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So würde leichter für ihn sein, unbemerkt ins Lager zu gelangen, wie alle dick vermummt waren, und nach der zunehmenden Kälte zu schließen, würde es bis zu Morgendämmerung gewiß nicht wärmer werden.

Auf irgendeine Weise wirkte das Lager aus der Nähe kleiner als von oben. Flick machte sich trotzdem nichts vor, denn er wußte, daß es sich in alle Richtungen über eine Meile weit ausdehnte.

Sobald er zwischen den Wachen hindurchgeschlüpft war, würde er zwischen Tausenden schlafender Gnomen und Trolle sein, vorbeikommen an Hunderten von Feuern, die hell genug waren, seine Maske zu entlarven. Den ersten Fehler, den er beging, würde er teuer bezahlen. Auch wenn es ihm gelingen sollte, unentdeckt zu bleiben, mußte er immer noch die Gefangenen aufspüren und erfahren, wo sich das Schwert befand. Er schüttelte zweifelnd den Kopf und ging langsam weiter. Die natürliche Neugier forderte ihn auf, am Rand des Feuerscheins zu verweilen, um die noch wachen Gnomen und Trolle genauer zu betrachten, aber er widerstand der Versuchung, weil er wußte, daß ihm nicht allzuviel Zeit blieb. Die beiden anderen Rassen waren für ihn wie Wesen von einer anderen Welt. Auf seiner Reise nach Paranor hatte er mehrmals gegen die verschlagenen, wilden Gnomen gekämpft, aber er wußte noch immer wenig über sie und gar nichts von den riesigen Trollen. Jedenfalls gab es keinen Zweifel daran, daß die Armee unter der Führung des Dämonen-Lords stand, und welche Ziele er verfolgte, war auch klar.

Er wartete, bis der Wind den Rauch in dichten Wolken zwischen ihn und den nächsten Wachtposten trieb, dann stand er auf und schlenderte gemächlich auf das Lager zu. Er hatte sich eine Stelle ausgesucht, wo alle Soldaten schliefen. Rauch und Dunkelheit tarnten ihn, als er aus den Schatten in den Kreis der Feuer trat. Einen Augenblick später stand er zwischen den schlafenden Gestalten. Der Wachtposten starrte leer in die Dunkelheit hinein, ohne etwas bemerkt zu haben.

Flick zog den Umhang fester zu und achtete darauf, daß nur seine Hände sichtbar waren. Sein Gesicht war ein schwacher Schatten unter der Kapuze. Er schaute sich hastig um, aber niemand rührte sich in seiner Nähe. Er atmete tief die kühle Nachtluft ein und versuchte sich im Hinblick auf den Mittelpunkt des Lagers zu orientieren. Er wählte eine Richtung, von der er annahm, daß sie ihn unmittelbar dorthin führen mußte, schaute noch einmal um sich, und setzte sich mit gemessenen Schritten in Bewegung. Es gab keine Umkehr.

Was er in dieser Nacht sah, hörte und erlebte, hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck in seinem Gedächtnis. Es war ein sonderbarer, flüchtiger Alptraum aus Erscheinungen und Lauten, Kreaturen und Gestalten aus einer anderen Zeit, von einem anderen Ort, die in seiner eigenen Welt keinen Platz hatten und doch hineingeschleudert worden waren wie Strandgut von einem fremden Ozean. Vielleicht betäubten die Nacht und der wehende Rauch der Lagerfeuer seine Sinne und erschufen diese traumartige Atmosphäre. Vielleicht konnte auch ein erschöpftes, überfordertes Gehirn nicht mehr alles aufnehmen und verarbeiten.

Die Nacht verrann in trägen Minuten und endlosen Stunden, während der kleine Talbewohner durch das riesige Lager schlich und sein Gesicht vor dem Lichtschein verbarg. Vorsichtig schlängelte er sich zwischen Tausenden schlafender Gestalten hindurch, mußte manchmal sogar über die eine oder andere hinwegsteigen.

Immer wieder glaubte er, entdeckt zu sein, immer wieder griff er nach seinem Jagdmesser, während ihm sein Herz stehenbleiben wollte. Oft kamen ihm Männer entgegen, als wüßten sie, daß er ein Schwindler sei, als wollten sie ihn aufhalten und die Kapuze herunterreißen, um ihn vor allen bloßzustellen.

Aber jedesmal gingen sie wortlos vorbei, und Flick blieb allein, eine vergessene Gestalt inmitten von Tausenden mehrmals kam er an Gruppen vorüber, die sich leise unterhielten und lachten, bemüht, sich am Feuer zu wärmen. Zweidreimal nickte ihm jemand zu, wenn er vorbeiging, die Kapuze tief heruntergezogen, und er erwiderte das Nicken kaum merklich. Immer wieder glaubte er, etwas Falsches getan zu haben.

Schweigsam gewesen zu sein, wenn er hätte reden müssen, gegangen zu sein, wo es verboten war - aber jedes Mal verging der schreckliche Augenblick, und Flick vermochte für eine kurze Zeit aufzuatmen.

Er wanderte stundenlang durch das riesige Lager, ohne einen Hinweis auf den Verbleib Sheas, Eventines oder des Schwertes vom Shannara zu finden. Als der Morgen herankam, begann er daran zu zweifeln, je etwas finden zu können. Er war an zahllosen Feuern vorbeigekommen, hatte auf ein Meer schlafender Gegner geblickt, viele Zelte gesehen, bezeichnet von den Standarten feindlicher Anführer, Gnomen und Trolle, aber sie waren alle unbewacht gewesen. Bei einigen hatte er sich näher herangeschlichen, ohne jedoch etwas zu entdecken.

Er belauschte Gesprächsfetzen zwischen den Gnomen und Patroullien, die nicht schliefen, versuchte gleichzeitig, nicht aufzufallen und doch nah genug heranzukommen, um zu hören, was gesprochen wurde. Aber die Trollsprache war ihm gänzlich fremd, und das Wenige, das er von der Gnomensprache verstand, brachte ihm nichts Nützliches ein. Es schien, als wüßte niemand von den beiden Vermißten und dem Schwert, ja, es hatte den Anschein, als befänden sich weder die Gefangenen noch die Waffe hier im Lager. Flick begann sich zu fragen, ob Allanon nicht einer Täuschung erlegen war.

Er blickte besorgt zum bewölkten Nachthimmel hinauf. Er wußte nicht genau, wie spät es war, aber auf die Dunkelheit würde er sich nur noch wenige Stunden verlassen können, so viel war ihm klar. Für einen Augenblick geriet er in Panik, als ihm einfiel, daß die Zeit nicht einmal reichen mochte, zu Allanons Versteck zurückzukehren. Er schüttelte aber die Angst entschlossen ab und sagte sich, daß er im Wirrwarr des erwachenden Lagers leicht zwischen den Leuten würde hindurchschlüpfen und zu den Berghängen gelangen können, bevor die Sonne ihn erfaßte.

In der Dunkelheit regte sich rechts von ihm plötzlich etwas, und in den Feuerschein stapften vier riesenhafte Trolle, alle bewaffnet.

Sie unterhielten sich leise, während sie an Flick vorbeigingen.

Einer Eingebung folgend, schloß Flick sich im Abstand von einigen Metern an, weil er wissen wollte, wohin sie in voller Kampfausrüstung gingen, mitten in der Nacht. Mehrmals kamen sie an dunklen Zelten vorbei, in denen Flick ihr Ziel vermutete, aber sie marschierten ohne Aufenthalt weiter.

Flick fiel auf, daß die Anlage des Lagers sich in diesem Bereich veränderte. Es gab hier noch mehr Zelte, manche mit hohen, erhellten Vordächern, hinter denen aufrechte Silhouetten sichtbar waren. Es gab weniger einfache Soldaten, die am Boden schliefen, sondern mehr Wachen zwischen den hell lodernden Feuern. Es fiel Flick schwerer, sich in dieser Helligkeit zu verbergen. Um Fragen aus dem Weg zu gehen und nicht entdeckt zu werden, holte er auf und marschierte hinter den Trollen her, als gehöre er zu ihnen. Sie kamen anzahlreichen Wachen vorbei, die kurz grüßten und ihnen nachsahen, aber nicht einer versuchte den vermummten Gnom aufzuhalten, der hinter dem Trupp herlief.

Die Trolle bogen plötzlich nach links ab, und Flick folgte ihnen automatisch - sah sich aber plötzlich vor einem langen, niedrigen Zelt, das ebenfalls von bewaffneten Trollen bewacht wurde. Flick blieb keine Zeit mehr, umzukehren oder sich zu verstecken, und als der Trupp vor dem Zelt stehenblieb, ging er einfach weiter, so, als gehe ihn das Ganze nichts an. Die Wachen schienen sich ebenfalls nichts dabei zu denken und warfen nur beiläufige Blicke auf ihn, als er vorbeischlurfte. Augenblicke später war er an ihnen vorbei, allein in der Dunkelheit.

Er blieb abrupt stehen. Der Schweiß lief ihm über den ganzen Körper, er atmete kurz und stoßweise. Er hatte nur eine Sekunde Zeit gehabt, durch die Öffnung in das beleuchtete Zelt zu blicken, zwischen den emporragenden Trollenwachen mit den eisernen Piken hindurch - nur eine Sekunde, um das geduckte, schwarzgeflügelte Ungeheuer zu sehen, das dort stand, umgeben von Trollen und Gnomen. Aber der Anblick war unverwechselbar gewesen. Ein Schädelträger! Flick zitterte am ganzen Körper, während er sich bemühte, zu Atem zu kommen.