Aber den anderen war seine Regungslosigkeit aufgefallen; sie folgten seinem entsetzten Blick und entdeckten den schwarzen Schädelträger, der lautlos um den Rand der Grube herumschlich.
Allanon sprang blitzschnell vor Flick und riß ihn herum, um den Bann der furchtbaren Augen des Wesens zu brechen. Betäubt stolperte Flick nach rückwärts in die Arme Menions, der ihm ebenfalls zu Hilfe geeilt war. Die anderen standen hinter dem Druiden, die Waffen gezückt. Das Wesen kam einige Meter vor Allanon zum Stehen, immer noch geduckt, das gräßliche Gesicht mit einem erhobenen Flügel und seiner Krallenhand vor dem Feuerschein schützend. Der Atem ging in langsamen, rasselnden Stößen, während die grausamen Augen auf der hochgewachsenen Gestalt zwischen ihm und dem kleinen Talbewohner hafteten.
»Druide, du bist ein Narr, dich gegen mich zu stellen.« Die Stimme tönte irgendwo aus der Tiefe des formlosen Gesichts.
»Ihr seid alle dem Untergang geweiht. Ihr seid das gewesen, seitdem ihr euch entschlossen habt, nach dem Schwert zu suchen.
Der Meister wußte, daß ihr kommt, Druide! Er hat es gewußt!«
»Such das Weite, solange du noch kannst, Verhaßter!« befahl Allanon, so drohend, wie die anderen Männer ihn noch nie hatten sprechen hören. »Du erschreckst hier keinen. Wir holen uns das Schwert, und du wirst uns nicht im Weg stehen. Tritt beiseite, Lakai, und laß deinen Herrn vortreten!« Die Worte zischten durch die Luft und trafen den Schädelträger wie Messer. Das Wesen fauchte vor Wut, und die Atemzüge keuchten schneller, als es einen Schritt vortrat, sich tiefer duckte und haßerfüllt in die Augen Allanons blickte.
»Ich werde dich vernichten, Allanon! Dann ist niemand mehr übrig, der gegen den Meister auftreten kann! Du bist von Anfang an unsere Marionette gewesen, obwohl du nichts davon geahnt hast. Jetzt haben wir dich in Reichweite, zusammen mit deinen wichtigsten Verbündeten. Und sieh, wen du uns gebracht hast, Druide - den letzten Erben von Shannara!«
Zu jedermanns Schrecken wies die Klauenhand auf den verblüfften Flick. Das Wesen schien nicht zu ahnen, daß Flick nicht der Erbe war oder daß Shea ihnen bei den Drachenzähnen entrissen worden war. Einen Augenblick lang schwiegen alle. Das Feuer brüllte unten in der Grube, und die Flammen fegten plötzlich hoch, so daß glutheiße Luft über die Gesichter der Sterblichen fuhr. Die Krallen des schwarzen Geisterwesens schienen nach ihnen zu greifen.
»Nun, ihr Narren«, krächzte die haßerfüllte Stimme, »werdet ihr den Tod erleiden, den eure Gattung verdient!«
16
Als die letzten Worte des schwarzen Wesens in der von Flammen durchzuckten Luft verklangen, schien alles gleichzeitig zu geschehen.
Mit einer heftigen Armbewegung und einem so scharfen Befehl, daß sie alle auf der Stelle reagierten, schickte der riesige Druide seine Leute zur Wendeltreppe, die zur Haupthalle der Druidenfestung führte. Als die sechs Männer auf die Treppe zuhetzten, stürzte sich der Schädelträger auf Allanon. Der gewaltige Zusammenprall war hörbar sogar für die flüchtenden Männer, die schon die Treppe hinaufliefen - bis auf einen. Flick zögerte, einerseits von dem Wunsch getrieben, zu entkommen, andererseits aber gebannt von dem titanischen Kampf zwischen den beiden mächtigen Wesen, die nur Zentimeter von den hochfauchenden Flammen des Riesenofens entfernt ineinander verkrallt waren. Er stand unten an der Treppe und hörte die verklingenden Schritte seiner Begleiter, als sie nach oben rasten.
Augenblicke später erstarben die Schritte, und er war der einzige Zeuge des unfaßbaren Kampfes zwischen dem Druiden und dem Schädelträger.
Die schwarzen Gestalten standen regungslos am Rand des Feuerofens, Statuen, im Kampf erstarrt, die dunklen Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt. Die Arme des Druidenriesen hielten die Krallenglieder des tödlichen Geisterwesens fest.
Der Schädelträger versuchte, seine rasiermesserscharfen Klauen nahe genug an die ungeschützte Kehle des Zauberers heranzubringen, um sie zij zerfetzen und dem Kampf ein schnelles Ende zu bereiten. Die schwarzen Schwingen spannten sich vor Anstrengung, flatterten heftig, um dem Angriff Schwung zu verleihen, während der rasselnde Atem die heiße Luft mit verzweifelten Stößen durchschnitt. Dann schoß plötzlich ein Bein des Nordland-Wesens nach vorn und brachte den Druiden zu Fall, so daß er rückwärts auf den Steinboden stürzte. Der Angreifer warf sich sofort auf ihn, und eine Krallenhand zuckte hinab, um zu töten. Aber das Opfer war zu schnell, rollte sich geschickt von den tödlichen Klauen weg und befreite sich. Flick sah jedoch, daß der Hieb die Schulter traf; Stoff zerriß, und Blut rann aus einer Wunde. Flick ächzte erschrocken, aber einen Augenblick danach war der Druide auf den Beinen. Zwei Blitze, blau geflammt, zuckten aus den ausgestreckten Fingern seiner Hand und trafen den sich aufrichtenden Schädelträger mit gewaltiger Kraft, so daß das erboste Wesen an das Geländer geworfen wurde. Während die Zauberblitze jedoch den Drachen beim Kampf im Inneren des Gebirges sichtbar verwundet hatten, gelang es ihnen hier nur, das Wesen aus dem Nordland für einige Sekunden aufzuhalten.
Aufbrüllend vor Wut, griff es erneut an. Gleißende rote Blitze schössen aus seinen glühenden Augen. Allanon riß seinen Umhang hoch, und die Blitze schienen abgelenkt zu werden an die Steinwände der Kammer. Das Wesen zögerte für einen Augenblick, und die beiden Gegner umkreisten einander wachsam wie zwei Waldbestien in einem Kampf auf Leben und Tod, den nur einer überstehen konnte.
Zum ersten Mal bemerkte Flick, daß die Temperatur anstieg.
Mit dem Beginn der Dämmerung waren die Heizer an die Arbeit gegangen, um den Wärmebedarf der Burg zu decken. Ohne von dem Kampf etwas zu ahnen, der auf dem Lauf gang tobte, hatten sie die Blasebalgmaschinen unten an der Grube eingeschaltet und schürten das Feuer, um Warmluft in alle Räume der Druidenfestung zu leiten. Aus diesem Grund wurden die Flammen nun über dem Grubenrand sichtbar, und es wurde immer heißer.
Flick spürte, wie ihm der Schweiß über das Gesicht lief und seine warme Jagdkleidung tränkte. Aber trotzdem ging er nicht. Er spürte, daß sie alle verloren waren, wenn Allanon besiegt wurde, und er mußte deshalb den Ausgang des Kampfes unbedingt erfahren.
Das Schwert von Shannara würde jeden Sinn für sie verlieren, wenn der Mann, der sie hierhergeführt hatte, getötet wurde. Atemlos verfolgte Flick Ohmsford, was die Entscheidung über das Schicksal der Rassen und Länder sein mochte, ausgefochten von den beiden scheinbar unzerstörbaren Widersachern.
Allanon hatte erneut mit den zuckenden blauen Blitzen angegriffen, den Schädelträger mit kurzen, raschen Schlägen bombardiert, bemüht, ihn zu einer unüberlegten Handlung zu verleiten, damit er irgendeinen Fehler beging, der tödlich sein mochte.
Das Geisterwesen war kein Narr, sondern die Verkörperung des Bösen, gestählt in Hunderten von Kämpfen, in denen es Sieger geblieben war. Es duckte und drehte sich mit erschreckender Gewandtheit, duckte sich immer wieder und wartete auf den Augenblick, in dem es zuschlagen konnte. Dann breiteten sich unerwartet die schwarzen Schwingen aus, und es schwebte empor über die Flammen des Feuerofens, um sich mit heftigem Schwung auf die hochgewachsene Gestalt Allanons herabzustürzen.