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»Undankbarer Mistkerl«, sagte ich zu ihm. »Frag lieber mal deinen Manjushri Rimpoche, ob ich wertlos war. Frag Colonel John, ob ich wertlos war.«

»Wenn wir ohne ihn besser dran wären«, machte Sarah Freds klar, »würdest du nicht versuchen, uns zu überzeugen, auf seine Hilfe zu verzichten.«

»Genau«, sagte ich. Sarah schien die einzige zu sein, die darauf geachtet hatte, was ich darüber gesagt hatte, wie sie und Nathan zusammengekommen waren, und sie beobachtete mich während des Streits mit einem leisen Lächeln, das mich zusätzlich aufbrachte. »Du zeigst lieber etwas Dankbarkeit«, knurrte ich Nathan an, »oder ich helfe vielleicht doch Freds, und dann hast du wirklich Probleme. Hier, setz dich und rauch die Friedenspfeife mit uns.«

»Nichts da«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich versuche, ein ernstes Gespräch zu führen.«

»Spielverderber.«

»Degenerierter Affe.«

»Brückenzerstörer. Lügner. Verräter. Tierdieb.«

Die Haut auf Nathans Wangen färbte sich bis auf eine schmale Linie über seinem Bart hellrot. Ich fand dieses Phänomen interessant und versuchte, mir noch ein paar Schimpfworte einfallen zu lassen, als Sarah eingriff und uns befahl, endlich aufzuhören, uns so kindisch zu benehmen. »Wir verschwenden nur unsere Zeit, und soviel Zeit haben wir nicht.«

»Das stimmt«, sagte Nathan, in dem Besorgnis und Empörung miteinander rangen. »Dieser Rana wird unseren Vorschlag ablehnen …«

»Rana?« sagte ich. »Welcher Rana?«

»Kann dir doch egal sein«, begann Freds, doch ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

»Doch nicht zufällig A.S.J.B. Rana?«

»Wieso? Ja, ich glaube schon. Kennst du ihn?«

»Ich dachte, ich hätte seine Karriere beendet.«

»Aber nein — man hat ihn gerade zum Leiter des Amts für Ausländische Hilfsmaßnahmen im Palast gemacht.«

»Befördert! Dann kann es nicht derselbe sein.«

»Kann dir doch egal sein«, sagte Freds zu mir.

»Scheiße, es ist mir nicht egal!« rief ich hitzig.

»Leise!« sagte Sarah laut. »Hört doch mit diesem Zank auf!«

Wir alle sahen sie an.

»Das ist doch völlig überflüssig«, sagte sie und lachte uns an. »Ich sehe am Ausdruck von Georges Gesicht, daß er einen Plan hat.« Sie setzte sich neben mir aufs Bett, legte einen Arm um meine Schultern und drückte mich kräftig. »Ich weiß es einfach. Du hast doch einen Plan, nicht wahr, George?«

Das Seltsame daran war, daß tatsächlich gewissermaßen ein Plan in meinem Hinterstübchen entstand. Es war wie eine Inspiration. »Richtig«, sagte ich und fühlte mich sehr zufrieden. »Ich habe einen Plan.«

Nathan und Freds musterten mich zweifelnd.

»Der erste Teil des Plans«, sagte ich, darüber nachdenkend, »besteht darin, daß ihr beide mir Karten besorgt — Nathan von dem geplanten Kanalisationssystem, und Freds von den alten Tunnels. Könnt ihr das für mich tun?« Sie nickten. »Gut. Der zweite Teil des Plans besteht darin, daß wir im Old Vienna zu Abend essen und uns dabei die Karten ansehen.«

»Das ist kein Plan«, beschwerte sich Nathan.

»Ist es doch. Ich habe einen Plan.« Und in der Tat stellte er sich noch beim Sprechen bei mir ein. Ich legte meinen Arm um Sarah und drückte sie ebenfalls, und alles fiel an Ort und Stelle wie eine lange Kette Dominosteine. »Ich weiß nur nicht, ob er auch funktioniert.«

12

Und so saßen wir an diesem Abend nach einer von Evas herrlichen Mahlzeiten in einer der großen Nischen hinten im Old Vienna Inn, kauten am letzten Rest Apfelstrudel und nippten Cognac und/oder Cappucino. Ich holte eine meiner gelben Lufthansa-Karten von Katmandu und einen Bleistift hervor und übertrug sorgfältig Nathans und Freds Karten darauf. »Hier, seht«, sagte ich. »Sie berühren sich nur an drei Stellen, und keine dieser Stellen ist ein wirklich wichtiger Teil des Tunnelsystems.«

»Ja, aber sie verbinden die großen Höhlen miteinander«, sagte Freds. »Außerdem ist das völlig egal — wenn man auf einen Tunnel stößt, hat man das ganze System entdeckt.«

»Das weiß ich. Aber angenommen, ihr füllt eure Tunnels an diesen drei Stellen auf.« Ich verdeutlichte es, indem ich diese Teile von Freds System ausradierte. »Wenn sie dann die Kanalisation bauen, finden sie etwas seltsam lockere Erde, aber das ist keine große Sache — unter einer Stadt sieht es immer irgendwo seltsam aus. Also legen sie die Rohre und bemerken überhaupt nichts!«

»Aber die verschiedenen Teile des Tunnelsystems wären voneinander abgeschnitten!« wandte Freds ein.

»Sicher, klar doch, aber ihr könntet doch tiefer gehen. Schau, nachdem sie die Rohre gelegt haben, grabt ihr euch unter ihnen her, baut noch so eine schöne Treppe, und schließlich haben wir eine Kanalisation, und euer Tunnelsystem funktioniert wieder, und niemand hat etwas davon erfahren.«

»Das ist eine Menge Arbeit«, stellte Sarah fest. »Woher will Freds die Leute für solch eine Aktion nehmen?«

»Freds hat Freunde oben im Norden«, sagte ich. »Dieselben Leute, die dieses Tunnelsystem benutzen. Wenn sie gemeinsam anpacken, ist es eine Sache von ein paar Tagen. Beauftrage Colonel John damit, und es ist eine Sache von Stunden.«

Freds nickte. Nathan nickte. Sarah beugte sich vor, um mir einen Kuß auf die Wange zu geben. Wir toasteten dem Plan zu, und ich willigte ein, herauszubekommen, wie genau der alte A. Shumsher Jung Bahadur Rana dieses Kanalisationsprojekt benutzte, um sich zu bereichern.

13

Meine bisherige Begegnung mit A.S.J.B.R. hatte kein gutes Ende genommen, und als ich eines Morgens kurz nach unserem Abendessen also sein Büro betrat, hatte ich einen ganzen Stapel Bakschisch von der South Asian Development Agency dabei, den ich ihm mit einer beredsamen Entschuldigung für den kleinen Zwischenfall überreichen wollte, mit dem unsere letzte Begegnung ausgeklungen war; ich wollte ihm erklären, daß ich als Folge einer ernsten Krankheit und eines Falls von Wahnsinn in meiner unmittelbaren Umgebung unter Streß gestanden hatte. Meines Erachtens ist es am besten, wann immer möglich die Wahrheit zu sagen.

Doch als ich mich A. Rana näherte, wandte er sich in meine Richtung, nickte kurz und wartete dann, um zu erfahren, wer ich sei und was ich wolle. Er erkannte mich nicht.

Ich hatte fünf Milliarden Stunden in seinem Büro verbracht; und als wir uns das letzte Mal gesehen hatten, hatten wir uns gegenseitig angeschrien; doch er erinnerte sich nicht an mich. So weit außerhalb seines Systems stand ich.

Das war ein so großer Schock, daß ich eine Weile brauchte, um mich zu sammeln. Wenn man bedachte, wie unsere letzte Begegnung verlaufen war, konnte ich natürlich von Glück sprechen, daß er mich nicht erkannte; aber dennoch kam ich mir ganz schön angepinkelt vor. Daß er mich nach all diesen Qualen einfach vergessen würde … Ich schluckte meine Verwirrung runter und fand mich damit ab. Ich stellte mich als Repräsentant der South Asian Development Agency vor, was augenblicklich sein Interesse erregte, zweifellos, weil die Organisation für ihre schludrige Buchhaltung bekannt war. Ich erzählte ihm von dem Kanalisationsprojekt, und er nickte und sagte mir, ich solle am Nachmittag in sein Büro kommen.

Ich hatte diesen Film schon einmal gesehen und wollte ihn nicht noch einmal sehen.

Dennoch versuchte ich es erneut und machte mich wieder an die übliche Runde der Besuche und Schmiergeldzahlungen. Es kam nichts dabei heraus, wenngleich ich immerhin einige Dinge über seine neue Position im Sekretariat bestätigen konnte. Es stimmte; irgendwie hatte er sich aus dem Schlamassel geschlichen, den ich ihm mit dem Grenzzwischenfall eingebrockt hatte, und mehr noch — er war daraufhin sogar befördert worden. Ich konnte mir nicht vorstellen, wieso. »Oh, Sir! Anscheinend bin ich verantwortlich für eine Krise, wegen der die Inder und Chinesen beinahe über uns hergefallen wären. Die vielleicht sogar den Dritten Weltkrieg ausgelöst hätte!« — »Gut. Sie werdem zum Leiter des Amtes befördert, das die gesamten ausländischen Hilfsmaßnahmen kontrolliert.« Na schön. Noch ein großes Geheimnis Nepals.