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«O weh, hat er Sie gekratzt?» fragte Miss Waynflete.

«Nicht der Rede wert», antwortete Bridget und sog an einem Kratzer, der quer über den Handrücken lief.

«Soll ich etwas Jod draufgeben?»

«Ach nein, es ist schon gut. Machen wir doch keine Geschichten.»

Miss Waynflete schien ein wenig enttäuscht. Bridget fürchtete, unfreundlich gewesen zu sein, und sagte schnell. «Wie lange wird Luke wohl brauchen?»

«Machen Sie sich keine Sorgen, meine Liebe. Ich bin sicher, Mr Fitzwilliam kann gut auf sich achtgeben.»

«Oh, ich habe Angst!»

In diesem Augenblick läutete das Telefon; Bridget eilte hin. Lukes Stimme erklang.

«Hallo! Bist du’s, Bridget? Ich bin in der ‹Scheckigen Glocke›. Kannst du auf deine Sachen bis nach dem Lunch warten? Battle ist nämlich angekommen – du weißt, wen ich meine – »

«Der Superintendent von Scotland Yard?»

«Ja. Und er will gleich mit mir reden.»

«Mir ist es recht. Bring mir meine Sachen nach dem Lunch und erzähl mir, was er zu allem sagt.»

«Schön. Auf Wiedersehen, Darling.»

«Auf Wiedersehen.»

Bridget legte den Hörer auf und berichtete Miss Waynflete von dem Gespräch. Dann gähnte sie, ein Gefühl der Müdigkeit hatte ihre Erregung abgelöst.

Miss Waynflete bemerkte es.

«Sie sind müde, meine Liebe. Sie sollten sich ein wenig niederlegen – nein, das wäre vielleicht nicht gut gerade vor dem Essen. Ich wollte eben ein paar alte Kleidungsstücke einer Frau bringen, die nicht weit von hier wohnt – ein hübscher Weg über die Felder. Vielleicht kommen Sie mit? Wir haben gerade noch Zeit vor dem Lunch.»

Bridget war sofort einverstanden.

Sie gingen zur hinteren Türe hinaus. Miss Waynflete trug einen Strohhut und hatte, zu Bridgets Belustigung, Handschuhe angezogen.

Als ob wir über die Bond Street gingen! dachte sie.

Miss Waynflete plauderte während des Gehens über verschiedene kleine Dorfangelegenheiten. Sie schritten über zwei Felder und schlugen dann einen Pfad ein, der durch ein etwas verwildertes Dickicht führte. Es war ein heißer Tag, und Bridget fand den Schatten der Bäume angenehm.

Miss Waynflete schlug vor, sich zu setzen und auszuruhen. «Es ist heute wirklich drückend heiß, finden Sie nicht auch? Ich glaube, es liegt ein Gewitter in der Luft!»

Bridget stimmte etwas schläfrig zu. Sie lehnte sich mit halbgeschlossenen Augen an den Abhang, einige Verse gingen ihr durch den Kopf:

Was gehst du in Handschuh’n durch Feld und Hag

o fette Graue, die niemand mag?

Aber das war nicht ganz richtig! Miss Waynflete war nicht fett. Sie änderte die Worte, damit sie stimmten.

Was gehst du in Handschuh’n durch Feld und Hag

o magre Graue, die niemand mag?

«Sie sind sehr schläfrig, meine Liebe, nicht wahr?»

Die Worte wurden in sanftem, alltäglichem Ton gesprochen, aber etwas in ihnen ließ Bridget plötzlich die Augen aufreißen. Miss Waynflete hatte sich zu ihr vorgebeugt, ihre Augen blickten begierig, ihre Zunge fuhr über ihre Lippen. Sie wiederholte ihre Frage:

«Sie sind sehr schläfrig, nicht wahr?»

Dieses Mal war die Bedeutung ihres Tones nicht misszuverstehen. Wie ein Blitz flammte es in Bridgets Hirn auf – ein Blitz des Verstehens, gefolgt von Verachtung ihrer eigenen Begriffsstutzigkeit!

Sie hatte die Wahrheit geahnt – aber es war nicht mehr als ein leiser Argwohn gewesen. Sie hatte sich vergewissern wollen; jedoch nicht einen Augenblick hatte sie gedacht, dass etwas gegen sie unternommen werden würde. Auch meinte sie, ihren Verdacht vollkommen verborgen zu haben, und hätte sich nicht träumen lassen, in unmittelbarer Gefahr zu sein. Törichte Närrin, die sie war, dreifache Närrin!

Und plötzlich dachte sie:

Der Tee – es war etwas im Tee! Sie weiß nicht, dass ich ihn nicht getrunken habe. Das ist mein Glück! Ich muss Komödie spielen! Was mag es gewesen sein? Gift? Oder nur ein Schlafmittel? Offenbar erwartet sie, dass ich schläfrig werde – das ist klar.

Sie ließ ihre Augenlider wieder herabsinken und sagte mit – wie sie hoffte natürlich wirkender – schläfriger Stimme: «Ja – schrecklich… Komisch! So schläfrig war ich überhaupt noch nie.»

Miss Waynflete nickte leise.

Bridget beobachtete die Ältere genau durch die beinahe geschlossenen Augenlider.

Sie dachte: Ich bin ihr jedenfalls gewachsen! Meine Muskeln sind ziemlich zäh – sie ist eine magere, schwache alte Katze. Aber ich muss sie zum Reden bringen – das ist es – reden muss sie!

Miss Waynflete lächelte, es war kein gutes Lächeln; es war schlau und etwas unmenschlich.

Bridget dachte:

Wie eine Ziege! Gott, wie sie einer Ziege gleicht! Ziegen waren immer ein Symbol des Bösen! Jetzt sehe ich, warum! Ich hatte recht – hatte recht mit dieser phantastischen Idee! Die Höll’ hat keine Furie wie ein verschmähtes Weib!… Damit fing es an…

Sie murmelte, und diesmal hatte ihre Stimme entschieden einen besorgten Klang.

«Ich weiß nicht, was ich habe… Mir ist so merkwürdig – so ganz eigen!»

Miss Waynflete warf einen raschen Blick ringsum. Die Stelle lag ganz einsam. Es war zu weit vom Dorf entfernt, als dass man einen Ruf hätte hören können; auch waren keine Häuser in der Nähe. Sie begann das Paket, das sie trug, aufzumachen – das Paket, in dem alte Kleider sein sollten. Dem schien auch so zu sein; als sie das Papier auseinander bog, kam ein weiches, wollenes Kleidungsstück zum Vorschein. Doch noch immer kramten die behandschuhten Hände.

«Was gehst du in Handschuh’n durch Feld und Hag?» Ja – warum? Warum Handschuhe?

Natürlich! Natürlich! Das Ganze war so wundervoll geplant! Die Hülle fiel zur Seite. Langsam zog Miss Waynflete das Messer hervor, wobei sie sehr darauf achtete, die Fingerspuren nicht zu verwischen, die schon darauf waren – da, wo die kurzen, dicken Finger von Lord Whitfield es früher am Tag im Wohnzimmer von Ashe Manor gehalten hatten.

Das maurische Messer mit der scharfen Klinge.

Bridget fühlte eine leichte Übelkeit. Sie musste Zeit gewinnen – ja, und sie musste die Frau zum Reden bringen – diese magere, graue Frau, die niemand liebte. Es durfte eigentlich nicht schwer sein, denn sie musste ja das Bedürfnis haben zu reden, ein starkes Bedürfnis – und der einzige Mensch, mit dem sie reden konnte, war jemand wie Bridget – jemand, der dann für immer verstummen würde.

Bridget sagte mit schwacher, verschlafener Stimme. «Was – ist das – für ein Messer?»

Da lachte Miss Waynflete.

Es war ein entsetzliches Lachen – wohlklingend, damenhaft und ganz unmenschlich. Sie sagte:

«Es ist für Sie, Bridget, für Sie! Ich hasse Sie schon lange!»

Bridget sagte:

«Weil ich Gordon Whitfield heiraten sollte?»

Miss Waynflete nickte.

«Sie sind klug, Sie sind recht klug! Dies, sehen Sie, wird der krönende Beweis gegen ihn sein. Sie werden hier mit durchschnittener Kehle gefunden werden – sein Messer daneben und seine Fingerabdrücke auf dem Messer! Das war heute vormittag schlau von mir, dass ich verlangte, es zu sehen! Und dann, während Sie oben waren, schob ich es in ein Taschentuch gewickelt in meinen Beutel. So leicht war es! Aber die ganze Sache war leicht; ich hätte es kaum geglaubt.»

Bridget sagte, noch immer mit der schweren, gedämpften Stimme eines Menschen, der halb betäubt ist:

«Das ist – weil – Sie – so – teuflisch gescheit sind…»

Miss Waynflete lachte wieder melodisch und sagte mit einer entsetzlichen Art Stolz:

«Ja, ich hatte immer Verstand, schon als ganz junges Mädchen! Aber man ließ mich ja nichts machen… Ich musste zu Hause bleiben – nichts tun. Und dann Gordon – nur eines gewöhnlichen Schusters Sohn, aber er hatte Ehrgeiz, das wusste ich, ich wusste, er würde seinen Weg machen. Und er hat mich sitzenlassen – mich! Und alles wegen dieser dummen Geschichte mit dem Vogel!»