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»In Einstimmigkeit«, fuhr der Älteste der Vorhalle fort, »wird Richter Paser für unschuldig befunden. Das Gericht empfiehlt ihm, seinen Gerichtsschreiber nicht zu entlassen und ihm die Möglichkeit zur Besserung einzuräumen.«

Monthmose begnügte sich damit, Paser zu grüßen; er hatte es eilig, da er noch ein weiteres Mal als Geschworener über einen Dieb zu Gericht sitzen mußte. Denes und seine Gemahlin beglückwünschten den Gerichtsbeamten.

»Eine hanebüchene Anklage«, betonte Nenophar, über deren vielfarbenes Gewand in ganz Memphis geredet wurde.

»Wahrlich jedes Gericht hätte Euch freigesprochen«, verkündete Denes überschwenglich. »Wir brauchen einen Richter wie Euch in Memphis.«

»Das ist wahr«, erkannte Nenophar an. »Der Handel gedeiht nur in einer friedvollen und gerechten Gesellschaft. Eure Festigkeit hat uns tief beeindruckt; mein Gemahl und ich schätzen mutige Männer. Von heute an werden wir Euch um Rat angehen, wenn bei der Führung unserer Geschäfte irgendein rechtlicher Zweifel bestehen sollte.«

19. Kapitel

Nach einer schnellen und friedlichen Reise gelangte das Schiff, das Richter Paser, seinen Esel, seinen Hund, Kem, den Babuin und einige andere Fahrgäste trug, in Sichtweite von Theben. Ein jeder verstummte.

Am linken Ufer boten die Tempel von Karnak und von Luxor ihre göttliche Baukunst dar. Hinter den hohen Mauern, vor dem Blick der Gemeinen geschützt, lobpries eine kleine Anzahl von Männern und Frauen die Gottheiten, auf daß sie auf Erden verweilen mochten. Akazien und Tamarisken beschatteten den Widdersphingen-Gang, der zu den Pylonen führte, den gewaltigen Toranlagen, die den Zugang zu den Heiligtümern ermöglichten. Diesmal hatten die Ordnungskräfte des Nils das Boot nicht abgefangen. Mit Freude sah Paser seine heimatlichen Gefilde wieder; seit seinem Aufbruch hatte er Prüfungen erduldet, sich gefestigt und abgehärtet und vor allem die Liebe entdeckt. Nicht einen Augenblick verließ ihn Neferet. Er hatte die Freude am Essen verloren, verspürte mehr und mehr Mühe, seine Aufmerksamkeit zu sammeln; nachts machte er kein Auge zu in der Hoffnung, sie aus der Dunkelheit hervortauchen zu sehen. Sich selbst fern, versank er nach und nach in einer Leere, die ihn von innen heraus verschlang. Allein die geliebte Frau könnte ihn heilen, doch würde sie seine Krankheit erkennen? Weder die Götter noch die Priester konnten ihm die Lebenslust zurückgeben, kein Sieg konnte seinen Schmerz vertreiben, kein Buch ihn besänftigen.

Theben, wo Neferet sich verbarg, war seine letzte Hoffnung. Paser glaubte nicht mehr an seine Ermittlungen. Zutiefst ernüchtert, wußte er nun, daß die Verschwörung meisterhaft geschmiedet worden war. Welchen Verdacht er auch immer hegen mochte, er würde nie zur Wahrheit gelangen. Kurz vor seiner Abfahrt hatte er von der Beisetzung der Mumie des Oberaufsehers des Sphinx erfahren. Da die Entsendung Heerführer Aschers zeitlich nicht begrenzt war, hatten die Obrigkeiten der Streitkräfte es für gut befunden, die Bestattungsfeierlichkeiten nicht länger hinauszuzögern. Handelte es sich um den Altgedienten oder um einen anderen Toten? War er vielleicht noch am Leben und irgendwo versteckt? Paser würde für immer im Zweifel bleiben. Das Schiff legte vor dem Tempel von Luxor an. »Wir werden beobachtet«, bemerkte Kem. »Ein Jüngling, dort am Bug. Er ist gestern an Bord gestiegen.«

»Entschwinden wir in die Stadt; dann sehen wir, ob er uns folgt.«

Der Mann ließ indes nicht von ihnen ab. »Monthmose?«

»Wahrscheinlich.«

»Soll ich ihn Euch vom Halse schaffen?«

»Mir kommt ein anderer Einfall.« Der Richter stellte sich im Hauptsitz der Ordnungskräfte vor, wo er von einem fettleibigen Beamten empfangen wurde, dessen Arbeitszimmer mit kleinen Körben Obst und Backwaren angefüllt war. »Seid Ihr nicht in dieser Gegend geboren?«

»Doch, in einem Dorf am Westufer. Ich bin nach Memphis berufen worden, wo ich in den Genuß kam, Eurem Vorsteher, Monthmose, zu begegnen.«

»Dann seid Ihr jetzt also zurück.«

»Ein kurzer Aufenthalt.«

»Der Ruhe oder der Arbeit?«

»Ich kümmere mich um die Holzsteuer[45]. Mein Vorgänger hat unvollständige und verworrene Aufzeichnungen zu diesem wesentlichen Punkt hinterlassen.« Der Fettleibige verschlang einige Rosinen.

»Sollte Memphis Not an Brennstoff haben?«

»Gewiß nicht; der Winter war mild, wir haben unsere Vorräte nicht erschöpft. Doch der im Wechsel erfolgende Dienst der Reisigsammler scheint mir nicht in einwandfreier Weise gewährleistet: Die Memphiter überwiegen die Thebaner dabei bei weitem. Ich möchte Eure Verzeichnisse Dorf für Dorf einsehen, um die Betrüger ausfindig zu machen. Manch einer verspürt wohl keine Lust, Kleinholz, Gesträuch und Palmfasern einzusammeln, um sie zu den Auslese- und Wiederverteilungs­stellen zu bringen. Ist es nicht an der Zeit einzuschreiten?«

»Sicherlich, sicherlich.«

Durch Boten war der Verantwortliche der thebanischen Ordnungskräfte vor Pasers Eintreffen gewarnt worden, den man als zu fürchtenden, unerbittlichen und allzu neugierigen Richter beschrieb; anstelle jenes beunruhigenden Menschen entdeckte der Fettleibige einen tastenden, um unwesentliche Dinge bekümmerten Amtmann.

»Der Vergleich der jeweiligen Mengen an Leseholz, die vom Norden und vom Süden gestellt wurden, ist vielsagend«, setzte Paser hinzu. »In Theben werden die Stümpfe der verdorrten Bäume nicht ordnungsgemäß zersägt. Sollte es da einen Schleichhandel geben?«

»Das ist möglich.«

»Wollt Ihr bitte den Gegenstand meiner Untersuchung vor Ort aufnehmen lassen.«

»Seid unbesorgt.«

Als der Fettleibige den jungen, mit Pasers Verfolgung beauftragten Ordnungshüter empfing, berichtete er diesem von der Unterredung. Die beiden Beamten waren sich einig: Der Amtmann hatte seine ursprünglichen Beweggründe wohl vergessen und verlor sich in Alltäglichkeiten. Dieses vernünftige Betragen würde ihnen recht viele Sorgen ersparen.

Der Schattenfresser hütete sich vor dem Affen und dem Hund. Er wußte, welch feines Gespür Tiere hatten und wie leicht sie verderbte Absichten wahrnahmen. Daher spähte er Paser und Kem aus gehöriger Entfernung aus.

Als er seine unmittelbare Bespitzelung aufgab, erleichterte der andere Verfolger, wahrscheinlich einer von Monthmoses Ordnungshütern, ihm seine Aufgabe. Falls der Richter sich dem Ziel näherte, wäre der Schattenfresser genötigt einzugreifen; im gegenteiligen Fall könnte er sich mit Beobachtung begnügen. Die Befehle waren eindeutig, und er gehorchte stets den Befehlen. Er würde den Tod nicht ohne offenkundige Notwendigkeit säen. Allein Pasers Beharrlichkeit hatte das Verschwinden der Gemahlin des Oberaufsehers erforderlich gemacht.

Nach den unseligen Vorkommnissen am Sphinx hatte der Altgediente Unterschlupf in dem kleinen Dorf am Westufer gesucht, wo er geboren war. Er wollte einen glücklichen Ruhestand verleben, nachdem er dem Heer treu gedient hatte. Die schützende Behauptung eines Unfalls kam ihm bestens zupaß. Weshalb in seinem Alter einen von vornherein verlorenen Kampf aufnehmen?

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45

Holz war ein ziemlich seltener Werkstoff in Ägypten und deshalb von nicht unbeträchtlichem Wert.