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Die hochragende Gestalt Ginnissons warf sich in die Bresche, und seine roten Haare flatterten, als er verzweifelt darum kämpfte, die Linie zu halten. Die Trolle wurden Schritt für Schritt zurückgetrieben, als Balinor von rechts ebenso vorrückte wie Messaline von hinten. Es war der grausigste Kampf Mann gegen Mann, den Durin bislang erlebt hatte, und er sah fassungslos zu, wie die Berg-Trolle die Männer der Grenzlegion abwehrten und wieder vorstießen. Einen Augenblick später gab es in der Phalanx erneut eine Bresche, und Ginnisson tauchte unter, als der Ansturm der Trolle ihn überrollte und die riesigen Wesen sich zu den Kasernen und zur Innenmauer wälzten.

Durin befand sich direkt dazwischen. Es wäre vielleicht noch Zeit geblieben, die sicheren Mauern zu erreichen, aber der Elf lag schon auf einem Knie, den Bogen gespannt. Der erste Troll fiel in fünfzig Schritt Entfernung, der zweite zehn Schritte näher, der dritte zwanzig. Legionäre von den Mauern beeilten sich, anzugreifen, und die Bogenschützen auf der niedrigeren Innenmauer versuchten verzweifelt, die Eindringlinge zurückzuwerfen. Unmittelbar vor dem Elf war alles Chaos, als Trolle und Legionäre auf ihn zufluteten, in gnadenlose Kämpfe von Mann gegen Mann verwickelt. Die massigen Nordländer ließen sich immer noch nicht aufhalten, und Durin schoss seinen letzten Pfeil ab.

Er warf den Bogen weg und dachte zum erstenmal an Flucht. Es blieb jedoch keine Zeit mehr, und er vermochte gerade noch ein Schwert vom Boden aufzuraffen, als die Masse der Kämpfenden ihn auch schon erreichte. Er rang wild um sein Gleichgewicht, wurde zurückgetrieben an die Kasernenmauer. Ein riesiger Berg-Troll ragte vor ihm auf, eine schwarze Masse rindenartiger Haut und Rüstung, und der Elf warf sich verzweifelt zur Seite, als ein enormer Streitkolben herabsauste. Er spürte einen stechenden Schmerz an der linken Schulter. Grimmig kämpfte er darum, sich aufrecht zu halten, und die Schmerzen durchfluteten seinen Körper, aber er stürzte schon. Er lag mit dem Gesicht auf der Erde und atmete keuchend. Eine entsetzliche Schwere lastete auf ihm, als er fühlte, wie der Kampf sich von ihm entfernte. Er versuchte, etwas zu erkennen, aber die Anstrengung war zu groß, und er versank in Bewusstlosigkeit, die nur zu Anfang noch von Schmerzfluten durchzuckt wurde.

Menion Leah beugte das blutverschmierte Gesicht über Höndels Leiche und hob die schlaffe Gestalt vorsichtig hoch. Mit schleppenden, mechanischen Schritten suchte er sich einen Weg zwischen den Leichen der Feinde zu bahnen, erreichte die Treppe und stieg langsam die Stufen hinauf zur offenen Tür, stieg, ohne hinzusehen, über den kopflosen Klumpen in scharlachroten Gewändern, der mitten auf der uralten Steintreppe lag. Wie ein Schlafwandler schritt der Hochländer durch die Tür und den leeren Korridor, die leblose Gestalt des Zwerges auf den Armen. Er schritt dahin mit leerem Blick, das Gesicht verzerrt von einem schrecklichen Ausdruck, dessen Qual stumm nach Erlösung schrie. Er erreichte die große Eingangshalle und blieb stehen, als im Ostkorridor schnelle Schritte laut wurden. Er legte seine Last sanft auf den Boden und blieb ruhig stehen, als das schlanke Mädchen mit den roten Haaren vor ihm auftauchte, das Gesicht tränenüberströmt.

»O Menion«, flüsterte sie. »Was haben sie getan?« Seine Augen zuckten, seine Lippen bewegten sich stumm, als er nach Worten rang, die nicht kommen wollten. Shirl schlang die Arme um ihn und presste ihr Gesicht an seine Brust. Sie spürte seine starken Arme an ihren Schultern, dann löste sich die furchtbare Qual in seinem Inneren und überflutete sie, um sich in ihrem Schweigen und ihrer Wärme aufzulösen.

Auf der Innenmauer überprüfte Balinor die Verteidigungslinie der Legion und atmete tief ein. Die Soldaten des Nordland-Heeres versammelten sich schon zum letzten Ansturm. Augenblicke zuvor war der für unüberwindbar gehaltene Außenwall gefallen, und die tapferen Soldaten der Grenzlegion waren gezwungen gewesen, sich auf die zweite Verteidigungslinie zurückzuziehen. Balinor schaute grimmig hinunter, als der Feind die Außenmauer überwand. Er umklammerte den Knauf seines Breitschwertes, bis seine Knöchel unter dem Kettenhemd weiß hervortraten. Rock und Umhang waren bei dem schrecklichen Kampf gegen die Trolle zerfetzt worden. Balinor hatte die Mitte der Phalanx gehalten, aber beide Flügel waren zusammengebrochen. Ginnisson war getötet worden, Messaline schwer verwundet, und Hunderte von Südländern waren bei der Verteidigung umgekommen. Selbst Durin war im Kampfgetümmel verschwunden. Nun stand der König von Callahorn allein.

Er gab den Männern unten am Tor ein Zeichen. Der Kettenpanzer an seinem Arm schimmerte im ergrauenden Licht, und man sah, dass zahlreiche Hiebe das schützende Metall verformt hatten. Für Augenblicke ließ er zu, dass Mut und Hoffnung von der schwärzesten Verzweiflung verdrängt wurden. Alle hatten ihn im Stich gelassen. Eventine und die Elfen-Armee. Allanon. Das ganze Südland. Tyrsis stand am Rand der Vernichtung, mit der Stadt das ganze Land Callahorn, und niemand hatte sich eingefunden, um Beistand zu leisten. Die Legion hatte allein gekämpft, um alle anderen zu retten - die letzte Abwehr des Südlandes. Welchen Zweck hatte das erfüllt? Er ermannte sich und schob Zweifel und Bedrückung beiseite. Dies war nicht die Zeit, den Mut zu verlieren. Es galt viele Leben zu retten, und er war derjenige, auf den sich die anderen verließen.

Die Nordland-Armee baute ihre Reihen vor der Innenseite der Außenmauer auf, brachte die Sturmleitern, Seile und Wurfanker in Bereitschaft für den Angriff. Schon hatten einzelne Trupps von Berg-Trollen die Innenmauer während des Kampfes auf dem Exerzierplatz erklettert und waren in die Innenstadt eingedrungen. Balinor fragte sich kurz, was aus dem zuverlässigen Höndel und Menion Leah geworden sein mochte. Anscheinend hatten sie den Palast rechtzeitig erreicht und jeden Angriff von hinten unterbunden, sonst wäre die Stadt schon erobert worden. Nun würden sie sich halten müssen, für den Fall, dass vereinzelte Trupps des Feindes die Innenmauer überwanden und sich zum Palast durchkämpften.

Rußflocken aus den dicken Rauchwolken versengten ihm die Augen, und er rieb sie, bis sie heftig tränten. Alles schien von einem dichten, grauen Nebel umgeben zu sein, als er einen Blick auf die Befestigungen warf. Die Legion war in einer unhaltbaren Verteidigungsposition gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen Feind, den alle seine bisherigen Verluste immer noch nicht entscheidend schwächten .Balinor dachte an Höndels Worte nach dem Tod des alten Königs und seines jüngeren Sohnes. Der letzte Buckhannah. Der Name würde mit ihm sterben, vergehen wie Tyrsis und seine Einwohner. Das nun schon vertraute Gebrüll drang in dröhnendem Chor aus den Kehlen der Nordland-Leute, und sie stürzten sich rücksichtslos auf die verteidigte Mauer. Die lange Narbe an der Wange Balinors färbte sich dunkelrot, und er hob drohend sein Schwert.

Im selben Augenblick erreichten die ersten zerstreuten Überreste der Troll-Vorhut die Brücke von Sendic und sammelten sich. Eine Reihe entschlossener Legionäre hielt die Brücke besetzt und versperrte den Zugang zum Schloss der Buckhannahs. Janus Senpre stand vor den anderen, neben ihm Menion Leah in aufrechter Haltung, das Schwert von Leah mit beiden Händen umklammernd, auf der anderen Seite Dayel, das jugendliche Gesicht angespannt. Hinter den Berg-Trollen wälzte sich Rauch heran, als die Gebäude der Stadt in Flammen aufgingen. Schreckensschreie übertönten den Kampfeslärm an der Innenmauer. In der Ferne sah man Gestalten über die verlassene Hauptstraße huschen. Stumm standen die Gegner einander gegenüber, und die Zahl der Trolle wuchs rasch an, als immer mehr auftauchten, um die eigenen Reihen zu verstärken. Sie betrachteten die Südländer mit dem ruhigen, erfahrenen Blick von Berufssoldaten, zuversichtlich in ihrem Wissen, die besten Kämpfer der Welt zu sein. Die Verteidiger auf der Brücke zählten keine fünfzig Mann.