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Die Konföderierten waren selbst überrascht, mit welchem Erfolg ein einziges Fischboot den Handel der Union vor der kalifornischen Küste störte. Die ersten Versuche mit den stählernen, unter Wasser angreifenden Zigarren waren nicht sehr erfolgversprechend gewesen.

Die PIONEER, ein frühes, tümmlerähnliches Modell, ein ganzes Stück kleiner als die GREY SHARK, sank Anfang des Jahres 1862 bei einer Übungsfahrt auf dem Lake Pontchartrain bei New Orleans. Zwar gelang die Bergung, aber dann wurde das Boot freiwillig wieder versenkt, als die verhaßten Yankees die Stadt eroberten.

Die Blaubäuche selbst hatten auch ihre schlechten Erfahrungen mit Fischbooten gemacht. Im Sommer 1862 sank ihre ALLIGATOR bei stürmischer See bei Kap Hatteras, als sie gerade für einen Angriff in Position geschleppt wurde.

Alva Devane war schon immer für alles Moderne, was mit der Seefahrt zusammenhing, aufgeschlossen und begeistert gewesen. Das Erbe seines Vaters, eines reichen Plantagenbesitzers aus Georgia, ermöglichte ihm Entwicklung und Bau der GREY SHARK. Damit machte der fanatische Südstaatler Jagd auf die Handelsschiffe des Nordens.

Die GREY SHARK war vielleicht das größte und modernste Fischboot auf der Welt. Jedenfalls war sie der HUNLEY weit überlegen, dem Boot, auf das die Menschen in der vom Norden belagerten Hafenstadt Charleston ihre Hoffnung setzten. Nach mehreren verheerenden Probefahrten, die einige tapfere Seeleute das Leben gekostet hatte, befand sie sich noch immer im Erprobungsstadium.

Jedenfalls glaubte Lieutenant Devane das. Die Nachricht war noch nicht zu ihm durchgedrungen, daß vor zwei Wochen, am 17. Februar 1864, die HUNLEY ein US-Blockadeschiff, die Fregatte HOUSANTONIC, versenkt hatte. Allerdings wäre Devanes Ansicht über die HUNLEY dadurch bestätigt worden, hätte er erfahren, was sich danach ereignet hatte: Infolge des Schocks, den die Explosion des Spierentorpedos auslöste, sank auch das Fischboot mit der kompletten neunköpfigen Besatzung.

»Sie müssen etwas essen, Sir«, rief der treue Bill Brixton aus dem länglichen Rumpf der GREY SHARK zu dem Offizier herauf. »Ich löse Sie ab.«

»Nein!« erwiderte Devane, ohne das Fernrohr auch nur für eine Sekunde abzusetzen. »Ich bleibe auf Wache, bis die Sonne untergeht.«

Der kantige Maat seufzte ergeben. Er kannte seinen Kommandanten und wußte, daß Devane trotz seiner Jugend starrsinniger war als mancher auf See ergraute Kapitän.

Murrend fuhr er fort, die Lenzpumpe zu bedienen. Sie beförderte das trotz der erhöhten Umrandung der vorderen Luke in unablässigen Rinnsalen ins Boot plätschernde Wasser wieder nach draußen, ins Meer.

Doch eine bissige Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen: »Bei allem Respekt, Sir, wenn Sie vor Hunger umkippen, haben nur die blaubäuchigen Yankees was davon.«

»Ich werde nicht vor Hunger umkippen, Bill, ganz bestimmt nicht«, erwiderte der Lieutenant in einem seltsam erregten Ton, der Brixton und die zehn Männer an der das Boot antreibenden Kurbelwelle aufhorchen ließen. »Ich werde nämlich gleich gut essen, sobald wir die ALBANY in Treibholz verwandelt haben!«

»Haben Sie das Schiff etwa gesichtet, Sir?« rief Brixton herauf.

»So ist es«, knurrte Devane, ohne den Blick von den weißen Segeln zu nehmen, die noch zu weit entfernt waren, um sie mit bloßem Auge zu erkennen. »Das ist eindeutig die Takelage einer Bark. An Fock- und Großmast hängen Rahsegel, aber der Besanmast verfügt nur über Gaffelbesegelung. Es muß die ALBANY sein!«

Der Lieutenant kletterte nach unten, verschloß die Einstiegsluke, riß den triefnassen Südwester von seinem blondbehaarten Kopf und drückte sein unrasiertes Gesicht gegen das mit Guttapercha abgedichtete Bullauge am Bug.

Nein, auf diese Entfernung sah er die ALBANY mit bloßem Auge wirklich nicht!

Aber das machte nichts. Er hatte sich die Position gut eingeprägt, an der die GREY SHARK den Dreimaster treffen würde. Vorausgesetzt, das Fischboot war schnell genug.

Devane brüllte seine Befehle.

Die zehn kräftigen Männer, die in leicht gebeugter Haltung an der Kurbelwelle standen, arbeiteten sich in Schweiß. Es sah fast aus wie ein Bild aus der Hölle. Im Fischboot herrschte ein Halbdunkel. Nur wenig Licht drang durch das einzige Bullauge am Bug ein. Nicht viel stärker waren die offenen Kerzenflammen. Ihr flackernder Schein ließ die vor Anstrengung verzerrten Gesichter der Männer an der Kurbelwelle wie die von Teufeln erscheinen.

Aber die Anstrengung machte sich bezahlt. Die GREY SHARK nahm rasch Fahrt auf, in solche Betriebsamkeit versetzten die Seeleute die große Schraube am Bug. Fünf oder sechs Knoten, schätzte Devane.

Mit feuchten Händen betätigte er die Hebel, um das Ruder am Heck in die richtige Position zu bringen. Feucht waren seine Hände nicht nur wegen des pazifischen Salzwassers, das ihn im Ausguck reichlich überspült hatte, sondern auch vor Schweiß. So war es jedesmal, wenn die GREY SHARK kurz vor dem Versenken eines Schiffes stand. Das Jagdfieber hatte Lieutenant Alva Devane gepackt!

Es verstärkte sich noch, als endlich der gewaltig wirkende Rumpf des Seglers vor dem Bullauge auftauchte. Sich in regelmäßigen Abständen leicht hebend und senkend, durchschnitt er die Wellen.

Devane kniff die Augen zusammen und erkannte endlich den Namen des Schiffes, der in großen Lettern am Bug stand: ALBANY »Sie ist es!« rief er jubelnd. »Es ist die ALBANY! Wenn wir leicht nach Steuerbord drehen, erwischen wir sie voll!«

Und schon drehte er das Heckruder herum. Anschließend veränderte er durch die Schwenkung weiterer Hebel die Tiefenruder, die an beiden Seiten des Bugs angebracht waren. Fast gleichzeitig klappte er den Schnorchel ab, der das Boot mit Frischluft versorgte.

»Ballasttanks an Bug und Heck fluten!« rief er dabei.

Zwei Seeleute ließen die Handgriffe der Kurbelwelle los und betätigten die Handpumpen, um die Tanks mit Meerwasser zu füllen. Die GREY SHARK sank unter die Oberfläche, bereit für den Angriff.

Nur noch die Kerzen sorgten jetzt für Licht. Aber sie hatten noch eine zweite wichtige Aufgabe: Ihr Verlöschen würde den zwölf Männern in dem stählernen Rohr anzeigen, wann die Atemluft verbraucht war.

Die konföderierten Seeleute waren sich der Tatsache bewußt, daß ihr Boot für sie alle sehr schnell zum stählernen Sarg werden konnte. Das hielt sie nicht davon ab, auf dem gefürchteten >stählernen Monster< Dienst zu tun. Jeder von ihnen hatte sich in voller Kenntnis der Risiken freiwillig gemeldet. Jeder hatte seinen ganz persönlichen Grund, die Yankees bis aufs Blut zu hassen oder vehement für die Sache des Südens einzutreten. Gründe, die schwerer wogen als die Angst ums eigene Leben.

Durch das dicht an der Oberfläche klare Meerwasser sah Lieutenant Devane, dessen Augen unentwegt am Bullauge hingen, verschwommen den dunklen Rumpf der ALBANY, der jetzt fast das gesamte Sichtfeld ausfüllte. Die GREY SHARK schoß auf die Steuerbordseite der Bark zu.

»Gut festhalten!« brüllte der junge Offizier. »Feindberührung in zwanzig Sekunden!«

Im Geiste zählten die Männer im stählernen Fischboot mit. Obwohl sie auf den Zusammenprall vorbereitet waren, ließ die starke Erschütterung viele das Gleichgewicht verlieren. Sie stürzten auf den Boden, gegen die Wände oder übereinander. Sie zogen sich Prellungen und Hautabschürfungen zu. Unwichtig! Wichtig war nur ihre Aufgabe.

Der stählerne Dorn am Bug der GREY SHARK bohrte sich tief in den hölzernen Leib des attackierten Seglers. Von der Wucht der schnellen Fahrt angetrieben, fraß sich die mit Sägezähnen besetzte Spitze immer weiter durch das Holz.

Sobald das Fischboot stillstand, gab Devane auch schon den Befehl zum Zurücksetzen. Wieder bedienten seine Männer die sich längs fast durch den ganzen Bootsrumpf ziehende Kurbel mit aller Kraft, diesmal in umgekehrter Richtung. Sie hörten das Splittern und Ächzen, als sich die GREY SHARK von der ALBANY löste. Nur die Spitze blieb zurück. Die Sägezähne bissen sich im Holz fest und hielten sie dort. Alles verlief nach Plan.