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»Shea, ich bewundere Leute, die offen reden«, rief der Fremde glucksend. »Niemand könnte dir vorwerfen, daß du nicht mit Scharfblick ausgestattet wärst.«

Shea wollte zornig etwas antworten, bezähmte sich aber und dachte nach. Was trieben diese beiden seltsamen Gestalten in diesem Teil des Nordlands eigentlich? Weshalb hatten sie sich die Mühe gemacht, ihn zu befreien? Woher hatten sie überhaupt gewußt, daß er Gefangener des Gnomentrupps gewesen war? Er kam schnell hinter die Wahrheit; sie war so naheliegend gewesen, daß er sie übersehen hatte.

»Panamon Creel, der gütige Retter!« spottete er bitter. »Kein Wunder, daß Euch meine Bemerkung so erheitert hat. Ihr und Euer Freund seid genau das, was ich Euch genannt habe. Ihr seid Diebe, Räuber, Straßenräuber! Es waren die Steine, auf die Ihr es abgesehen hattet. Wie niedrig kann man...«

»Sei vorsichtig, Jüngling!« Der Scharlachrote sprang vor ihn hin und schwang den Eisenhaken. Das breite Gesicht war plötzlich von Haß verzerrt, das Lächeln bösartig. »Was du von uns hältst, würde ich an deiner Stelle lieber verschweigen. Ich bin weit in der Welt herumgekommen, und noch keiner hat mir freiwillig etwas gegeben. Da dem so ist, lasse ich mir auch von keinem etwas nehmen!«

Shea wich zurück und duckte sich unwillkürlich. Der hochgewachsene Fremde starrte ihn finster an, dann atmete er tief ein, richtete sich auf und lächelte schwach.

»Weshalb sollten wir es bestreiten, Keltset und ich?« Er ging ein paar Schritte auf und ab und fuhr plötzlich herum. »Wir sind Glücksritter, er und ich. Männer, die von ihrem Verstand und ihrer Schlauheit leben - und wir unterscheiden uns von den anderen Menschen nur in unseren Methoden. Und vielleicht durch unseren Ekel vor Heuchelei. Alle Menschen sind Diebe auf die eine oder andere Art; wir gehören eben noch zur altmodischen Sorte, der ehrlichen, die sich dessen nicht schämt, was sie ist.«

»Wie seid Ihr auf dieses Lager gestoßen?« fragte Shea zögernd.

»Wir haben gestern abend bald nach Sonnenuntergang das Feuer entdeckt«, erwiderte der Fremde lässig. »Ich sah mir das Ganze vom Rand der Lichtung aus näher an und beobachtete, wie die kleinen Gelben mit den drei blauen Edelsteinen spielten.

Dich habe ich auch gesehen, gefesselt, verschnürt wie ein Paket.

Ich beschloß, Keltset herzuholen und zwei Fliegen mit einer Klappe zu treffen- du siehst, ich habe nicht gelogen, als ich sagte, ich sähe einen Landsmann nicht gern in den Klauen dieser Bösewichte!«

Shea nickte.

»Mach dir keine Sorgen, Freund«, sagte Panamon Creel unbekümmert. »Wir wollen dir nichts Böses. Nur die Steine interessieren uns - sie werden einen guten Preis bringen, und das Geld können wir gebrauchen. Du kannst wieder dahin gehen, wo du hergekommen bist. Keiner hält dich auf.« Er wandte sich ab und ging zum wartenden Keltset, der brav neben einem kleinen Haufen von Waffen, Kleidungsstücken und verschiedenen Wertgegenständen wartete, die er den toten Gnomen abgenommen hatte. Neben dem Troll wirkte der große Mann beinahe zwergenhaft; mit seiner dunklen, rindenartigen Haut erschien das Wesen wie ein knorriger Baum, der seinen Schatten auf den Scharlachroten warf. Die beiden sprachen kurz miteinander, Panamon mit leiser Stimme, während der Riese in der Zeichensprache und mit Nicken antwortete. Shea beobachtete ihn eine Weile und wußte nicht recht, was er tun sollte. Er hatte die Steine nicht mehr und war ohne sie in dieser Wildnis nahezu hilflos. Er hatte seine Begleiter im Gebirge verloren, die einzigen, die zu ihm hielten, die einzigen, die ihm helfen konnten, die Steine wieder in seinen Besitz zu bringen. Es war undenkbar für ihn, einfach umzukehren, nun, da er so weit gekommen war. Die anderen verließen sich auf ihn, und er gedachte Flick und Menion nicht im Stich zu lassen, so groß die Gefahren auch sein mochten.

Panamon Creel warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob der Talbewohner schon das Weite gesucht hatte, und reagierte ein wenig verwundert, als er ihn noch immer an seinem Platz stehen sah.

»Worauf wartest du?«

Shea schüttelte den Kopf, um anzuzeigen, daß er es nicht genau wußte. Der hochgewachsene Räuber sah ihn kurze Zeit an und winkte ihn dann lächelnd heran.

»Komm und iß eine Kleinigkeit, Shea. Füttern können wir dich auf jeden Fall, bevor du ins Südland zurückkehrst.«

Eine Viertelstunde später saßen die drei an einem kleinen Lagerfeuer und sahen Streifen von getrocknetem Rindfleisch in der rauchenden Hitze braten. Keltset saß neben dem kleinen Talbewohner, die tiefliegenden Augen auf das rauchende Fleisch gerichtet, die riesigen Hände kindlich gefaltet. Shea hätte am liebsten die Rindenhaut berührt. Die Züge des Trolls waren selbst aus der Nähe nichtssagend. Er regte sich nicht, solange das Fleisch kochte, sondern saß da wie ein Felsklotz. Panamon Creel warf einen Blick herüber und sah, daß Shea das riesige Wesen wachsam im Auge behielt. Creel grinste breit und schlug Shea auf die Schulter.

»Er beißt nicht - solange er zu essen bekommt! Ich erkläre dir das immer wieder, aber du hörst nicht zu. So ist die Jugend – wild und sorglos und kein Ohr für die alten Leute. Keltset ist genau wie du und ich, nur größer und stiller, und das gefällt mir an einem Partner in diesem Beruf. Er macht seine Arbeit besser als jeder andere, mit dem ich zusammengewesen bin, und das sind nicht wenige gewesen.«

»Er tut wohl, was Ihr ihm auftragt?« fragte Shea.

»Gewiß, gewiß«, sagte der Scharlachrote und beugte sich herüber.

»Aber versteh mich nicht falsch, mein Junge. Ich will damit nicht sagen, daß er einem Tier gleicht. Er kann selbst denken, wenn es nötig ist. Aber ich war sein Freund, als ihm andere nicht einmal einen Blick gönnten - nicht einer! Er ist das stärkste Wesen, das ich kenne. Er könnte mich zerquetschen, ohne sich auch nur anzustrengen. Aber weißt du was? Ich habe ihn besiegt, und nun folgt er mir!«

Shea starrte ihn ungläubig an. Der Scharlachrote lachte fröhlich und schlug sich auf die Schenkel.

»Ich habe ihn mit Freundschaft besiegt, nicht mit Stärke. Ich habe ihn als Mann geachtet, als Gleichgestellten behandelt, und für diesen kleinen Preis erhielt ich seine Treue. Ha, hereingelegt!« Er lachte in sich hinein, nahm die Fleischstreifen vom Feuer und hielt den Stock, auf den sie aufgespießt waren, dem stummen Troll hin, der ein paar herunterzog und hungrig zu kauen begann. Shea bediente sich langsam und entdeckte plötzlich, daß er halb verhungert war. Er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann er zuletzt gegessen hatte, und nagte heißhungrig an dem schmackhaften Fleisch. Panamon Creel schüttelte belustigt den Kopf und bot dem Talbewohner ein zweites Stück an, bevor er sich selbst bediente. Die drei aßen schweigend einige Minuten lang, bevor Shea die nächste Frage stellte.

»Was hat Euch veranlaßt... Räuber zu werden?«

Panamon Creel warf ihm einen Blick zu und zog die Brauen hoch. »Was kümmern dich die Gründe? Willst du unsere Lebensgeschichte schreiben?« Er machte eine Pause und grinste plötzlich über seine eigene Reizbarkeit. »Es ist kein Geheimnis, Shea. Ich habe es nie sehr gut verstanden, auf ehrliche Weise durchs Leben zu kommen, ich hielt nicht viel von Arbeit. Ich war ein wilder Bursche, liebte das Abenteuer und die Natur - und ich haßte die Arbeit. Dann verlor ich durch einen Unfall die Hand, und es wurde noch schwerer, Arbeit zu finden, von der ich leben konnte. Ich war damals weit unten im Südland, in Talhan. Ich kam ein wenig in Schwierigkeiten, die dann größer wurden. Bis ich mich umsah, durchstreifte ich die vier Länder und raubte, was ich brauchte. Das Komische dabei war, daß mir das wirklich lag.

Ich konnte einfach nicht aufhören damit. Und es machte mir Spaß. Und hier bin ich, vielleicht nicht reich, aber glücklich in der Blüte meiner Jugend.«

»Denkt Ihr nie daran zurückzukehren?« fragte Shea. »Denkt Ihr nie an ein Heim und...?«

»Wir wollen doch nicht rührselig werden, mein Junge.« Der andere brüllte vor Lachen. »Wenn du so weitermachst, fange ich an zu weinen und bitte auf meinen müden, alten Knien um Vergebung.