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Wie durch ein Wunder gelangten sie hinüber. Im Wald blieben sie keuchend stehen und lauschten auf die Geräusche im Paß. Das Gelände davor war verlassen, bis auf eine kleine Gruppe von Gnomen, die sich um den verwundeten Häuptling bemühten. Menion lachte leise in sich hinein. Sein Lächeln verschwand aber, als er auf das an der Nordseite lodernde Feuer blickte. Die aufgebrachten Gnome kletterten von allen Seiten hinauf. Es war ein Gewimmel von kleinen, gelben Leibern, und die ersten hatten das Feuer fast schon erreicht.

Von Höndel war nichts zu sehen, aber allem Anschein nach mußte er irgendwo am Nordhang in einer Falle stecken.

Die vier Männer schauten nicht lange hinüber, dann gab ihnen Balinor ein Zeichen, ihre Last wieder aufzunehmen. Der Jade-Paß blieb zurück.

Es war dunkel im dichten Wald, als die Männer den Feuerschein hinter sich verschwinden sahen. Balinor schickte den Prinzen von Leah an die Spitze und trug ihm auf, an den Südhängen abwärts zu steigen, bis er einen Weg finden würde, der sie nach Westen führte. Sie brauchten nicht lange, um einen solchen Pfad zu erreichen, und die kleine Mannschaft gelangte in den Zentral-Anar. Die Wipfel der Bäume ringsum verdeckten die Sterne, die hohen Bäume standen wie schwarze Mauern am Weg. Shea und Flick warfen sich auf den Bahren wieder hin und her und stöhnten vernehmbar, trotz der dicken Knebel. Die Träger begannen die Hoffnung für ihre jungen Schützlinge aufzugeben. Das Gift breitete sich unaufhaltsam in deren Körpern aus, und wenn es in größerer Menge deren Herzen erreichte, würde das Ende schnell eintreten.

Die vier Männer wußten nicht, wieviel Zeit den Brüdern noch blieb, und vermochten nicht abzuschätzen, wie weit sie von medizinischer Hilfe entfernt waren. Der einzige, der das Zentral-Anar kannte, befand sich hinter ihnen und lief um sein Leben.

Plötzlich, so schnell, daß die vier keine Zeit fanden, den Pfad zu verlassen, um in Deckung zu gehen, tauchte aus der Wand von Bäumen ein Trupp Gnome auf. Einen Augenblick lang erstarrten alle und gafften einander perplex an. Beide Seiten brauchten aber nur Sekunden, um zu erkennen, mit wem sie es zu tun hatten. Die vier Männer stellten die Bahren ab und sprangen vor, um sich auf dem Weg nebeneinander aufzustellen. Die Gnome, im ganzen zehn oder zwölf, drängten sich kurz zusammen, dann verschwand einer von ihnen im Wald.

»Er holt Hilfe«, flüsterte Balinor den anderen zu. »Wenn wir nicht schnell an ihnen vorbeikommen, rückt Verstärkung an, und wir sind erledigt.«

Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als die anderen Gnome einen gellenden Kampfruf ausstießen und gegen die vier anstürmten, mit kurzen, glänzenden Schwertern. Die lautlosen Pfeile von Menion und den Elfen-Brüdern warfen drei Gnome zu Boden, bevor der Rest sich gleich wilden Wölfen auf sie stürzte. Dayel wurde niedergerissen und verschwand unter den Leibern. Balinor hielt stand, als sein riesiges Schwert zwei Gnome nacheinander tötete. Die nächsten Minuten hörte man nur Aufschreie und Keuchen, als der Kampf auf dem schmalen Weg hin- und her wogte. Die Gnome versuchten, unter den langen Armen der Männer wegzutauchen, während die vier Verteidiger bemüht waren, ihre Stellung zwischen den wilden Angreifern und den bewußtlosen Brüdern zu halten. Am Ende lagen alle Gnome tot auf dem blutgetränkten Pfad, ihre Leiber bildeten kleine, traurige Haufen im schwachen Licht der Sterne. Dayel hatte eine ernsthafte Wunde am Brustkorb erlitten, die verbunden werden mußte, und Menion und Durin hatten eine Reihe kleiner Blessuren davongetragen. Balinor war unverletzt; ihn hatte der Kettenpanzer geschützt.

Die vier nahmen sich nur die Zeit, Dayels Wunde zu versorgen, bevor sie sich wieder die Bahren aufluden und auf dem verlassenen Weg weiterliefen. Sie hatten Anlaß genug, sich noch mehr zu beeilen. Die Gnome würden bald auf ihrer Fährte sein, sobald sie ihre gefallenen Kameraden fanden.

Menion versuchte am Stand der Sterne die Stunde zu schätzen und sich auszurechnen, wie lange sie seit Sonnenuntergang unterwegs waren, konnte aber nur vermuten, daß es früher Morgen sein mußte. Er spürte, wie die Erschöpfung sich in seinen schmerzenden Armen und gepeinigten Schultern ausbreitete, während er schnell hinter Balinor herging, der die Führung übernommen hatte. Sie waren alle dem Zusammenbruch nahe, überfordert von dem langen Marsch und von ihren Begegnungen zuerst mit dem Ungeheuer im Wolfsktaag und dann mit den Gnomen. Auf den Füßen hielten sie sich im Grunde nur noch, weil sie wußten, was den Brüdern gewiß war, wenn der Marsch nicht fortgesetzt wurde. Trotzdem brach dreißig Minuten nach dem kurzen Kampf mit der Gnomen-Nachhut Dayel infolge Blutverlusts und Erschöpfung mitten auf dem Weg zusammen. Die anderen brauchten mehrere Minuten, um ihn wieder zu sich zu bringen und auf die Beine zu stellen. Und danach ging es nur noch langsam vorwärts.

Balinor mußte bald Halt gebieten, um ihnen eine unaufschiebbare Rast zu gewähren. Sie lagen erschöpft am Weg und lauschten bedrückt dem zunehmenden Lärm ringsum. Seit ihrer Begegnung auf dem Pfad hatte das Schreien, vermischt mit Trommelschlägen, wieder eingesetzt. Anscheinend waren die Gnome nun schon über ihre Anwesenheit informiert und hatten eine große Anzahl von Jagdkommandos eingesetzt.

Es klang, als sei der ganze Anar belebt von wütenden Gnomen, die durch die Wälder hetzten, um den Feind zu finden, der am Paß entwischt war und zehn oder elf ihrer Leute getötet hatte. Menion sah müde auf die jungen Talbewohner, deren Gesichter kalkweiß und schweißüberströmt waren. Er konnte sie leise stöhnen hören, sah, wie ihre Glieder sich verkrampften, während das Gift unbarmherzig durch ihre Adern strömte. Er sah sie an und hatte plötzlich das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben, als sie ihn am nötigsten brauchten; nun würden sie den Preis für sein Versagen bezahlen müssen.

Er wurde zornig, wenn er an die unsinnige Idee der Reise nach Paranor dachte, um das Überbleibsel aus einer anderen Zeit holen zu wollen, auf die vage Aussicht hin, sich oder irgend jemand anderen vor einem Wesen wie dem Dämonen-Lord zu retten. Aber er wußte auch, während er das dachte, daß es falsch war, nun etwas in Zweifel zu ziehen, was sie von Anfang an für nicht mehr als eine entfernte Möglichkeit gehalten hatten. Er blickte erschöpft auf Flick und fragte sich, warum sie nicht bessere Freunde hatten sein können.

Durins warnendes Zischen trieb sie alle von dem offenen Weg in den Wald hinein, wo sie sich zu Boden warfen, um atemlos zuwarten. Einen Augenblick später hörten sie laute Schritte auf dem Weg, und aus der Richtung, aus der sie gekommen waren, marschierte ein Trupp von Gnomen auf ihr Versteck zu. Balinor sah sofort, daß es zu viele waren für einen Kampf, und legte die Hand auf Menions Schulter, der sich erheben wollte. Die Gnome marschierten den Pfad entlang, die gelben Gesichter schimmerten im Sternenlicht, während ihre weit auseinanderstehenden Augen besorgt in den dunklen Wald blickten. Die Gnome erreichten die Stelle, wo wenige Meter entfernt die Verfolgten im Wald lagen. Die Gnome merkten nichts und rückten weiter vor. Als sie verschwunden waren und man nichts mehr hörte, wandte Menion sich Balinor zu.

»Es ist aus, wenn wir Allanon nicht finden. Unter diesen Umständen werden wir Shea und Flick keine Meile weit mehr tragen können.«

Balinor nickte stumm. Er kannte ihre Lage. Er wußte aber ebenso gut, daß sie nicht aufgeben durften. Sie konnten die Brüder auch nicht im Wald liegenlassen und hoffen, sie später wieder zu finden. Er bedeutete also den anderen erbarmungslos, aufzustehen. Wortlos packten sie die Tragbahren und marschierten stumpf weiter, wissend, daß die Gnome nun nicht nur hinter, sondern auch vor ihnen waren. Menion fragte sich erneut, was dem mutigen Höndel zugestoßen sein mochte. Es schien unmöglich zu sein, daß selbst der einfallsreiche Zwerg mit all seiner Erfahrung den zornigen Gnomen für längere Zeit hatte entkommen können. Jedenfalls konnte aber auch der Zwerg nicht in schlechterer Verfassung sein als sie. Wenn die Gnome sie wiederfanden, bevor sie in Sicherheit waren, gab es kaum Hoffnung.