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Ich richtete meine Taschenlampe in die vorbeirauschende Dunkelheit, doch sie ergab nur einen schlechten Scheinwerfer. »Woher soll ich wissen, daß wir in eine Kurve kommen?«

»Du wirst es merken.«

»Willst du den ganzen Weg bis nach Chitwan pumpen?«

»Wir fahren bergab. Chitwan liegt etwa tausend Meter tiefer, und so kommt es eher auf das Bremsen an. Die Fahrt hinauf muß ziemlich beschwerlich sein. He, brems nicht so stark, wir fahren auf Schienen, und die Soldaten sind uns auf den Fersen.«

»Glaubst du?«

»Sieh doch.«

Hinter uns leuchtete kurz ein Licht auf. Die Räder unserer Lore kreischten zu laut, als daß wir etwas außer unseren eigenen Stimmen hätten hören können, und die auch nur, wenn wir uns in die Gesichter schrien; doch offensichtlich folgte uns ein anderer Wagen. Freds schob mich beiseite und übernahm die Bremse.

»Mal sehen, wie schnell wir diese alte Karre ans Laufen kriegen.«

Dem Kreischen der Räder zufolge und der Luft, die über uns hinwegrauschte, und den Wänden, die im Lichtkegel der Taschenlampe an uns vorbeiflogen, waren wir wohl ziemlich schnell. Gelegentlich rasten wir an Statuen des Buddha vorbei oder langen Wandgemälden mit Bönpa-Dämonen, die wie lebendig gewordene Alpträume aussahen. Manchmal fiel der Tunnel steiler ab, und wir mußten eine Geschwindigkeit von hundertzwanzig oder hundertdreißig Stundenkilometern erreicht haben. Freds gewöhnte sich an dieses Tempo, und wenn der Tunnel wieder flacher verlief, pumpte er, damit wir die Geschwindigkeit hielten. Er kommandierte Bahadim an die Bremse ab, da ihm nicht gefiel, daß ich sie zu oft einsetzte.

Ich weiß nicht, wie lange wir auf diese Art den Tunnel entlang schossen; manchmal glaubte ich, wir seien schon seit Tagen unterwegs, und manchmal schienen nur ein paar Minuten verstrichen zu sein, seit der König und ich im Kreis aus Bahadims Leuten gestanden hatten. Ein Problem, mit dem ich nie gerechnet hätte, war die Kälte. Die Luft hier unten war vielleicht fünf oder zehn Grad warm — das ließ sich durchaus ertragen —, doch bei der Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegten, schien ein Wind von neunzig oder hundert Stundenkilometern über uns hinwegzupfeifen, und ich glaube, man muß für jeden Stundenkilometer ein halbes Grad abziehen, wenn man die Kälte des Windes berechnen will, und das hieß, daß es für uns etwa dreißig Grad unter dem Gefrierpunkt war. Und wir fühlten jedes Grad davon. Selbst Freds erklärte, es sei etwas unbehaglich, und ich ertappte ihn dabei, wie er sich eine Hand wärmen wollte, indem er sie direkt über eine Bremsbacke über die Seite hielt. »Soviel hilft das nun auch nicht«, gestand er mit klappernden Zähnen ein. Schließlich hockten wir uns alle auf den Boden der Lore und versteckten uns hinter der Vorderwand, fuhren blind und froren uns buchstäblich den Arsch ab.

Schließlich stieß sich Freds hoch, um in die Dunkelheit zu sehen, sprang dann zur Bremse und zog daran, was zu einem ohrenbetäubenden Kreischen der Räder führte. Als wir angehalten hatten und mit den Taschenlampen leuchteten, fanden wir uns in einer anderen kreisrunden, mit Loren gefüllten Kammer wieder. Wir sprangen steif wie tiefgefrorene Schweinskotelettes hinaus und folgten Freds durch einen Tunnel auf der anderen Seite. »Ich kann meine Hände nicht spüren«, sagte Bahadim. Ich spürte weder Hände noch Füße.

»Es sind nur noch ein paar hundert Meter«, sagte Freds, dessen Zähne in einem Schüttelfrostanfall aufeinander schlugen. »Mein Gott, war das nich toll? Wie eine Riesenachterbahn — das will ich noch mal machen.«

Hinter uns im Tunnel hörten wie das schwache, tiefe Knirschen von eisernen Rädern auf eisernen Schienen. »He, die Burschen haben ja richtig gut mitgehalten. Kommt, wir müssen uns beeilen.«

Wir taumelten weiter und schlugen uns mit den Armen an die Seiten, um uns aufzuwärmen. Bahadim wärmte sich auf, indem er mich schlug. Bald erreichten wir eine lange Treppe aus groben Steinstufen; da unsere Knie noch nicht vollständig aufgetaut waren, mußten wir uns wie Frankenstein hinaufschwingen. Doch die Luft wurde wärmer, und dann prallten wir zusammen, da Freds stehengeblieben war und seine Taschenlampe ausgeschaltet hatte.

»Na also«, sagte er. »Da ist der Eingang.«

»Wo?«

»Direkt vor uns.«

»Wo?«

»Es ist noch dunkel, George.« Er schaltete seine Taschenlampe ein und aus, und ich erhaschte einen kurzen Blick auf Saalbäume.

»Oh, nein«, sagte ich. Ich wollte nicht des Nachts zu Fuß in den Dschungel gehen; das lehnte ich absolut ab. Doch hinter uns, im Tunnel, erklang ein fernes Kreisch, einige schwache Rufe und dann ein kurzes Poltern. Die Leibwache des Königs war da.

»Kommt schon«, sagte Freds und lief los.

17

So schlimm es auch sein mag, des Nachts auf dem Rücken eines verrückt gewordenen Elefanten durch den Dschungel zu preschen, es ist noch viel schlimmer, ihn zu Fuß zu durchstreifen. Wir schlichen uns zwischen Bäumen hindurch und durch Büsche und versuchten, so leise wie möglich zu sein, und je leiser wir waren, desto besser konnten wir hören: ein Knistern, ein Rascheln, schnelle, scharrende Geräusche; der gelegentliche Schrei eines Vogels, kurz und auf den Punkt gebracht. Und dann knackte irgendwo ein Ast, und jedes andere Geräusch dort draußen in der Dunkelheit verstummte und hinterließ ein schweres Schweigen, von dem man wußte, daß sich jede Menge Lebewesen darin niederkauerten und darauf warteten, daß etwas Großes weiterzog, und mit Nasen schnüffelten und mit Ohren lauschten, die viel schärfer als die unseren waren. Es wäre viel sinnvoller gewesen, zu singen, was die Lungen hergaben, oder fernöstliche Kampfsportgeräusche auszustoßen, doch mit den Soldaten des Königs auf unseren Fersen, die den Tunnel verlassen hatten, ausgeschwärmt waren, mit ihren Taschenlampen ins Unterholz leuchteten und manchmal Stellen ganz in unserer Nähe erhellten, war das einfach unmöglich. Wie alle anderen Gejagten mußten wir ruhig bleiben und so leise wie möglich weiterschleichen.

Zum Glück ist es Menschen unmöglich, des Nachts im Dschungel irgend jemand oder irgend etwas zu verfolgen, und die Leibwächter schienen von den Scheinwerfern des Tiger View abgelenkt worden zu sein. Sie bewegten sich zumindest in diese Richtung, als Freds mehrmals in einen Busch sprang und laut »Ah!« rief.

Ihre Taschenlampen wandten sich in unsere Richtung, und wir liefen los, wobei Freds soviel Lärm machte, wie er konnte.

»Verdammt, Freds«, keuchte ich, während ich ihm folgte. »Warum hast du das getan?«

»Bleibt einfach hinter mir«, rief er zurück. »Ich habe einen Plan.«

Wir führten die Soldaten etwa eine halbe Stunde lang durch den Wald. Dann blieb Freds plötzlich stehen und kauerte sich nieder. »Na schön«, flüsterte er. »Seid still. Wir sind da.«

»Wo?«

»Das ist die Wiese der Wilddiebe. Seht ihr? Der Jeep ist wieder da. Wäre doch toll, wenn wir die Soldaten auf die Wilderer hetzen könnten, oder? Hier, sucht etwas, womit ihr werfen könnt. Da liegen ein paar Steine. Werft sie auf den Jeep.«

Er warf, und nach einer Weile erklang ein Päng! und dann noch eins. Hinter uns ertönten Stimmen, und dann auch auf einer Seite. Die Soldaten bahnten sich nun schnell den Weg durch den Dschungel, und der Strahl einer Taschenlampe erfaßte den Jeep und verharrte auf ihm. Mehr Stimmen, diesmal im Dschungel hinter uns.