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Die anderen standen stumm hinter ihm und folgten seinem Blick. Die Treppe bestand aus wenig mehr als einer Reihe offener Steinstufen, die sich schmal und gefährlich in einer Spirale an der Innenwand des Turms hinaufzogen. Der ganze Turm war erfüllt von düsterer Dunkelheit. Es gab hier keine Fackeln oder Öffnungen im schwarzen Gestein. Die Männer konnten kaum über die ersten Windungen der Treppe hinaussehen. Der offene Treppenschacht fiel von der Stelle aus, wo sie standen, in die Tiefe ab.

Menion trat an den Rand des Absatzes und starrte hinunter, wohl beachtend, daß es hier kein Geländer gab, so wenig wie oben an der Treppe. Er warf einen kleinen Kieselstein in den Schlund und wartete. Er hörte kein Geräusch. Wieder blickte er nach oben, dann wandte er sich den anderen zu.

»Sieht aus wie eine offene Einladung, in eine Falle zu treten.«

»Sehr wahrscheinlich«, bestätigte Balinor und trat trotzdem vor. »Aber wir müssen hinauf.«

Menion nickte, zuckte die Achseln und setzte den Fuß auf die erste Stufe. Die anderen folgten ihm wortlos, geführt von Höndel, dahinter gingen Balinor und die Elfenbrüder. Sie stiegen vorsichtig die schmalen Steinsrufen hinauf, wachsamen Blicks, die Schultern nah an der Wand, mit größtmöglichem Abstand zum offenen Treppenschacht. Gleichmäßig stiegen sie durch die muffige Düsternis nach oben. Menion betrachtete jede Stufe und suchte die Fugen der Steinblockwand nach verborgenen Apparaturen ab. Von Zeit zu Zeit warf er Steine auf die Stufen vor sich, auf der Suche nach Fallen, die durch eine plötzliche Belastung ausgelöst werden mochten. Aber nichts geschah. Der Abgrund unter ihnen war ein stummes, schwarzes Loch, in die Düsternis des Turms geschnitten, und kein Laut störte die schwarze Stille, außer dem leisen Scharren der Jagdstiefel. Endlich stach das schwache Licht brennender Fackeln aus dem Dunkel über ihnen, und die kleinen Flammen flackerten im Wind. Ein kleiner Absatz tauchte oben an der Treppe auf und dahinter der undeutliche Umriß einer riesigen Steintür mit Eisenbeschlägen, die geschlossen war.

Dann löste Menion die erste Falle aus. Eine Reihe langer:

Spieße mit Widerhaken schoß aus der Steinmauer. Den Mechanismus setzte der Druck von Menions Fuß auf der Stufe in Bewegung.

Wäre Menion noch auf der Stufe gewesen, hätten die Spieße seine ungeschützten Beine getroffen und ihn über den Rand in den offenen Schacht hinuntergestoßen. Aber Höndel hatte den Schlag der ausgelösten Feder rechtzeitig gehört. Er riß den verblüfften Hochländer zurück zu den anderen und stieß dabei fast die ganze Gruppe von den schmalen Stufen. Sie wankten heftig im Halbdunkel, von den spitzen Stahlspießen nur Zentimeter entfernt. Als sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatten, preßten sich die fünf Männer einige Minuten an die Wand und atmeten schwer. Der schweigsame Zwerg zerschlug schließlich die Spieße vor ihnen mit ein paar Hieben seines Streitkolbens und machte den Weg wieder frei. Er ging voraus, und Menion .nahm seinen Platz hinter Balinor ein. Höndel entdeckte bald eine zweite Falle gleicher Art, löste sie aus und zerhieb die Stahlspitzen.

Sie hatten den Absatz fast erreicht; es hatte den Anschein, als sollten sie ohne weiteren Aufenthalt hingelangen zu ihm, als Dayel einen Warnruf ausstieß. Sein scharfes Elfengehör hatte etwas wahrgenommen, was den anderen entgangen war, ein leises Klicken, das Hinweis auf die Betätigung einer weiteren Falle war.

Alle erstarrten und suchten die Wände und Stufen ab, ohne jedoch etwas zu finden. Höndel wagte sich schließlich eine Stufe weiter. Erstaunlicherweise passierte nichts, und der vorsichtige Zwerg erklomm den Rest der Treppe, während die anderen unten stehenblieben. Als er den Absatz ungefährdet erreicht hatte, hasteten die anderen hinterher, bis sie endlich alle fünf oben standen und besorgt in das schwarze Loch hinabstarrten. Wie es ihnen gelungen war, der dritten Falle zu entgehen, konnten sie sich nicht vorstellen. Balinor war der Ansicht, sie habe nicht mehr richtig funktioniert, weil sie wohl schon seit so vielen Jahren nicht mehr benötigt worden sei, aber Höndel war nicht so leicht zu überzeugen. Er wurde das Gefühl nicht los, daß sie etwas Naheliegendes übersehen hatten.

Der Turm hing wie ein riesiger Schatten über dem offenen Schacht, das dunkle Gestein kalt und feucht, eine Massierung von Riesenblöcken, vor langen Zeitaltern aufeinandergetürmt und vom Zahn der Zeit kaum angenagt. Die große Tür am Treppenabsatz schien unbeweglich zu sein, die Oberfläche narbig, die Eisenbänder so stark wie am Tag ihrer Einbettung in das Gestein.

Große, eiserne, in den Stein getriebene Pflöcke sicherten die Scharniere, und den fünf Männern erschien es, als könne nichts Geringeres denn ein Erdbeben den mächtigen Steinklotz überhaupt in Bewegung setzen. Balinor näherte sich vorsichtig dem massiven Hindernis und fuhr mit den Händen über die Fugen, auf der Suche nach einem verborgenen Öffnungsmechanismus. Vorsichtig drehte er die Eisenklinke nach unten und drückte dagegen. Zur Verblüffung aller öffnete sich die Steinplatte knirschend ein Stück. Einen Augenblick später war das Rätsel des Turmes offenbar, als die Tür ganz aufging und krachend an die Innenwand schlug.

Genau in der Mitte der runden Kammer, in die polierte schwarze Oberfläche des riesigen Tre-Stein-Blocks eingelassen, mit der KJingenspitze nach unten, so daß es sich vor ihnen wie ein leuchtendes Kreuz aus Silber und Gold erhob, sahen sie das legendäre Schwert von Shannara. Die lange Klinge blitzte grell im Sonnenlicht, das durch die hohen, vergitterten Fenster des Turmes strömte, und spiegelte sich in der glatten Fläche des würfelförmigen Steins. Keiner der fünf hatte das Schwert zuvor je gesehen, aber augenblicklich wußten sie alle, daß sie es endlich vor sich hatten. Einen Augenblick lang blieben sie unter der Tür stehen und rissen vor Staunen die Augen auf, unfähig fast, zu glauben, daß sie nach all ihren Anstrengungen, den endlosen Märschen, den elenden Tagen und Nächten des Versteckens endlich den uralten Talisman vor sich hatten, den zu finden sie alles aufs Spiel gesetzt hatten. Das Schwert von Shannara gehörte ihnen! Sie hatten den Dämonen-Lord übertölpelt! Langsam traten sie hintereinander in die Steinkammer, lächelnden Gesichts, vergessen waren Müdigkeit, die Wunden und die Schmerzen. Sie standen lange da und starrten es an, stumm, staunend, dankbar.

Sie konnten sich noch nicht überwinden, vorzutreten und den Schatz aus dem Stein zu ziehen. Er schien für sterbliche Hände zu heilig. Aber Allanon war vermißt, Shea verloren, und wo...

»Wo ist eigentlich Flick?« fragte Dayel plötzlich. Zum ersten Mal wurden sie gewahr, daß er fehlte. Sie schauten sich um, starrten einander dumpf an. Menion, der sich wieder dem schimmernden Schwert zuwandte, sah auf einmal das Unmögliche wahr werden. Der Riesenblock Tre-Stein und sein kostbarer Schatz begannen zu schillern und vor seinen fassungslosen Augen zu verblassen. Es dauerte nur Sekunden, bis das ganze Bild in Rauch, dann in Dunst und endlich in Luft aufgegangen war und die fünf Männer allein in einem leeren Raum standen.

»Eine Falle! Die dritte Falle!« brüllte Menion, der sich als erster von seinem Schock erholte.

Aber hinter sich hörte er bereits die riesige Steinplatte zufallen, knarrend und ächzend, als die rostigen Angeln unter dem ungeheuren Gewicht nachgaben. Der Hochländer hechtete durch den Raum und krachte an die Tür, gerade als sie zuklappte und das Schloß mit einem scharfen Knacken einrastete. Er brach auf dem ausgetretenen Steinboden zusammen, und sein Herz hämmerte vor Zorn und Verzweiflung. Die anderen hatten sich nicht gerührt, sondern standen in tiefster Niedergeschlagenheit da und starrten auf die schlanke Gestalt bei der Tür. Das leise, aber unverwechselbare Geräusch dumpfen Gelächters hallte unablässig von den kalten Wänden wider, verhöhnte sie ob ihres Narrentums und ihrer bitteren, unausweichlichen Niederlage.

17

Die freudlose Kälte des Nordlandhimmels hing in dünnen Streifen grauen Nebels vor den stumpfen Rändern des schwarz aufragenden Berges, den die Burg des Dämonen-Lords darstellte.