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Wieder nahmen Durins scharfe Ohren das Geräusch von Schritten, die nahten, wahr, und alle sprangen hinter die schützenden Bäume. Sie hatten den Weg kaum verlassen und sich ins Dickicht verzogen, als zwischen den Bäumen vor ihnen Gestalten auftauchten. Selbst im trüben Licht der Sterne machten Durins scharfe Augen den Anführer der kleinen Gruppe sofort als einen Riesen von Mann, gekleidet in einen wallenden schwarzen Mantel, aus. Einen Augenblick später sahen ihn auch die anderen. Es war Allanon. Aber Durins Warngeste unterdrückte die Ausrufe der Erleichterung auf Balinors und Menions Lippen im letzten Augenblick. Sie starrten mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit und sahen, daß die kleinen Gestalten in weißen Umhängen, die den Historiker begleiteten, unzweifelhaft Gnome waren.

»Er hat uns verraten!« zischte Menion und griff instinktiv nach seinem langen Jagdmesser.

»Nein, wartet!« flüsterte Balinor scharf und bedeutete den anderen, still liegen zu bleiben, als die Gruppe sich ihrem Versteck näherte.

Allanons hochgewachsene Gestalt kam heran, und die tiefliegenden Augen waren starr nach vorn gerichtet. Seine dunkle Stirn zeigte scharfe Furchen. Menion wußte instinktiv, daß man sie entdecken würde, und spannte die Muskeln zum Sprung auf den Weg an, wo sein erster Hieb den Verräter niederstrecken mußte. Daß er keine zweite Chance bekommen würde, war ihm klar. Die weißgekleideten Gnome folgten ihrem Anführer scheinbar ohne besonderes Interesse.

Plötzlich blieb Allanon stehen und schaute sich erstaunt um, als nehme er ihre Gegenwart wahr. Menion wollte aufspringen, aber eine schwere Hand drückte ihn nieder.

»Balinor!« rief der schwarze Wanderer mit ruhiger Stimme, trat aber nicht vor, während er sich erwartungsvoll umsah.

»Laß mich los!« faucht Menion.

»Sie haben keine Waffen.« Balinors Stimme erstickte seinen Zorn und veranlaßte ihn, die weißgekleideten Gnome um den Historiker näher zu mustern. Sie waren in der Tat waffenlos.

Balinor stand auf und trat in die Lichtung hinaus, sein großes Schwert fest umklammernd. Menion folgte ihm und sah auch die schlanke Gestalt Durins zwischen den Bäumen, einen Pfeil am Bogen. Allanon trat mit einem Seufzer der Erleichterung heran und griff nach Balinors Hand, erstarrte aber, als er das Mißtrauen in den Augen des anderen und die Bitterkeit in der Miene Menions sah. Er wirkte einen Augenblick verwirrt, dann schaute er sich plötzlich nach den kleinen Gestalten um.

»Nein, keine Sorge!« sagte er hastig. »Das sind Freunde. Sie haben keine Waffen und hassen euch nicht. Es sind Heilkundige, Ärzte.«

Einen Augenblick lang regte sich niemand, dann steckte Balinor das Schwert ein und ergriff Allanons ausgestreckte Hand. Menion folgte seinem Beispiel, ohne den Argwohn gegenüber den Gnomen ganz aufzugeben.

»Nun erzählt, was geschehen ist«, sagte Allanon, der das Kommando über den kleinen Trupp wieder übernommen hatte. »Wo sind die anderen?«

Balinor schilderte hastig, was ihnen im Wolfsktaag widerfahren war. Als Allanon von den Verletzungen der Brüder erfuhr, wandte er sich sofort an die Gnome und erklärte dem mißtrauischen Menion, daß sie seine Freunde behandeln würden. Balinor setzte seinen Bericht fort, während die weißgekleideten Gnome zu den Brüdern eilten und ihnen eine Flüssigkeit aus kleinen Fläschchen einflößten. Menion schaute besorgt zu und fragte sich, weshalb diese Gnome sich von den anderen unterschieden. Als Balinor zu Ende kam, schüttelte Allanon mißmutig den Kopf.

»Das war mein Fehler, meine falsche Beurteilung«, murmelte er zornig. »Ich bin in meinen Plänen zu weit vorausgeeilt und habe nicht sorgsam genug auf unmittelbare Gefahren geachtet. Wenn die beiden sterben, war das ganze Unternehmen umsonst.« Er sprach wieder mit den hin- und herhuschenden Gnomen, und einer von ihnen eilte auf dem Weg in Richtung Jade-Paß davon.

»Ich habe einen zurückgeschickt, damit er feststellt, was mit Höndel geschehen ist. Wenn ihm etwas zugestoßen sein sollte, liegt die Schuld allein bei mir«, erklärte Allanon.

Er befahl den Gnomen-Ärzten, die Vergifteten zu tragen, und die ganze Gruppe machte sich nach Westen auf den Weg.

Auch um Dayels Wunde hatte man sich gekümmert, so dass er ohne Hilfe gehen konnte. Unterwegs erklärte Allanon, weshalb sie hier nicht mehr auf böse Gnomen-Trupps stoßen würden.

»Wir nähern uns dem Land der Stors, jener Gnomen, die mit mir gekommen sind«, sagte er. »Sie sind Heilkundige, abgesondert von den anderen Gnomen-Nationen und allen anderen Rassen, bestrebt, jenen zu helfen, die Zuflucht oder medizinischen Beistand nötig haben. Sie regieren sich selbst, leben abseits der kleinen Streitigkeiten anderer Nationen — etwas, das den Menschen nie gelungen ist.

In diesem Teil der Welt werden sie von allen geachtet und geschätzt. Ihr Land, das wir bald erreichen, wird Storlock genannt.

Es ist geheiligter Boden, den kein Kriegertrupp der Gnomen zu verletzen wagen würde, wenn man ihn nicht auffordert, ihn zu betreten, und ihr könnt sicher sein, daß eine solche Einladung nicht erfolgen wird.«

Er erklärte weiter, daß er seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen zu diesem harmlosen Stamm unterhalte, seine Geheimnisse mit ihm teile und oft monatelang bei ihm lebe. Man könne sich darauf verlassen, daß die Stors die beiden jungen Brüder gesundpflegen würden. Sie seien die klügsten Heilkundigen auf der Welt, und es sei kein Zufall, dass sie den Historiker begleiteten, als er durch den Anar zurückkehrte, um die anderen am Jade-Paß zu treffen. Von einem angstvollen Gnomen-Kurier, den er auf dem Weg an der Grenze zu Storlock getroffen habe, über die Ereignisse unterrichtet, habe er die Stors gebeten, ihm bei der Suche nach seinen Freunden behilflich zu sein, zumal da er befürchtet habe, sie könnten verletzt sein.

»Ich dachte nicht, daß das Wesen, dessen Gegenwart ich im Tal von Wolfsktaag entdeckte, die Intelligenz besitzen könnte, meine Markierungszeichen zu entfernen«, gab er zornig zu. »Ich hätte aber vorsichtiger sein und andere Hinweise hinterlassen sollen, um dafür zu sorgen, daß ihr diesen Ort umgeht. Schlimmer noch, ich bin am frühen Nachmittag durch den Jade-Paß gekommen, ohne zu erkennen, daß die Gnome sich am Abend dort zum Ritual der Berggeister versammeln würden. Ich habe Fehler über Fehler gemacht.«

»Wir tragen alle Schuld«, erwiderte Balinor. Menion, der auf der anderen Seite ging, preßte die Lippen zusammen.

»Wären wir aufmerksamer gewesen, hätte das alles nicht geschehen können. Aber jetzt kommt es darauf an, Shea und Flick zu heilen und zu versuchen, etwas für Höndel zu tun, bevor die Gnomen ihn finden.«

Sie schritten eine Weile schweigend dahin, zu erschöpft, um klar denken zu können, nur darauf konzentriert, einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis sie die versprochene Sicherheit im Stör-Dorf erreichen würden. Der Pfad schien sich endlos zwischen den Bäumen des Anar-Waldes dahinzuwinden, und nach einiger Zeit verloren die vier Männer jedes Gefühl für Raum und Zeit, so erschöpft waren sie. Die Nacht verging langsam, und endlich tauchten am östlichen Horizont die ersten hellen Streifen auf, aber sie hatten ihr Ziel noch immer nicht erreicht. Eine Stunde später sahen sie endlich das Licht von Nachtfeuern im Stör-Dorf, deren Widerschein auf den Bäumen tanzte. Bald standen sie im Ort, umgeben von geisterhaften Stors, alle in Weiß, die mit traurigen Augen die Männer anstarrten und sie in eines der niedrigen Gebäude führten.

Dort sanken die Erschöpften wortlos auf weiche Betten, zu müde, um sich noch zu waschen oder auch nur auszuziehen.

Binnen Sekunden schliefen alle bis auf Menion Leah, der sich noch gegen den Schlaf zu wehren vermochte, um im Raum nach Allanon zu suchen. Als er ihn nicht fand, stand er mühsam auf und wankte zur Tür, die, wie er sich dunkel erinnerte, in einen zweiten Raum führte- Er lehnte sich dagegen und preßte das Ohr an den Spalt neben dem Türstock, um das Gespräch zwischen dem Historiker und den Stors zu belauschen.