starben schon in den ersten Minuten.

Da Acton gefallen war, zog Balinor es vor, das berittene Regiment nicht ein zweites Mal zu einem Gegenangriff einzusetzen. Statt dessen hielt er es für angebracht, sich mit allen Leuten einzugraben und die Stellung zu halten, solange es ging. Brennendes Öl und die Bogenschützen der Legion stoppten die ersten Wellen des Angriffs, aber diesmal ergriff der Feind nicht die Flucht. Er rückte mit endlosen Kolonnen an, ohne Unterbrechung, und es gelang ihm, bis zum Fuß des Hochplateaus vorzudringen, wo die Sturmleitern angelegt wurden. Schwärme kreischender Nordländer kletterten hinauf, und die Schlacht löste sich auf in zahllose Kämpfe Mann gegen Mann.