Die Krallen schlugen zu, und Flick glaubte bereits alles verloren. Wie durch ein Wunder entkam der zu Boden gestoßene Druide aber den tödlichen Klauen und schleuderte mit einer mächtigen Bewegung den Schädelträger über sich hinweg. Das Wesen flog wild durch die Luft und prallte heftig an die Steinwand.
Es raffte sich sofort wieder auf, aber die Wucht des Anpralls hatte es erschüttert, es war nicht schnell genug, und bevor es zu entkommen vermochte, stürzte sich der riesige Druide auf es.
Die beiden schwarzen Gestalten rangen an der Felswand miteinander wie zusammengeschweißt, die Glieder ineinander verschlungen wie verkrümmte Äste. Als sie sich beide aufbäumten, konnte Flick sehen, daß Allanon hinter dem sich wehrenden Schädelträger stand, die kraftvollen Arme wie einen Schraubstock um den Schädel des Wesens gepreßt, während die angespannten Muskeln langsam das Leben herausdrückten. Die Schwingen peitschten wild die Luft, die gebogenen Arme des Wesens griffen vergeblich nach einer Stelle des Gegners, die es ihm erlaubt hätte, sich zu befreien. Die feuerroten Augen glühten mit der Wut des Feuers in der Grube selbst und schleuderten Flammenblitze hinaus, die in die Steinwände fauchten und klaffende, verkohlte Löcher hinterließen. Die Kämpf enden wankten von der Felswand davon und auf den gleißenden Feuerofen zu, bis sie an dem niedrigen Geländer standen. Einen Augenblick lang erschien es Flick, als müßten beide das Gleichgewicht verlieren und in die Flammenglut stürzen, aber Allanon richtete sich plötzlich mit einer ungeheuren Anstrengung auf und zerrte den Gegner fort vom Geländer. Es war diese plötzliche Bewegung, die das Wesen herumriß, so daß die haßerfüllten Augen sich unmittelbar auf den halb verborgenen Talbewohner richteten. Jede Gelegenheit ergreifend, den Druiden für den Bruchteil einer Sekunde abzulenken, um sich aus dem erstickenden Griff zu befreien, wandte sich der Schädelträger plötzlich gegen den unvorbereiteten Flick. Zwei Flammenblitze schössen aus den glühenden Augen und zerschmetterten die Steinblöcke der Treppe zu tödlichen Splittern, die wie Messer in alle Richtungen flogen. Flick handelte instinktiv. Er sprang von der Treppe hinaus auf den Laufgang. Hände und Gesicht waren von den Splittern zerschnitten, das Leben aber hatte er durch seine Schnelligkeit gerettet. Als er davonsprang, wankte der ganze Eingang plötzlich und brach in einer Lawine geborstener Steinblöcke, die den Weg nach oben versperrte, in sich zusammen. Der Staub quoll in dicken Wolken aus dem Schutt.
Im selben Augenblick, während Flick angstvoll und bis ins Mark erschüttert, doch bei Bewußtsein am Steinboden lag, während die Flammen aus der brausenden Grube emporstiegen zu den Staubwolken aus dem blockierten Durchgang, lockerte sich Allanons Griff eine Spur, und das Wesen konnte sich befreien. Es wirbelte mit einem Wutschrei herum und versetzte dem abgelenkten Druiden einen mächtigen Schlag an den Kopf, so daß der hochgewachsene Wanderer auf die Knie sank. Das Wesen setzte zum Todesstoß an, aber der schwarze Zauberer war plötzlich wieder auf den Beinen, und die blauen Blitze aus seinen Fingern trafen den ungeschützten Kopf des Angreifers. Mächtige Fäuste regneten Hiebe auf beide Seiten des Schädels herab und rissen das Wesen wieder herum, die Arme Allanons schlössen sich um seine Brust und preßten Schwingen und Klauenhände an den sich windenden Körper. Der Druide hielt das Wesen fest und biß die Zähne zusammen, während er wutentbrannt den Leib des Gegners zusammenpreßte. Flick, der immer noch am Boden lag, während die Kämpfenden wenige Meter von ihm entfernt hochragten, hörte ein entsetzliches Krachen und Knirschen, als im Schädelträger etwas brach. Dann wankten die beiden Gestalten wieder an das Geländer, die verzerrten Züge von den Flammen beleuchtet, und das Donnern der Flammengrube wurde vom qualvollen Geheul des zerquetschten Opfers übertönt, als der schwarze, gekrümmte Körper heftig aufzuckte. Aus einer tiefen Quelle von Kraft und Haß in sich holte der Schädelträger eine letzte, verzweifelte Anstrengung. Er warf sich über das Geländer, die Klauen in den schwarzgekleideten Angreifer gekrallt, zerrte den verhaßten Feind mit, beide Gestalten verloren sich im Glast der hungrigen Flammen.
Flick raffte sich betäubt auf, sein Gesicht verzerrte sich vor Entsetzen. Er wankte unsicher zum Rand der Grube, aber die Hitze war so stark, daß er zurückgetrieben wurde. Er versuchte es noch einmal, ohne Erfolg, während der Schweiß in Strömen von der Stirn in die Augen und den Mund lief und sich mit Tränen hilflosen Zorns vermischte. Die Flammen aus der Grube schlugen über das Geländer, züngelten gierig über das Gestein und knisterten, erfüllt von neuem Leben, wie um die Zufuhr neuen Brennstoffs in Gestalt der beiden Wesen zu bestätigen.
Hinter dem roten Glühen der Flammen und der unerträglichen Hitze war nichts mehr. Hoffnungslos schrie Flick immer wieder den Namen des Druiden hinaus, und seine Rufe hallten wider von den Steinwänden, um im Feuerofen zu ersterben. Der Talbewohner sah sich allein mit dem Brüllen der Flammen und wußte endlich, daß der Druide dahin war.
Er geriet in Panik. Verzweifelt hetzte er von der Grube davon und stand vor den Überresten der Treppe, bevor ihm einfiel, dass sie zerstört war. Er brach auf dem Geröll zusammen. Er schüttelte den Kopf, um klarer denken zu können, spürte die aufsteigende Hitze. Er wußte, daß er nur noch wenige Minuten zu leben hatte, wenn er sich nicht auf irgendeine Weise aus der Kammer befreien konnte. Er sprang hoch, lief zur nächsten Steintür und rüttelte daran, aber die Tür bewegte sich nicht, und er gab es auf, die Hände blutig. Er starrte auf die Wand und entdeckte eine zweite Tür, taumelte hin, fand auch sie verschlossen. Er spürte, wie seine Hoffnung schwand, verdrängt von der Gewißheit, daß er in der Falle saß. Er zwang sich mühsam, zur nächsten Tür zu gehen. Mit dem letzten Rest seiner nachlassenden Kraft berührte er, während er verzweifelt an der störrischen Barrikade rüttelte, irgend etwas Verborgenes im Gestein und löste den Mechanismus aus, der die Tür öffnete. Mit einem Aufschrei der Erleichterung stürzte Flick in den Tunnel dahinter und stieß mit dem Fuß die Steintür zu, blieb im Halbdunkel liegen, geschützt vor dem Hitzetod, der hinter der Mauer wartete.
Er blieb lange Minuten erschöpft im dunklen Korridor liegen, während sein Körper die Kühle des Steinbodens aufsaugte, während er die gute Luft in sich hineinpumpte. Er versuchte nicht zu denken, wollte sich nicht erinnern, wünschte nur, sich im Frieden und in der Stille des Felsentunnels zu verlieren. Nach langer Zeit endlich zwang er sich auf die Knie und schließlich auf die Beine. Er lehnte betäubt am kalten Gestein der Tunnelwand, während er darauf wartete, daß seine Kraft wiederkehrte. Erst jetzt sah er, daß seine Kleidung zerfetzt und verkohlt war, dass die Hitze Hände und Gesicht versengt und geschwärzt hatte. Er schaute sich langsam um und richtete sich auf. Die trüb flackernde Fackel vorne an der Wand zeigte die Richtung, in welcher der gewundene Gang verlief, und er stolperte nach vorn, bis er die Fackel erreichte. Er zog sie aus der Halterung und schlurfte weiter. Irgendwo vor sich hörte er Geschrei, und instinktiv zuckte seine freie Hand zum Griff des kurzen Jagdmessers. Er zog die Waffe heraus. Nach einigen Minuten schien sich der Lärm zu entfernen und schließlich zu verstummen, aber gesehen hatte Flick noch immer nichts. Der Korridor wand sich auf merkwürdige Weise durch den Fels und führte Flick an mehreren Türen vorbei, die alle geschlossen und verriegelt waren, aber der Weg ging nie nach oben und es gab auch keine Abzweigungen.
Immer wieder wurde die Dunkelheit vom schwachen Licht einer an der Wand befestigten Fackel erhellt, deren gelber Schein Flicks Schatten an die andere Wand warf wie den eines mißgestalteten Gespenstes, das in die Dunkelheit entfloh.
Dann wurde der Tunnel plötzlich breiter, und das Licht vor Flick wurde heller. Er zögerte einen Augenblick und umklammerte sein Messer fester, das Gesicht von Rauch und Schweiß verschmiert, aber grimmig entschlossen. Es war nichts zu hören, als er langsam weiterschlich. Er wußte, daß es irgendwo eine Treppe geben mußte, die zur Haupthalle der Druidenfestung führte. Die Suche nahm nun schon lange Zeit in Anspruch und war bisher nutzlos gewesen, und er spürte, daß seine Kraft nachließ.