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»Nein, Ihr habt recht gehabt«, antwortete Shea langsam. »Ich bin nicht sicher, dass ich die Wahrheit ertragen hätte.«

Allanon legte den Kopf ein wenig schief, als erwäge er die Möglichk eit.

»Ich hätte mehr Vertrauen zu dir haben sollen, Shea, aber ich hatte Angst.« Er machte eine Pause, als Shea ihn zweifelnd ansah. »Du glaubst mir nicht, aber es ist wahr. Dir und allen anderen bin ich immer übermenschlich erschienen. Es war notwendig, sonst hättest du deine Rolle nie spielen können. Aber ein Druide ist trotzdem nur ein menschliches Wesen. Und du vergisst etwas. Bevor er zum Dämonen-Lord wurde, war Brona ein Druide. Bis zu einem gewissen Grad müssen die Druiden also die Verantwortung dafür mittragen, was aus ihm wurde. Wir haben zugelassen, dass er sich zum Dämonen-Lord entwickelte. Unser Wissen lieferte ihm die Gelegenheit dazu; unsere Absonderung vom Rest der Welt erlaubte ihm, sich zu entwickeln. Es hätte dazu kommen können, dass die ganze Menschheit versklavt oder vernichtet worden wäre, und die Schuld hätte bei uns gelegen. Die Druiden hatten zweimal die Gelegenheit, ihn zu vernichten - und zweimal gelang es ihnen nicht. Ich war der Letzte in der Reihe. Scheiterte auch ich, wäre niemand mehr da gewesen, der die Menschen vor dem Bösen hätte schützen können. Ja, ich hatte Angst. Ein kleiner Fehler, und Brona wäre für immer Sieger geblieben.« Die Stimme des Druiden sank zu einem Flüstern herab, und er starrte auf den Boden. »Du musst noch etwas erfahren. Brimen war mehr als ein Vorfahre. Brimen war mein Vater.«

»Euer Vater!« Shea wurde für einen Augenblick hellwach. »Aber das kann nicht -«

Allanon lächelte schwach, als Shea unsicher verstummte.

»Manchmal wirst du wohl geahnt haben, dass ich älter war, als ein normaler Mensch es werden konnte. Nach dem Ersten Krieg der Rassen entdeckten die Druiden das Geheimnis der Langlebigkeit. Aber sie fordert einen Preis - einen Preis, den Brona nicht bezahlen wollte. Sie erfordert vieles, vor allem Disziplin, Shea. Sie ist kein Geschenk. Und für unsere wache Zeit sammeln wir eine Schuld an, die durch eine besondere Art von Schlaf abgetragen werden muss, indem wir uns vom Altern erholen. Es bedarf vieler Schritte zur Langlebigkeit, und manche davon sind nicht angenehm. Nicht ein einziger ist leicht. Brona suchte nach einem anderen Weg, nach einem, der diesen Preis nicht kostete, nicht diese Opfer, aber am Ende fand er nur Illusion.« Der Druide schien sich für lange Augenblicke in sich selbst zurückzuziehen, dann fuhr er fort: »Brimen war mein Vater. Er hatte die Chance, der Bedrohung durch den Dämonen-Lord ein Ende zu machen, aber er beging zu viele Fehler, und Brona entkam ihm. Seine Flucht hatte mein Vater zu verantworten - und wenn der Dämonen-Lord mit seinen Plänen Erfolg gehabt hätte, wäre die Schuld meinem Vater zuzumessen gewesen. Ich lebte mit der Angst davor, bis eine Besessenheit daraus wurde. Ich schwor mir, diese Fehler nicht zu wiederholen. Ich fürchte, ich hatte nie rechtes Vertrauen zu dir, Shea. Ich befürchtete, du könntest zu schwach sein für deine Aufgabe, und ich verbarg die Wahrheit, um meine eigenen Zwecke zu fördern. Ich bin in vieler Beziehung ungerecht zu dir gewesen. Aber du warst meine letzte Chance, meinen Vater zu erlös en, mein eigenes Gewissen zu befreien und die Verantwortung der Druiden für die unheilvolle Entstehung von Brona für immer zu löschen.« Er zögerte und blickte Shea in die Augen. »Ich habe mich geirrt, Shea. Du warst ein besserer Mann, als ich es dir zugetraut habe.«

Shea lächelte und schüttelte langsam den Kopf.

»Nein, Allanon. Ihr sprecht immer davon, dass man hinterher leicht klüger sein könne. Sagt Euch das selbst zu Eurer Erleichterung.«

Der Druide erwiderte Sheas Lächeln.

»Ich würde mir wünschen ... würde mir wünschen, dass wir mehr Zeit hätten, Shea Ohmsford. Zeit, um einander besser kennen zulernen. Aber ich habe eine Schuld abzutragen ... nur allzu bald -« Er verstummte beinahe traurig und senkte den Kopf. Der verwunderte Talbewohner wartete einen Augenblick, weil er glaubte, Allanon werde noch etwas sagen, aber sein Gegenüber blieb stumm.

»Dann bis morgen.« Shea streckte sich müde aus und wickelte sich fester in den Mantel. »Wir haben eine lange Reise zurück ins Südland vor uns.«

Allanon schwieg eine Weile.

»Deine Freunde sind in der Nähe und suchen dich«, sagte er schließlich. »Wenn sie dich finden, berichtest du ihnen dann alles, was ich dir erzählt habe?«

Shea hörte ihn kaum mehr. Seine letzten Gedanken vor dem Einschlafen beschäftigten sich mit Shady Vale und der Hoffnung auf baldige Rückkehr in die Heimat.

»Das könnt Ihr besser als ich«, murmelte er.

Wieder blieb es still. Dann hörte er Allanon in der Dunkelheit rascheln, und als der hochgewachsene Mann wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme seltsam fern.

»Das kann ich vielleicht nicht, Shea. Ich bin sehr müde - ich habe mich verausgabt. Für eine Weile muss ich ... schlafen.«

»Bis morgen«, murmelte Shea. »Gute Nacht.«

Die Stimme des Druiden drang als Flüstern zu ihm.

»Leb wohl, mein junger Freund. Leb wohl, Shea.«

Aber Shea schlief schon.

Shea fuhr aus dem Schlaf hoch, überflutet von Sonnenlicht, und riss die Augen auf, als er Hufgetrappel und Schritte hörte. Er sah sich umgeben von schmalen, schlaksigen Gestalten in Waldläuferkleidung. Instinktiv tastete er nach dem Schwert von Shannara und setzte sich auf, die Augen zusammengekniffen, um die Gesichter zu erkennen. Es waren Elfen. Einer von ihnen, ein Mann mit hartem Gesicht, löste sich aus der Gruppe und beugte sich zu Shea herab. Durchdringende, scharfe Augen bohrten sich in die des Talbewohners, und eine feste Hand legte sich auf seine Schulter.

»Ihr seid unter Freunden, Shea Ohmsford. Wir sind Eventines Leute.«

Shea stand langsam auf, noch immer das Schwert in der Faust.

»Allanon ...?« fragte er und schaute sich nach dem Druiden um.

Der Fremde zögerte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf.

»Sonst ist niemand hier. Nur Ihr.«

Betroffen ging Shea an ihm vorbei, durch den Ring der Reiter, und suchte mit den Augen die breite Schlucht ab. Grauen Fels und Staub, mehr sah er nicht. Außer den Elfen-Reitern und ihm selbst war niemand hier. Da fiel ihm etwas ein, das der Druide in der Nacht gesagt hatte - und er wusste, dass Allanon wirklich fort war.

»Schlafen ...« flüsterte Shea vor sich hin. Steif wandte er sich den wartenden Elfen zu, stockte aber, als ihm die Tränen übers Gesicht zu laufen begannen. Allanon würde wiederkommen, wenn sie ihn brauchten, dachte er. So wie immer. Er wischte die Tränen weg und starrte ins tiefe Blau des Nordlandhimmels. Einen Augenblick lang schien es, als höre er die Stimme des Druiden aus weiter Ferne rufen. Er lächelte schwach.

»Leb wohl, Allanon«, sagte er leise.

35

So ging es zu Ende. Kaum zehn Tage später verabschiedeten sich diejenigen zum letzten mal voneinander, welche von der kleinen Gruppe noch übrig waren. Es war ein heller, klarer Tag, voll Sonnenschein und sommerlicher Frische. Von Westen her strich ein sanfter Wind über den smaragdgrünen Grasteppich des Landes um Tyrsis, und in der Ferne ertönte das träge Rauschen des Mermidon in der frühmorgendlichen Stille. Sie standen an der Straße, die aus der ummauerten Stadt herausführte - Durin und Dayel, der erstere mit geschientem und verbundenem Arm. Dayel hatte ihn unter den Verwundeten gefunden. Seine Heilung machte große Fortschritte. Balinor Buckhannah im Kettenhemd und blauen Reitumhang. Ein noch immer blasser Shea Ohmsford. Der getreue Flick. Und Menion Leah. Sie unterhielten sich einige Zeit leise miteinander, lächelten tapfer, versuchten, sich freundschaftlich und entspannt zu geben, ohne dass es ihnen so recht gelungen wäre, und blickten von Zeit zu Zeit auf die in der Nähe angepflockten Pferde. Schließlich schwiegen alle verlegen, man reichte sich die Hände und versprach sich murmelnd, einander bald zu besuchen. Es war ein schmerzlicher Abschied. Alles Lächeln und alle Händedrücke waren eingebettet in Traurigkeit.