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»Vielleicht war es die Wahrheit. Vielleicht hat er diese Dinge erlebt. Ich weiß es nicht. Es kam mir stets so vor, als müßte dergleichen mit ihm geschehen sein, sonst hätte er sich mit einem wie mir kaum eingelassen. Er ist kein Dieb; ich weiß nicht, was er ist. Aber er ist mein Freund, das steht fest. Als ich das sagte, habe ich dich nicht angelogen.«

»Woher kommt er?« fragte Shea nach einer Pause.

»Ich bin vor etwa zwei Monaten nördlich von hier auf ihn gestoßen.

Er kam aus dem Charnal-Gebirge, mißhandelt, verwundet, kaum noch lebendig. Ich weiß nicht, was mit ihm geschehen war. Er hat es mir nie verraten, und ich habe nicht danach gefragt.

Es war sein Recht, seine Vergangenheit für sich zu behalten, wie das meine auch. Ich pflegte ihn ein paar Wochen lang. Ich verstand ein wenig von der Zeichensprache, so daß wir uns verständigen konnten. Seinen Namen erriet ich aus den Zeichen. Wir lernten ein wenig voneinander. Als er gesund war, forderte ich ihn auf, mich zu begleiten, und er war einverstanden. Wir hatten schöne Zeiten miteinander, weiß du. Nur schade, daß er kein richtiger Dieb ist.«

Shea schüttelte den Kopf und lachte in sich hinein. Unverbesserlich, dieser Panamon Creel, dachte er. Er verstand nichts von einer anderen Lebensweise und wollte auch nichts davon wissen.

Aber die Freundschaft bedeutete auch ihm etwas. Selbst Shea begann sich zu dem sonderbaren Mann ein wenig hingezogen zu fühlen, was ihn wunderte, weil sie im Charakter und in den Ansichten völlig verschieden waren. Aber jeder ahnte, was den anderen bewegte, und dazu kam der gemeinsame Kampf gegen einen schier übermächtigen Feind. Vielleicht brauchte man für eine Freundschaft nicht mehr.

»Wie kann der Schädelträger ihn gekannt haben?« fragte Shea.

Panamon zuckte die AchSeln, um zu zeigen, daß er es nicht wußte und es ihn auch nicht kümmere. Shea fühlte aber, daß das letztere nicht zutraf, daß Panamon zu gerne die Wahrheit hinter Keltsets Auftauchen vor zwei Monaten gewußt hätte. Keltsets unbekannte Vergangenheit hatte damit zu tun, daß das Geisterwesen den Riesentroll erkannt harte. In den grausamen Augen des Schädelträgers war beinahe so etwas wie Furcht zu lesen gewesen, und Shea konnte sich kaum vorstellen, daß ein sterbliches Wesen dem Ungeheuer Angst einzujagen vermochte.

Bis Keltset zurückkam, ging die Sonne unter, und die letzten Strahlen erhellten den dunklen Wald kaum noch. Der Troll hatte alle ihre Spuren sorgfältig verwischt und irreführende Fährten gelegt. Panamon fühlte sich wohl genug, um aus eigener Kraft vorwärts zukommen, aber er bat Keltset trotzdem, ihm behilflich zu sein, bis sie einen geeigneten Lagerplatz würden gefunden haben, da es schon ziemlich dunkel geworden war. Shea erhielt den Auftrag, den anscheinend in sein Schicksal ergebenen Orl Fane am Strick zu führen, eine Aufgabe, die ihm nicht gefiel, auch wenn er sie widerspruchslos übernahm. Wieder wollte Panamon den alten Sack mit seinem Inhalt zurücklassen, aber Orl Fane begann sofort aufzuheulen, so daß der Scharlachrote befahl, ihn zu knebeln. Der Gnom vermochte danach nur noch dumpf zu stöhnen.

Als sie in den Wald hineingingen, warf der verzweifelte Gefangene sich jedoch zu Boden und weigerte sich, aufzustehen, selbst als der aufgebrachte Panamon ihn mit Fußtritten traktierte.

Keltset hätte den Gnomen tragen und Panamon gleichzeitig stützen können, aber diese Mühe wollte man sich nicht machen. Der Räuber verfluchte den Gnomen erbost, wies Keltset schließlich aber an, den Sack auf die Schulter zu nehmen, und sie schritten in den finsteren Wald hinein.

Als es zu dunkel wurde, um noch sehen zu können, wohin der Weg eigentlich ging, ließ Panamon auf einer kleinen Lichtung zwischen Rieseneichen anhalten, wo ineinander verschlungene Äste eine Art geflochtenes Schutzdach bildeten. Orl Fane wurde an eine der Eichen gebunden, während die anderen drei sich daranmachten, ein Feuer anzuzünden und eine Mahlzeit zuzubereiten.

Als das Essen fertig war, wurde Orl Fane lange genug losgebunden, um zu essen. Panamon wußte zwar nicht genau, wo sie sich befanden, fühlte sich aber doch sicher genug, ein Feuer zu erlauben, überzeugt davon, daß ihnen nachts niemand folgen werde. Er hätte sich vielleicht weniger sicher gefühlt, wären ihm die Gefahren in den undurchdringlichen Wäldern um Paranor bekannt gewesen. Der Teil des Waldes, in dem sie lagerten, wurde allerdings von den Gehilfen des Dämonen-Lords selten durchstreift, und es sprach wenig dafür, daß zufällig jemand vorbeikommen und über sie stolpern würde. Sie aßen schweigend, eine hungrige und erschöpfte Gruppe nach des langen Tages Reise. Selbst das Gewinsel Orl Fanes verstummte vorübergehend, als der kleine Kerl das Essen in sich hineinschlang, das verschlagene gelbe Gesicht zum Feuer geneigt, während die grünen Augen hin- und herzuckten. Shea achtete nicht auf ihn, sondern überlegte sich, was er Panamon Creel über sich selbst, seine Kameraden und vor allem über das Schwert von Shannara erzählen sollte. Er war noch zu keinem Entschluß gelangt, als sie die Mahlzeit beendeten. Der Gefangene wurde wieder an den nächsten Baum gebunden und durfte ohne Knebel atmen, nachdem er hoch und heilig versprochen hatte, nicht wieder zu jammern und zu schreien. Panamon legte sich bequemer ans Feuer und sah Shea an.

»Es ist Zeit, daß du mir erzählst, was du über diese Geschichte mit dem Schwert weißt, Shea«, sagte er. »Keine Lügen, keine Halbwahrheiten, und nichts weglassen. Ich habe dir meine Hilfe versprochen, aber wir müssen einander vertrauen - und ich meine ein anderes Vertrauen, als ich es dem armseligen Deserteur dort angeboten habe. Ich bin offen und ehrlich zu dir gewesen. Sei du es auch zu mir.«

Und so erzählte Shea ihm alles. Zu Beginn hatte er das eigentlich gar nicht vor. Er wußte nicht so recht, wie viel er erzählen sollte, aber das eine führte zum anderen, und bis er sich umsah, hatte er nichts mehr für sich behalten. Er berichtete vom Auftauchen Allanons und dem Erscheinen des Schädelträgers, der die Brüder zur Flucht aus Shady Vale veranlaßt hatte. Er schilderte die Ereignisse um die Reise nach Leah und das Treffen mit Menion, gefolgt von der schrecklichen Flucht durch die Schwarzen Eichen nach Culhaven, wo sie mit den anderen zusammengetroffen waren. Er skizzierte den Marsch zu den Drachenzähnen, von dem viele Einzelheiten selbst für ihn nur verschwommen in der Erinnerung lagen. Er schloß mit dem Bericht, wie er von der Drachenfalte in den Fluß gestürzt und auf die Rabb-Ebene hinausgespült worden war, wo ihn die Gnomen gefangen genommen hatten. Panamon hörte ohne Unterbrechung zu, die Augen vor Verwunderung riesengroß. Keltset saß in unerschütterlicher Ruhe dabei, und das grobe, aber intelligente Gesicht war dem kleinen Talbewohner während der ganzen Erzählung zugewandt.

Orl Fane bewegte sich immer wieder unruhig, stöhnte und lallte Unverständliches vor sich hin, während er zuhörte, und seine Augen rollten wild hin und her, als fürchte er, jeden Augenblick müsse der Dämonen-Lord selbst auftauchen.

»Das ist die unwahrscheinlichste Geschichte, die ich je gehört habe«, sagte Panamon schließlich. »So unfaßbar, daß sogar ich sie kaum glauben kann. Aber ich nehm' sie dir ab, Shea. Ich glaube dir, weil ich gegen das Monstrum mit den schwarzen Schwingen gekämpft und deine seltsame Macht über die Elfensteine gesehen habe, wie du die Dinger nennst. Aber diese Geschichte mit dem Schwert, und daß du der vermißte Sohn von Shannara seist – ich weiß nicht. Glaubst du denn selbst daran?«

»Zu Anfang nicht«, gab Shea zu, »aber jetzt weiß ich nicht, was ich denken soll. Es ist so viel geschehen, daß ich nicht mehr entscheiden kann, wem oder was ich glauben soll. Auf jeden Fall muß ich wieder zu Allanon und den anderen. Vielleicht haben sie das Schwert inzwischen schon an sich gebracht. Vielleicht kennen sie die Antwort auf das ganze Rätsel mit meinem Erbe und der Macht des Schwertes.«

Orl Fane krümmte sich plötzlich vor Lachen zusammen.

»Nein, nein, sie haben das Schwert nicht«, kreischte er wie ein Wahnsinniger. »Nein, nein, nur ich kann Euch das Schwert zeigen. Ich kann Euch hinführen. Nur ich. Ihr könnt suchen und suchen und suchen, ha, ha, ha - nur zu. Aber ich weiß, wo es ist.