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In dem schwerbewachten Zelt ging etwas Entscheidendes vor.

Vielleicht befanden sich die Vermißten und das Schwert dort, bewacht von den Gehilfen des Dämonen-Lords. Ein grausamer Gedanke, und Flick wußte, daß er um jeden Preis einen Blick ins Innere werfen mußte. Aber seine Zeit war abgelaufen, das Glück hatte ihn im Stich gelassen. Die Wachen allein genügten schon, um zu verhindern, daß jemand ins Innere gelangte, aber die zusätzliche Anwesenheit eines Schädelträgers ließ die Aussicht selbstmörderisch erscheinen. Flick ließ sich auf die Hacken nieder und schüttelte hoffnungslos den Kopf. Die Ungeheuerlichkeit der Aufgabe entmutigte ihn, aber welcher Weg blieb ihm sonst? Wenn er jetzt zu Allanon zurückkehrte, wußten sie so viel wie vorher, und der nächtliche Erkundungsgang war umsonst gewesen.

Er sah zum Nachthimmel hinauf, als könne er dort eine Lösung finden. Die Wolkendecke verharrte an ihrem Platz und hing drohend zwischen dem Mond und der Schwärze der schlafenden Sterne. Die Nacht würde bald zu Ende sein. Flick stand auf und zog den Umhang wieder enger um sich. Das Schicksal mochte ihm beschieden haben, daß die ganze Mühe nur dazu gedient hatte, ihm einen raschen Tod einzubringen, aber Shea verließ sich aul ihn- vielleicht auch Allanon und die anderen. Er mußte wiston, was in diesem Zelt war. Langsam und vorsichtig schlich er sich an.

Die Morgendämmerung kam schnell, eine düstere graue Helligkeit am östlichen Himmel, lastend unter Nebel und Stille. Das Wetter hatte sich südlich der Streleheim-Ebenen nicht gebessert, unterhalb der dunklen Wand, die das Fortschreiten des Dämonen-Lords anzeigte. An den Hangen der westlichen Drachenzäh hatten die Wachen ihre Posten verlassen, um in das erwachende Lager der Nordland-Armee zurückzukehren. Allanon saß ruhig im Schutz der Felsblöcke, in dem schwarzen, langen Umhang kaum geschützt gegen die Kälte oder den Nieselregen, aus dem bald ein Guß wurde. Er hatte die ganze Nacht hier gesessen und auf Flick gewartet, aber als der Himmel im Osten hell wurde und der Feind erwachte, verblaßten seine Hoffnungen. Trotzdem wartete er weiter, wider alle Aussichten hoffend, daß es dem kleinen Talbewohner auf irgendeine Weise gelungen sein mochte, sich zu verbergen, unbemerkt durch das Lager zu schleichen und seinen vermißten Bruder, den Elfen-König und das Schwert zu finden, um dann durch die feindlichen Linien zu gelangen, bevor der Tag anbrach. Das Lager wurde abgebrochen, die Zelte sanken in sich zusammen und wurden verpackt, während die riesige Armee Marschsäulen bildete. Schließlich begann die Kampfmaschine des Dämonen-Lords nach Süden zu marschieren, Richtung Kern, und der riesenhafte Druide trat hinter den Felsen hervor, damit ihn Flick sehen konnte, wenn er in der Nähe war. Nichts rührte sich, nichts war zu hören als der über das Grasland fauchende Wind, und die schwarze Gestalt stand regungslos. Nur die Augen verrieten die tiefe Bitterkeit, die der Druide empfand.

Endlich wandte er sich nach Süden, einen Weg parallel zu der vorausmarschierenden Armee wählend. Riesenschritte bezwangen die Entfernung zwischen ihnen, als der Regen herabzurauschen begann und die gewaltige Leere der Ebenen zurückblieb.

Menion Leah erreichte den mäandernden Mermidon-Fluß unmittelbar nördlich der Inselstadt Kern nur Minuten, bevor es hell wurde. Allanon hatte den Prinzen zu Recht darauf hingewiesen, daß er es schwer haben würde, unentdeckt durch die feindlichen Linien zu schlüpfen. Die Vorposten reichten weit über die Ebene hinaus, nach Westen über dem Mermidon vom Südrand der Drachenzähne. Alles nördlich dieser Linie gehörte dem Dämonen-Lord. Feindliche Streifen huschten ungehindert am Südrand des hochragenden Gebirges entlang und bewachten die wenigen Übergänge. Balinor, Höndel und die Elfen-Brüder hatten am hohen Kennon-Paß einen dieser Trupps überrumpeln können, aber Menion genoß nicht den Schutz der Berge vor den Nordländern.

Er hatte direkt durch das flache, offene Grasland südlich des Mermidon gehen müssen, das sich nach Süden zum Mermidon erstreckte. Zwei Dinge kamen dem Hochländer jedoch zu Hilfe. Die Nacht blieb bewölkt und dunkel, so daß man nur wenige Meter weit sehen konnte. Außerdem war Menion ein Jäger und Spurensucher wie kein anderer im Südland. Er vermochte schnell und sicher durch die Schwärze zu eilen, unentdeckt von allen, außer den allerschärfsten Ohren.

Er hatte sich nicht ohne Groll von Allanon und Flick verabschiedet.

Er traute dem riesigen Druiden nicht so ganz und bereute es, Flick mit ihm allein gelassen zu haben. Sie hatten alles getan, was Allanon verlangte, und ihm in jeder Krise blind vertraut, obwohl sie ahnten, daß er ihnen vieles verschwieg. Er hatte zwar immer recht gehabt, aber das Schwert hatten sie nun doch nicht bekommen, dazu auch noch Shea verloren. Und jetzt sah es so aus, als sollte die Armee aus dem Nordland erfolgreich im Süden eindringen. Nur das Grenzreich von Callahorn stand dazwischen bereit, den Angriff abzuwehren. Menion, der die ungeheure Streitmacht gesehen hatte, wagte nicht daran zu glauben, daß selbst die legendäre Grenzlegion sie würde aufhalten können.

Sein Verstand sagte ihm, die einzige Hoffnung bestünde darin, die Gegner so lange hinzuhalten, bis die Elfen- und Zwergen-Armeen sich mit der Grenzlegion vereinigen konnten, um dann zurückzuschlagen. Er war überzeugt davon, daß das Schwert für sie verloren war, und selbst wenn sie Shea wieder finden sollten, würde es keine Gelegenheit mehr geben, nach der rätselhaften Waffe zu suchen.

Er fluchte leise, als sein Knie an die scharfe Kante eines Felsblocks stieß, und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Umgebung. Wie eine schwarze Eidechse wand er sich an den unteren Hängen der Drachenzähne hinunter, durch das Labyrinth von Blöcken und Brocken, das Schwert von Leah und den langen Eschenbogen auf den Rücken geschnallt. Er gelangte nach unten, ohne auf jemand zu stoßen, und starrte in die Dunkelheit. Nichts regte sich. Er trat vorsichtig hinaus auf die grasbewachsene Ebene und blieb immer wieder stehen, um zu lauschen. Er wußte, daß die Wachtposten in der Nähe sein mußten, vermochte aber nichts zu erkennen.

Er hastete lautlos weiter, das Messer locker in der Hand. Er ging lange Minuten ohne Zwischenfall und glaubte schon aufatmen zu können, als ein schwaches Geräusch an sein Ohr drang.

Er erstarrte sofort, versuchte auszumachen, woher es gekommen war, und hörte es wieder - ein leises Husten aus der Dunkelheit unmittelbar vor ihm. Ein Posten hatte sich gerade noch rechtzeitig verraten, um den Hochländer davor zu bewahren, daß er mit ihm zusammenprallte. Ein Aufschrei hätte alle anderen sofort herbeigelockt.

Menion ließ sich auf Hände und Knie nieder und umklammerte das Messer fester. Er kroch lautlos weiter. Endlich vermochten seine Augen die Umrisse einer Gestalt zu erkennen.

Der Größe nach war der Posten ein Gnom. Menion wartete noch einige Minuten, um ganz sicher zu sein, daß der Gnom ihm den Rücken zukehrte, dann schlich er sich an. Mit einer blitzschnellen Bewegung fuhr er hoch, packte den ahnungslosen Gnom an der Kehle und ließ das Messer niedersausen. Der Gnom sank bewußtlos auf den Boden. Menion zögerte nicht, sondern huschte weiter; er wußte, daß andere Wachen in der Nähe waren. Der Wind blies unablässig, und die Minuten verrannen zäh.

Schließlich und endlich erreichte er den Mermidon vor der Inselstadt Kern, deren Lichter fern im Süden glommen. Er blieb auf einer kleinen Anhöhe stehen, die langsam abfiel und das Nordufer des schnellströmenden Flusses bildete. Er blieb halb geduckt, den Umhang eng um sich gewickelt, um vor der nächtlichen Kälte geschützt zu sein. Er war verwundert und erleichtert darüber, daß er den Fluß erreicht hatte, ohne auf eine weitere Postenkette zu stoßen. Vermutlich hatte er mit seiner ursprünglichen Annahme recht gehabt und war durch eine der Ketten geschlüpft, ohne es zu bemerken.