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Der Steuermann war stark, aber nicht stark genug. Mit dem Aufschrei eines wilden Tieres befreite Elihu Brown seinen Kopf aus dem eisernen Griff. Stanford hielt nur noch ein Büschel ausgerissener Haare zwischen den verkrampften Fingern.

War es Absicht oder nur die Kraft der Bewegung? Browns Kopf krachte gegen den des Gegners. So hart, daß die Knochen hörbar knackten.

Stanford schloß die Augen.

Mit ihm schien es zu Ende zu gehen.

Plötzlich wurden seine beiden Begleiter aktiv. Bis jetzt hatten sie den Kampf ebenso fasziniert verfolgt wie die anderen Männer. Jetzt, wo ihr Steuermann zu unterliegen drohte, mußten sie etwas unternehmen, wollten sie sich nicht seinem Zorn und dem des Kapitäns aussetzen. Sie drängten sich durch den Ring der Zuschauer nach vorn.

Frenchy schwang den schweren Knüppel und ließ ihn auf Elihu Browns Schädel krachen.

Der Harpunier stöhnte auf, ließ aber nicht von seinem Opfer ab.

Ein zweiter Schlag auf dieselbe Stelle änderte die Sachlage. Browns Körper erschlaffte, rollte von dem Steuermann und zeigte nur durch leichte Zuckungen, daß noch Leben in ihm war.

Frenchy griff nach Stanfords Revolver, spannte den Hahn und hielt den ermatteten Harpunier mit der Waffe in Schach.

Der andere Seemann kümmerte sich um Stanford. Durch leichte Schläge, die er mit der flachen Hand auf die Wangen des Steuermanns ausführte, brachte er diesen wieder zu Bewußtsein.

Erst machte Stanford das verwirrte Gesicht eines kleinen Kindes, das zum erstenmal bewußt die Welt um sich herum wahrnahm. Er kniff die Augen zusammen und schüttelte sein Kopf. Das war mit Schmerzen verbunden, wie seine plötzlich verzerrten Züge und sein gedehntes Stöhnen verrieten. Aber der Schmerz schaffte es besser als alles andere, ihn an das zu erinnern, was sich abgespielt hatte.

Sein Gesicht ruckte zu Brown herum. Jetzt drückte es nicht mehr Schmerz aus, sondern grenzenlosen Haß.

»Gottverfluchter Hurensohn!« knurrte er, als er die Hände auf einer Kiste abstütze und sich ächzend auf die Beine zog. »Dir werde ich den Gehorsam einprügeln!«

Er riß die Fischbeinpeitsche aus dem Gürtel und schlug wie ein Besessener auf den noch halb bewußtlosen Harpunier ein. Immer wieder pfiff die dünne Gerte durch die stickige Luft des Frachtraums, klatschte auf den Körper des wehrlosen Harpuniers und riß Kleider wie Haut in Fetzen.

Auch Elihu Brown erlangte durch den Schmerz sein Bewußtsein wieder.

Aber Frenchy und sein Kamerad vereitelten alle Bemühungen des Harpuniers, den Schlägen auszuweichen. Wollte er sich erheben, rissen sie ihn wieder von den Beinen.

Jacob wurde übel bei dem Anblick des bloßgelegten, blutigen Fleisches.

Doch Stanford schien keinen Abscheu zu empfinden. Ganz im Gegenteil. Mit der Unermüdlichkeit des Rasenden drosch er weiter auf den jämmerlich stöhnenden Harpunier ein.

Jacobs eng an den Leib gefesselte Hände ballten sich zu Fäusten. Dieser Ausdruck seiner Hilflosigkeit und seines Zorns war die einzige Bewegung, die ihm mit den Händen möglich war.

Hätte er sie nur frei gehabt!

Er hätte dem Schläge austeilenden und dabei viehisch keuchenden Steuermann zu gern gezeigt, wie es war, wenn man verprügelt wurde.

Schließlich hielt Jacob es nicht mehr aus. Der Anblick von Elihu Browns zerschundenem Oberkörper, vor lauter Blut so rot wie eine vollreife Tomate, riß den jungen Deutschen mit einem wuterfüllten Aufschrei nach vorn.

Er rammte seine Schulter in Stanfords Kreuz.

Der Steuermann stolperte vorwärts, über sein sich vor Schmerzen am Boden windendes Opfer. Darüber und vielleicht auch wegen des Blutes, das die Planken glitschig machte, kam Stanford zu Fall.

Aus den Augenwinkeln sah Jacob, wie Frenchys Rechte mit dem Navy-Revolver in seine Richtung schwenkte.

Fast mechanisch tauchte der junge Zimmermann nach unten weg. Zugleich bemerkte er den Flammenstrahl, der aus der dunklen Mündung in seine Richtung leckte.

Die schnelle Reaktion bewahrte Jacob vor einer schweren Verwundung, rettete ihm vielleicht sogar das Leben. Die Kugel zerteilte die Luft dort, wo sich eben noch sein Kopf befunden hatte.

Es gab ein häßliches Kreischen, als das Bleigeschoß irgendwo hinter Jacob etwas Metallisches schrammte, vielleicht ein Scharnier.

Frenchy wollte den Hahn erneut spannen.

Jacob war schneller und rannte ihn einfach über den Haufen.

Als der untersetzte Mann mit dem Kugelbauch zwischen Stanford und Brown fiel, nahm Jacob einen Schatten hinter sich wahr.

Er wirbelte herum und sah das pockennarbige Gesicht des anderen Mannes aus Stanfords Begleitung.

Der Seemann hatte den rechten Arm hochgereckt. Jetzt sauste die Hand mit dem Knüppel auf den Deutschen nieder. Jacob duckte sich und konnte verhindern, daß das schwere Holz seinen in letzter Zeit reichlich lädierten Kopf traf.

Aber der Schlag gegen die linke Schulter war schmerzhaft genug. Er schickte den großen Mann aus Deutschland zu Boden. In regelmäßigen, kurzen Abständen gingen heiße Schmerzwellen von der getroffenen Schulter aus und überfluteten den ganzen Oberkörper.

Der Pockennarbige hob den Knüppel schon zum nächsten Schlag.

Jacob lag auf der rechten Seite. Er wollte die Linke hochreißen, um den Schlag, wenn schon nicht abzuwehren, dann wenigstens abzumildern.

Aber es ging nicht. Er hatte die Fesseln vergessen.

»Du greifst nicht noch mal einen Steuermann an, Bastard!« knurrte der Pockennarbige, und ein wölfisches Grinsen umspielte seine von Natur aus schrägstehenden Lippen.

Er zögerte mit dem Zuschlagen, wollte die Angst auf Jacobs Gesicht auskosten.

»Halt!« lähmte eine schneidend scharfe Stimme den Pockennarbigen in der Sekunde, als er den vernichtenden Schlag ausführen wollte. »Was ist hier los, Petrov? Ich habe zwei Schüsse gehört. Wer hat geschossen?«

»Mr. Stanford und Frenchy, Käpten«, antwortete der Mann namens Petrov.

Noch immer hielt er den Holzknüppel hoch über seinem Kopf, was seiner Haltung etwas Groteskes verlieh.

Mit einer Art widerwilliger Faszination starrte Jacob, wie alle anderen auch, den Mann an, der an der Spitze eines kleinen Trupps von Seeleuten im Eingang des Frachtraums stand.

Auch wenn Petrov ihn nicht als >Käpten< angesprochen hätte, hätte der Deutsche sofort gewußt, daß er es mit John Raven zu tun hatte.

Der Mann strahlte jene Kraft und Autorität aus, die man einfach benötigte, um ein Schiff voller rauher Burschen monatelang auf See zu führen.

Überlagert wurde diese Autorität von dem schrecklichen Aussehen des Kapitäns.

Seine linke Gesichtshälfte war verunstaltet. Eine einzige blutunterlaufene Narbe, die erst am Kinn schmaler wurde und am Hals schließlich mit der Haut verschmolz.

Auch das Auge war in Mitleidenschaft gezogen. Jedenfalls wurde es von einer schwarzen Klappe verdeckt. Später erfuhr Jacob von Mannschaftsmitgliedern der LUCIFER, daß beim Untergang der CORA SUE ein brennender Holzsplitter das Auge ausgestochen hatte.

Der Kapitän der LUCIFER kam näher. Die shanghaiten Männer traten ehrfürchtig zurück und bildeten eine Gasse für den großen, hageren Mann.

Jacob konnte ihnen diesen Respekt nicht verdenken. Ebensowenig kamen ihm die Gerüchte übertrieben vor, nach denen Raven mit dem Teufel im Bunde sein sollte. Wenn man den Mann ansah, schien dieser Verdacht nahezuliegen.

Sein hageres, unten spitz zulaufendes Gesicht war von der Sonne so tief gebräunt, daß es fast schwarz wirkte. Die Haut schien aus ledernen Lappen zu bestehen.

Das rechte Auge war blutunterlaufen. Die große, krumme Nase verstärkte den satanischen Eindruck noch.

Ebenso der zerknitterte schwarze Anzug, dessen zahlreiche Flecken verrieten, daß sein Besitzer nicht viel auf Äußerlichkeiten gab.

Der Kapitän, gefolgt von seinen mit Knüppeln und Speckmessern bewaffneten Begleitern, blieb dicht vor den am Boden liegenden Männern stehen.