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»Tu’ ich auch nicht, George, ich spreche Tibetanisch.«

»Dann ist dieser Elefantenführer wohl Tibetaner.«

»Richtig.«

Ein tibetanischer Elefantenführer. Grund zum Nachdenken.

Ich tat dies, eines Abends in der Bar, und es machte mich noch nervöser. Um ein namenloses Entsetzen zu unterdrücken, griff ich auf eine Sturznarkose mit den Kamikaze-Drinks zurück und fühlte mich schon bald besser. Dann hatte es jedoch den Anschein, daß ich mich etwas zu gut fühlte, und ich taumelte zu unserem Bungalow und legte mich flach.

Ich weiß nicht, wieviel später Freds mich weckte, indem er mich aus dem Bett zu Boden rollte. Irgendwann mitten in der Nacht; ich war immer noch betrunken, so sehr, daß ich mich nicht erinnerte, wo ich war. Doch als Freds »Na, komm’ schon, George, ich brauche deine Hilfe!« sagte, hatte ich noch genug Grips beisammen, um »Nein!« zu rufen und zu versuchen, unter das Bett zu kriechen.

Doch Freds zerrte mich wieder hervor. Leider hatte ich mich mit meinen Kleidern schlafen gelegt, und er rammte meine Füße in die Stiefel. »Komm schon«, sagte er mit einem aufgeregten Flüstern. »Du sollst nur eine Stunde oder so auf Sunyash aufpassen, während Dawa und ich uns in dieser Höhle umsehen, die wir gefunden haben.«

»Sunyash?«

»Du weißt schon, der größte Elefant.«

3

Ich wußte nichts von dem größten Elefanten. Doch als Freds mich zu dem Aufsitz-Podest schleppte, erkannte ich ihn — oder besser sie, denn es war eine Kuh. Ich hatte mehrere Stunden auf ihrem Rücken verbracht und war ziemlich vertraut mit ihr geworden — mit der lockeren, faltigen grauen Haut, die beim Laufen über ihre massiven Schultern vor- und zurückglitt, und mit den rosa Flecken auf ihrem Nacken und dem einen Dutzend Haarbüscheln auf ihrem Kopf. Ein beeindruckendes Tier, und ihr Führer Dawa hatte es gut im Griff. Er saß bereits auf ihrem Hals und hatte die nackten Füße unter den Spitzen ihrer Ohren verhakt. Elefantenführer leiten ihre Schutzbefohlenen mit einem Eisenstab, der wie ein Kaminschürhaken aussieht, nur, daß er an dem Ende, auf das es ankommt, schärfer ist. Viele Führer im Lager setzten ihre Eisen rücksichtlos ein, schlugen die Elefanten auf die rechte oder linke Kopfseite, damit sie die Richtung änderten, und stachen sie mit dem spitzen Ende, damit sie weitergingen, wenn sie zögerten; bei einigen Führern war auf jeder Wanderung Blut zu sehen. Ein paar waren jedoch sanfter, und zu denen gehörte Dawa; er führte Sunyash, indem er mit ihr sprach oder sie im äußersten Fall leicht mit den Fersen trat. Ich hatte nie gesehen, daß er seinen Stab einsetzte.

Nun unterhielten er und Freds sich auf Tibetanisch, und plötzlich konnte ich selbst in der Dunkelheit erkennen, daß er auch wie ein Tibetaner aussah; er sah aus wie die Khampas von Shambhala. Plötzlich kam mir wieder in den Sinn, daß Freds etwas davon gesagt hatte, eine Höhle zu erkunden.

»Freds«, sagte ich, als wir davon trotteten. Obwohl ich schnell nüchtern wurde, mußte ich mich am Geländer der Plattform festhalten; die sattelwunden Beine hatte ich um einen Eckpfosten geschlungen. »Was tust du mir diesmal an?«

»Nichts, George. Nur ein Ritt. Außerdem … wann habe ich dir jemals etwas angetan?«

Ich wollte ihn schlagen, hatte aber keine Hand frei. »Du hast mich auf der Südseite des Everest eine Nacht lang in eine Schneehöhle gesteckt«, sagte ich wütend. »Du hast mich einen Monat lang durch die Bürokratie von Katmandu kriechen lassen! Du hast mich als Brücke benutzt.«

»Nicht absichtlich. Außerdem wird es diese Nacht ganz anders sein.«

»Sag mir, was du vorhast, oder ich springe sofort von Bord.«

»Nun überstürze nichts, ich wollte es dir gerade erzählen, sobald wir ein gutes Stück vom Lager fort sind.«

»Also raus damit. Was hat es mit dieser Höhle auf sich?«

»Nun ja, du erinnerst dich doch noch an das Tunnelsystem, das wir bei unserem Überfall auf Chhule benutzt haben? Das ist ein großes Tunnelsystem, größer, als man erwarten könnte, und ein Großteil davon liegt unter Katmandu selbst, doch bei all den Bauvorhaben in letzter Zeit sind die meisten Eingänge zugebaut oder versperrt worden. Das bereitet den Leuten in Shambhala Probleme, weil sie die Tunnels für den Gütertransport benutzen, und um ungesehen nach Katmandu zu kommen …«

»Augenblick mal«, sagte ich und fühlte, wie die Kamikaze-Drinks in mir hin und her schwappten, was eine gewisse Übelkeit hervorrief. »Willst du damit sagen, daß Tunnels von Shambhala bis nach Katmandu führen?«

»Aber ja! Es gibt überall unter dem Himalaja Tunnels. Und ein großes Netzwerk unter Katmandu.«

Ich versuchte, das zu verkraften.

»Aber jetzt haben sie ein Problem. Alle Gänge nach Katmandu sind unterbrochen«, sagte Freds, »und sie wollen nun eine alte Öffnung hier im Terai benutzen. Die geriet in den letzten paar Jahrhunderten ziemlich in Vergessenheit, und Dawa und ich haben uns ein bißchen nach ihr umgesehen, und wir glauben, wir haben sie gefunden, aber ich will verdammt sein, wenn sie nicht direkt neben dem Tiger View liegt.«

»Direkt neben dem Tiger View.«

»Ja, das ist eins der großen, teuren Camps drüben im Park, wie Tiger Tops. Ein kleiner Felsvorsprung erhebt sich direkt im Süden dieses Tiger View-Camps, und dort liegt eine Höhle, und Dawa ist ziemlich sicher, daß es sich dabei um einen der Eingänge zum Tunnelsystem handelt. Also müssen wir sie des Nachts überprüfen.«

»Sind des Nachts nicht jede Menge Tiger am Tiger View?«

»Ja, aber Sunyash wird sie verscheuchen.«

Ich seufzte. »Freds, warum bin ich hier?«

»Um Gutes auf dieser Erde zu tun, George. Deshalb sind wir alle hier.«

»Ich meine, warum bin ich heute abend hier bei euch? Warum habt ihr mich mitgeschleppt?«

»Dawa und ich wollen diese Höhle überprüfen und uns vergewissern, daß es sich um den Tunneleingang handelt, und es muß jemand bei Sunyash bleiben, damit sie nicht davonspaziert. So einfach ist das.«

Mir war so schlecht, daß ich eine Weile nicht antworten konnte. »Du hast mich belogen«, sagte ich schließlich. »Du hast gesagt, daß sei nur ein Urlaub.«

»Na ja, ich dachte, ich lasse diesen Teil lieber aus, damit du dir keine Sorgen machst. Stell dir doch vor, du wärest auf Schatzsuche.«

»Eine nächtliche Schatzsuche in einem Dschungel mit Tigern. Auf dem Rücken eines gestohlenen Elefanten.«

»Sie ist nicht gestohlen, wir borgen sie nur aus.«

Ich gab es auf.

Sunyash trampelte unter dem Baldachin der Saalbäume weiter durch den Dschungel. Ein Halbmond stand im Himmel, so daß wir etwas Licht hatten — die Formen schwarz auf schwarz, und in einem gelegentlichen Strahl Mondlicht konnten wir unheimliche Bäume und hinabhängende Ranken ausmachen. Sunyash erzeugte zu viel Lärm, als daß wir sonst noch etwas hören könnten, doch als Dawa sie anhalten ließ, um sich umzusehen, umschlangen uns die Geräusche des nächtlichen Dschungels wie ein guter Soundtrack: ein Knistern und Rascheln, das Zirpen von Insekten, das leise Husten eines Tiers. Es war viel dschungelhafter als bei Tageslicht, und das Wissen, daß die Tiger zu ihren nächtlichen Streifzügen aufgebrochen waren, fügte eine Spannung hinzu, die man bei Sonnenschein nicht hatte. Freds hatte wahrscheinlich recht, wenn er behauptete, kein Tiger würde in der Nähe bleiben, wenn ein Elefant kam, doch es machte mich trotzdem nervös.