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Ihre Hände machten eine seltsame Bewegung, als drehe sie etwas um.

Wieder kam eine Welle von Übelkeit über Bridget.

«Gordon Ragg wagte es, mich sitzenzulassen – mich, die Tochter von Colonel Waynflete! Ich schwor, dass ich ihm das vergelten würde! Ich dachte Nacht für Nacht darüber nach… Und dann wurden wir immer ärmer und ärmer; das Haus musste verkauft werden. Er kaufte es! Er kam als Gönner daher und bot mir eine Stellung in meinem eigenen früheren Heim! Wie ich ihn hasste damals! Aber nie zeigte ich meine Gefühle, das habe ich schon als kleines Mädchen gelernt – Disziplin. Da zeigt sich eine wirklich gute Herkunft.» Sie schwieg eine Weile. Bridget beobachtete sie und wagte kaum zu atmen, um den Strom der Worte nicht zu hemmen. Miss Waynflete fuhr leise fort:

«Und die ganze Zeit dachte ich und dachte… Zuerst wollte ich ihn töten. Da begann ich über Verbrechen zu lesen – ganz für mich – in der Bibliothek. Diese Lektüre sollte sich später mehr als einmal als sehr nützlich erweisen. Bei der Tür von Amys Zimmer zum Beispiel, den Schlüssel von außen mit einer Zange im Schloss umzudrehen, nachdem ich die Flaschen neben ihrem Bett vertauscht hatte. Wie sie schnarchte – ekelhaft war das!»

Sie machte eine Pause.

Die Gabe, die Bridget vervollkommnet und die Lord Whitfield bezaubert hatte, die Gabe des vollendeten Zuhörens, kam ihr nun gut zustatten. Honoria Waynflete mochte eine irrsinnige Mörderin sein, aber sie war auch etwas viel Gewöhnlicheres, sie war ein menschliches Wesen, das von sich selbst reden wollte. Und für diese Klasse von menschlichen Wesen war Bridget wohlgerüstet.

Sie sagte, und ihre Stimme war auf die gerade richtige Weise ermunternd:

«Sie wollten ihn zuerst töten…»

«Ja, aber das befriedigte mich nicht – viel zu gewöhnlich –, es musste etwas Besseres sein als einfach töten. Und dann ist mir plötzlich die Idee gekommen. Er sollte für eine Menge Verbrechen büßen, an denen er ganz unschuldig war, er sollte ein Mörder sein! Er sollte für meine Verbrechen hängen. Oder man würde ihn für wahnsinnig erklären und sein Leben lang einsperren… Das wäre vielleicht noch besser.»

Jetzt kicherte sie. Ein entsetzliches Kichern war es… Ihre lichten Augen starrten mit seltsam veränderten Pupillen.

«Wie gesagt, ich hatte eine Menge Bücher über Verbrechen gelesen. Ich wählte meine Opfer sorgfältig aus – anfangs sollte nicht zuviel Verdacht geweckt werden. Wissen Sie», sie senkte ihre Stimme, «mir machte das Umbringen Freude… Diese unangenehme Person, Lydia Horton – sie hat mich von oben herab behandelt –, einmal sprach sie von mir als einer ‹alten Jungfer›. Ich freute mich, als Gordon mit ihr stritt. Zwei Fliegen mit einem Schlag, dachte ich! Es machte mir soviel Spaß, an ihrem Bett zu sitzen und das Arsenik in ihren Tee zu praktizieren, und dann hinauszugehen und der Pflegerin zu sagen, wie sehr Mrs Horton sich über den bitteren Geschmack von Lord Whitfields Trauben beklagt hatte! Das dumme Frauenzimmer hat das nicht weitergetragen, was jammerschade war.

Und die anderen! Sobald ich hörte, dass Gordon einen Groll gegen jemanden hegte, war es leicht, einen Unfall herbeizuführen! Und er war so ein Narr – so ein unglaublicher Narr! Ich machte ihn glauben, dass etwas Besonderes an ihm sei! Dass jeder, der sich gegen ihn stellte, dafür büßen müsste. Er glaubte es wirklich! Armer Gordon, er würde alles glauben, so leichtgläubig!»

Bridget erinnerte sich, wie sie selbst zu Luke gesagt hatte: «Gordon! Der würde alles glauben!»

Leicht! Wie leicht! Armer, hochtrabender, leichtgläubiger kleiner Gordon.

Aber sie musste noch mehr erfahren! Leicht? Das war ebenfalls leicht! Als Sekretärin hatte sie es jahrelang getan, hatte ihre Dienstherren unmerklich ermuntert, über sich zu sprechen. Und diese Frau hier wünschte so sehr zu reden, mit ihrer Klugheit zu prahlen.

Bridget murmelte:

«Aber wie haben Sie das alles nur gemacht? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen konnte.»

«Oh, es war ganz leicht! Es bedurfte nur eines Planes! Als Amy Ashe Manor verlassen musste, nahm ich sie sofort in meinen Dienst. Ich denke, die Idee mit der Hutfarbe war wirklich gescheit – und da die Tür von innen versperrt war, lief ich keine Gefahr. Aber ich war ja immer sicher, weil ich nie ein Motiv hatte, und man kann niemanden des Mordes verdächtigen, wenn es keinen Grund gibt. Carter war auch ganz leicht – er schwankte im Nebel herum, und ich ging ihm auf dem Steg nach und gab ihm einen raschen Stoß. Ich bin überhaupt sehr stark, wissen Sie.»

Sie hielt inne, und das leise, entsetzliche Kichern setzte wieder ein.

«Das Ganze war so ein Spaß! Nie werde ich Tommys Gesicht vergessen, als ich ihn an jenem Tag vom Fensterbrett herabstieß. Er hatte nicht die leiseste Ahnung gehabt…» Sie beugte sich vertraulich zu Bridget.

«Die Leute sind wirklich sehr dumm, wissen Sie, das hatte ich früher nie so begriffen.»

Bridget sagte sehr leise:

«Aber Sie sind – außergewöhnlich gescheit.»

«Ja – ja – vielleicht haben Sie recht.»

Bridget sagte:

«Dr. Humbleby – das muss schwieriger gewesen sein?»

«Ja, es war wirklich verblüffend, wie das gelang. Es hätte natürlich auch misslingen können. Aber Gordon hatte jedermann von seinem Besuch im Wellerman-Kreitz-Institut erzählt, und ich dachte, wenn ich nur erreichen könnte, dass die Leute sich an den Besuch erinnern und ihn mit dem Vorfall in Verbindung bringen. Und Wonky Poohs Ohr war wirklich sehr entzündet und eiterte stark. Ich brachte es zuwege, die Spitze meiner Schere dem Doktor in die Hand zu rennen, und dann war ich ganz verzweifelt und bestand darauf, ihm einen Verband anzulegen. Er wusste nicht, dass der Verband mit Eiter von Wonky Poohs Ohr infiziert war. Natürlich hätte auch nichts geschehen können – es war eben ein kühner Versuch, der gelang – besonders da Wonky Pooh Lavinias Kater gewesen war.»

Ihr Gesicht verfinsterte sich.

«Lavinia Pinkerton! Sie erriet… Sie war es, die Tommy an jenem Tag gefunden hatte. Und als Gordon und der alte Dr. Humbleby den Streit hatten, sah sie, wie ich Humbleby anschaute; ich war nicht auf der Hut, ich dachte gerade darüber nach, wie ich es tun würde… Und sie wusste! Ich wandte mich um und sah, dass sie mich beobachtete, und – ich verriet mich. Ich sah, dass sie wusste. Sie konnte natürlich nichts beweisen, das war mir klar. Aber ich fürchtete trotzdem, dass ihr jemand glauben könnte, dass ihr jemand von Scotland Yard glauben könnte. Ich war sicher, dass sie an jenem Tag dorthin wollte. Ich fuhr mit demselben Zug und folgte ihr.

Das Ganze war wieder so leicht. Sie war auf einer Kreuzungsinsel von Whitehall, ich knapp hinter ihr, doch sah sie mich nicht. Ein großes Auto kam daher, und ich stieß mit aller Kraft zu. Ich bin sehr stark! Sie fiel gerade vor das Auto. Ich sagte einer Frau neben mir, dass ich die Nummer des Wagens gesehen hätte, und gab ihr die Nummer von Gordons Rolls. Ich hoffte, sie würde sie der Polizei sagen.

Es war ein Glück, dass das Auto nicht stehen blieb. Es war wohl ein Chauffeur, der ohne Wissen seines Herrn eine Vergnügungsfahrt unternahm. Ja, da, da hatte ich Glück. Ich habe immer Glück. Die Szene neulich mit Rivers, bei der Luke Fitzwilliam Zeuge war! Es machte mir solchen Spaß, ihn auf die Fährte zu hetzen! Merkwürdig, wie schwer es war, seinen Verdacht auf Gordon zu lenken. Erst nach dem Tod von Rivers würde er sicher daraufkommen; er musste doch!

Und nun – das hier wird jetzt das ganze Unternehmen krönen.»

Sie stand auf und ging auf Bridget zu. Sie sagte leise: «Gordon hat mich sitzenlassen! Er wollte Sie heiraten. Mein Leben lang bin ich enttäuscht worden. Ich habe nichts gehabt – gar nichts…»

«O magre Graue, die niemand mag…»

Sie beugte sich über Bridget, lächelnd, mit wahnsinnig leuchtenden Augen… Das Messer funkelte.