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Wir schaukelten lange weiter, so lange, daß ich fast wieder eingeschlafen wäre. Dann stieß Freds mich an, und ich sah zu unserer Rechten ein Leuchten; »Tiger View«, sagte er. »Das sind die Lichter, die sie anmachen, damit sie die Tiger sehen können.«

»Ah.«

»Wir sind fast da. Es muß irgendwo da oben sein.«

»Schön.«

Wir bewegten uns durch die Dunkelheit. Ich hielt mich an meinem Pfosten und dem Geländer fest.

Schließlich ließ Dawa Sunyash anhalten. Zuerst sah es für mich hier so aus wie überall sonst auch, doch dann bemerkte ich im Mondlicht einen kleinen dunklen Hügel — eine von Sträuchern bedeckte Felskuppe, auf deren Kuppe mehrere kleine Saalbäume wuchsen. Die Scheinwerfer vom Tiger View waren immer noch ganz in der Nähe, aber nun hinter uns — zwischen uns und unserem Lager, schätzte ich.

Freds und Dawa glitten von Sunyash hinab. »He!« sagte ich.

»Wir binden sie an diesen Baum«, sagte Freds zu mir hinauf. »Halte deine Füße auf ihrem Rücken, damit sie weiß, daß du da bist. Wir kommen so schnell wie möglich zurück; länger als eine Stunde werden wir wohl nicht brauchen.«

»He!« protestierte ich. Doch sie waren schon fort. Ich saß allein auf dem Rücken eines Elefanten, des Nachts mitten im Dschungel. Hier lag eine klassische Freds-Operation vor. Doch so nervös ich auch war, sie kam mir, verglichen mit den Situationen, in die er mich zuvor gebracht hatte, eher als harmlos vor. Ich machte es mir bequem, die Stiefel fest auf Sunyash’ breiten Rücken gedrückt, und sie machte es sich vor einem Bambusbüschel bequem, um einen kleinen Mitternachtssnack einzulegen, und in meiner Trunkenheit hatte ich den Eindruck, ziemlich unbehelligt aus dieser Sache herauszukommen. Es war nicht einmal so kalt. Ich war daran gewöhnt, des Nachts in Nepal hinauszugehen und augenblicklich zu frieren, doch hier unten im Terai war es nur etwas kühl und feucht, und ich saß überdies direkt auf einer ziemlich wirksamen Heizung. Also legte ich mein Kinn auf das Geländer, versuchte, die nächtlichen Dschungelgeräusche zu ignorieren und ein paar Äste zu sägen.

Ich schien gerade einzuschlafen, als mir auffiel, daß ich eigentlich überhaupt keine Dschungelgeräusche hörte. Das kam mir komisch vor. Und Sunyash hob vor mir ihren großen Kopf, und sie hatte den Rüssel ausgestreckt und schien anscheinend herumzuschnüffeln.

Und plötzlich legte sie den Kopf zurück, daß unsere Stirnen beinahe gegeneinander geprallt wären, und stieß einen Trompetenstoß aus wie von vierzig Waldhornspielern, die man gleichzeitig in den Magen getreten hatte, und dann setzte sie sich in Bewegung. Sie kümmerte sich gar nicht um das, womit Freds und Dawa sie angebunden hatten, und nach allem, was ich wußte, zerrten wir einen Saalbaum in unserem Kielwasser hinter uns her, doch auf jeden Fall donnerten wir durch den Dschungel. Ich klammerte mich aus nackter Angst ums Leben an dem vorderen Geländer der Plattform fest und rief Sunyash so einiges zu, doch nichts davon schien irgendeinen Einfluß auf ihr Toben zu haben. Sie wollte hier weg, und ich glaubte, den Grund dafür zu kennen. Ein Tiger! Würde er uns verfolgen, an Bord springen und mich fressen? Äste schlugen gegen meinen Körper, als Sunyash durch die Bäume preschte, und sie lief schneller, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ein Elefant kann ein beträchtliches Tempo erreichen, und wenn er es erst einmal erreicht hat, scheint man auf einem Zug zu sitzen, einem Zug, der entgleist ist und heftig über unebenen Boden poltert. Ein Ast schlug mir gegen die Stirn, und danach nahm ich alles nur noch undeutlich wahr. Mein Leben schien davon abzuhängen, daß ich sie bremste, und ich sah keine andere Alternative, als unter dem vorderen Geländer hindurchzuschlüpfen und auf den Fahrersitz zu gleiten, wobei ich jeweils einen Stiefel unter ihren Ohren gegen ihren Hals drückte. Nachdem mir das gelungen war, stellte ich fest, daß es kein besonders sicherer Sitz war; man konnte sich nirgendwo festhalten. Ich beugte mich vor und packte ihre Ohren, die wild auf und ab schlugen, und zerrte an ihnen, so heftig ich konnte. Sunyash warf den Kopf hin und her und hätte mich beinahe abgeschüttelt, doch mein Rücken knallte gegen das Plattform-Geländer, und ich verlor nur meinen Atem.

Und dann fiel sie in einen schnellen Trott zurück. »Gute Sunyash«, rief ich ihr zu und wünschte, ich würde mehr von der nepalesischen Elefantenführersprache beherrschen. »Sunyash«, sagte ich mit so ruhiger Stimme, wie ich sie aufbringen konnte. Sie würde das Wort erkennen. Ich wiederholte es wie ein Mantra. Sie wurde etwas langsamer, aber nicht viel. Ich wußte nicht, ob sie wußte, wo sie war. Vielleicht lief sie zu den Ställen des Lagers zurück; vielleicht hatte sie sich aber auch verirrt. Ich glaubte, über meine linke Schulter noch einen fernen Schimmer der Scheinwerfer des Tiger View sehen zu können.

Ich verspürte keine Gewissensbisse, Freds und Dawa dort auf ihrem Hügel zurückzulassen, zumindest nicht, bis es hell wurde. Doch falls Sunyash einfach ziellos herumwanderte, würde ich bei Anbruch der Dämmerung genauso wenig wissen, wo ich war, wie jetzt. Also versuchte ich zögernd, ihr die Richtung zu weisen. Das war so ähnlich, als wollte man Autofahren lernen, während der Wagen ohne Kontrolle einen Berg hinabrollt, doch abgesehen von den gelegentlichen tiefhängenden Zweigen bestand keine unmittelbare Gefahr. Wie ich es mir gedacht hatte, brachte ein Tritt unter das linke Ohr sie dazu, etwas nach rechts zu steuern. Weitere Tritte unter beide Ohren bestätigten, daß sie um ein paar Grad abbog, wenn man nur hart genug trat, um sie zu überzeugen, daß man es ernst meinte. Also knuffte ich sie immer wieder unter ihr linkes Schlappohr, bis wir den Weg zurückkehrten, den wir gekommen waren, wobei sie dann allerdings langsamer wurde und schließlich sogar stehenblieb. »Komm schon, Sunyash.« Kein Mucks. »Geh!«

Sie wollte nicht verstehen. Keine Bewegung. Nun würden die gröberen Führer ihre Eisen nehmen und die Tiere buchstäblich in den Kopf stechen und ihnen abwechselnd heftige Tritte direkt hinter beide Ohren versetzen. Ich hatte gesehen, wie ein Elefant, der sich weigerte, eine kleine Brücke zu überqueren, auf diese Weise dazu gebracht wurde, geradewegs in den Kanal zu treten, den die Brücke überspannte, und auf der anderen Seite hinaufzulaufen, wobei beide Bewegungen äußerst unbeholfen gewirkt hatten. Und andere Führer hatten diese Methode auf weiten Ebenen angewandt, um die Elefanten dazu zu bringen, in ihre Version eines Galopps zu fallen, damit die Touristen miterlebten, wie schnell ein Elefant laufen konnte.

Ich nehme an, ich hätte in diesem Augenblick bei Sunyash den Stock eingesetzt, doch ich hatte keinen. Auf meine Faustschläge und Tritte reagierte sie nicht, und wenn ich an ihrem empfindlichen Ohren zog, schüttelte sie nur verwirrt den Kopf.

Schließlich beugte ich mich vor und flüsterte etwas in diese monströsen Ohren. »Bistarre«, sagte ich, was »langsam« bedeutet. Dieses Wort lernen die meisten Trekker schon an ihrem ersten Tag in Nepal von ihren Trägern. »Bistarre, Sunyash, bistarre.« Dazu drückte ich meine Stiefel gegen ihren Kopf, wie ein Rodeoreiter, der versucht, aus einem lahmen Pferd Zusatzpunkte herauszuholen.

Und sie setzte sich in Bewegung.

Danach kam es nur darauf an, sie langsam zu dirigieren, wobei ich die Scheinwerfer beim Tiger View als Bezugspunkte nahm. Als ich mich dort befand, wo meiner Meinung nach der Hügel sein sollte, war kein Hügel zu sehen. Ich ließ sie in Kreisen herumwandern, bis ich auf den Hügel stieß. Die Scheinwerfer am Tiger View gaben mir sogar eine Vorstellung, auf welcher Seite der Erhebung wir uns befanden, als Sunyash sich entschloß, die Gegend zu verlassen.

Wir trotteten gerade los, als Sunyash plötzlich trompetete. Ich dachte schon, wir würden wieder in einen Galopp fallen, und rief »Nein!«; doch es war nur Dawa, der ihren Rüssel hinaufkletterte. Freds zog sich an den Riemen der Plattform an ihren großen runden Seiten hoch.