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Aber er kam nicht. Der Quorrl wandte sich mit einem zornigen Grunzen um und ging zu seinem Kameraden zurück, während Kiina mit schreckgeweiteten Augen und erstarrt dasaß und abwechselnd ihn und den schuppigen Giganten anstarrte. Sie hatte nicht begriffen, was Skar getan hatte; und warum.

Durch einen Schleier aus Blut und Schmerz sah Skar zu Cron auf. Der Quorrl blickte kalt auf ihn herab, ohne die geringste Regung, ohne Mitleid oder Triumph. Schlachtvieh, dachte Skar. Er betrachtete ihn wie ein Stück Vieh, interessiert, aber ohne das allermindeste Gefühl. Seine rechte Hand grub sich in den Boden, so fest, daß Blut unter seinen Fingernägeln hervorquoll, aber dieser Schmerz war das einzige, was ihn noch davon abhielt, aufzuspringen und Cron die Faust ins Gesicht zu schlagen. Er mußte wohl das Bewußtsein verloren haben, denn das nächste, was er registrierte, war Titchs Hand, die in seinem Nacken lag und seinen Kopf stützte, und einen Becher mit einer kalten, völlig geschmacklosen Flüssigkeit, der an seine Lippen gehalten wurde. Er trank, zuerst gierig und mit großen ungeschickten Schlucken, so daß das meiste wieder über seine tauben Lippen lief, dann etwas vorsichtiger. Erst dann öffnete er die Augen.

»Idiot«, sagte Titch kopfschüttelnd. »Was, zum Teufel, sollte das? Eine besonders originelle Art, Selbstmord zu begehen?« Skar stemmte sich hoch und schüttelte seine Hand ab. Sofort wurde ihm schwindelig, aber sein Zorn auf den Quorrl war stark genug, daß er sich kein äußeres Zeichen von Schwäche erlaubte.

»Sprichst du nicht mehr mit jedem?« fragte Titch grollend, als er nicht antwortete, sondern sich mit zusammengebissenen Zähnen herumdrehte und an Kiinas Seite humpelte.

»Doch«, antwortete Skar. »Ich bin nur verblüfft, daß du mit mir sprichst. Ich unterhalte mich selten mit meinem Frühstück.« Titch fuhr wie unter einem Schlag zusammen. Er wollte etwas sagen, fand aber offensichtlich nicht die richtigen Worte und wandte schließlich den Blick ab. In seinem Gesicht arbeitete es. Skar war sich darüber im klaren, daß er ungerecht war; und daß seine Worte dem Quorrl weh taten. Aber in diesem Moment genoß er beides.

»Er wollte mich nur schützen, Titch«, sagte Kiina. »Es war meine Schuld. Wenn ich... getan hätte, was er sagte, hätten sie ihn nicht geschlagen.«

Titch sah sie nachdenklich an. »Unsinn«, murmelte er. »Und es war sowieso umsonst.« Er kam näher, ohne seine Worte zu erklären, ließ sich vor Kiina in die Hocke sinken und zerbrach den Metallring an ihrem Fußgelenk ohne sichtliche Anstrengung. Kiina sah erstaunt zu ihm auf, machte aber keine Anstalten, sich zu erheben.

»Was soll das?« fragte Skar.

»Im Moment noch nichts«, erwiderte Titch. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme - für den Fall, daß ihr schnell hier heraus müßt. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden. Das Gebäude wird bewacht«, fügte er in bekümmertem Ton hinzu. »Dann bring uns doch in die Küche«, sagte Skar bitter. »Sie werden doch nichts dagegen haben, daß du dir zwei saftige Braten heraussuchst, oder?«

»Ich habe daran gedacht«, antwortete Titch ungerührt. »Aber das Risiko ist zu groß. Wir müssen warten, bis es dunkel ist. Dann bringe ich euch hier heraus. Irgendwie.«

»Und die anderen?«

Titch seufzte. »Bitte, Skar. Du weißt, daß es unmöglich ist. Es sind fast fünfzig Krieger auf dem Hof. Ihr kämt keine zehn Schritte weit.«

»Sie sind also doch hier, um uns zu suchen.«

»Ja«, gestand Titch. »Aber das wußte ich nicht. Und sie sind auch nicht nur euretwegen hier.«

»Warum dann?«

»Es ist die Ehrenwache des Bestimmers«, antwortete Titch. »Bist du jetzt schlauer?«

Skar setzte zu einer Antwort an, aber Titch schnitt ihm mit einer zornigen Geste das Wort ab und stand wieder auf. »Ich muß gehen«, sagte er. »Ich hätte gar nicht kommen dürfen, aber als Cron mir erzählte, was geschehen ist, mußte ich nachsehen, wie es dir geht.«

»Wie edel«, sagte Skar sarkastisch. »Aber völlig überflüssig. Ich bin ganz in Ordnung.« Er kniff sich mit den Fingern in den linken Bizeps. »Siehst du? Festes, gesundes Fleisch. Die paar zerkratzten Stellen kann man abschneiden.«

»Du haßt mich«, sagte Titch leise.

»Hassen?« Skar schüttelte den Kopf. »Nein. Ich... ich kann euch nicht einmal mehr verachten. Ennart hatte recht, weißt du das? Ihr seid Tiere. Ihr wart niemals etwas anderes.«

»Ich verstehe dich«, sagte Titch ruhig. »Du bist zornig, weil ich es dir nicht gesagt habe. Ich hatte Angst davor, Skar. Ich habe gehofft, daß du es nie erfährst. Ich hatte Angst, daß du genau so reagierst, wie du es jetzt tust.« Er schüttelte traurig den Kopf und machte eine Geste zu den anderen Gefangenen, die sich angstvoll vor ihm zurückgezogen hatten. »Glaubst du mir, wenn ich dir sage, daß ich niemals Menschenfleisch gegessen habe?«

»Natürlich nicht«, antwortete Skar bitter. »Du wußtest, daß du eines Tages auf mich treffen würdest, wie?«

»Nein. Ich habe es niemals getan, weil ich es... so schrecklich finde wie du. Es ist entwürdigend. Und es gibt viele, die so denken wie ich.«

»Und das soll ich dir glauben?«

»Hast du jemals Quorrl-Fleisch gegessen?«

Skar starrte ihn an, und plötzlich kam er sich gemein und schäbig vor, Titch auf so niederträchtige Art verdächtigt zu haben. Er wollte sich entschuldigen, aber irgend etwas hinderte ihn daran, und er spürte auch, daß Titch es nicht erwartete. »Genug jetzt«, sagte Titch in plötzlich verändertem Ton. »Ich muß fort. Sobald es dunkel wird, bringe ich euch hier heraus. Ihr unternehmt nichts, ganz egal, was passiert.«

»Auch nicht, wenn sie kommen, um uns zum Essen einzuladen?« fragte Skar freundlich. Er wollte es nicht. Er wußte, wie weh diese Worte dem Quorrl taten, aber etwas zwang ihn dazu, ihn zu verletzen und das Messer immer wieder in der Wunde herumzudrehen. Eine unhörbare Stimme flüsterte ihm zu, daß er auf dem besten Weg war, das letzte bißchen Vertrauen zwischen ihm und dem Quorrl zu zerstören, aber das war ihm gleich, in diesem Moment. Er wollte jemandem weh tun, ganz einfach, weil ihm weh getan worden war, und Titch kam ihm gerade recht. Um so mehr, als der Quorrl nicht in der Verfassung war, sich zu wehren.

Eine endlose Sekunde lang starrte Titch ihn einfach nur an. Dann drehte er sich mit einem Ruck herum und rannte aus dem Verlies.

18.

Es wurde Mittag, Nachmittag und schließlich Abend. Eine Stunde vor Sonnenuntergang kamen zwei Quorrl und brachten einen hölzernen Bottich voller übelriechender Abfälle, auf die sich die Gefangenen voller Gier stürzten, kaum daß die Quorrl ihn abgesetzt hatten. Es kam zu Kämpfen unter den Männern und Frauen, und längst nicht alle bekamen zu essen. Einige wurden verletzt, und einer so schwer, daß er wahrscheinlich sterben würde.

Auch Skar hatte Hunger, aber er bewegte sich nicht von der Stelle. Allein der Gestank, der dem Bottich entströmte, drehte ihm schier den Magen herum, und schon die bloße Vorstellung, sich wie ein wütendes Tier auf das Essen zu stürzen und darum zu kämpfen, erfüllte ihn mit Grauen. Er betrachtete die schreckliche Szene in einem Zustand zwischen Entsetzen und Lähmung. Sein Vorsatz, Cron zu töten, für das, was hier geschah, war fester denn je. Und gleichzeitig fiel es ihm immer schwerer, diese verdreckten, hechelnden, wimmernden Kreaturen als Menschen zu akzeptieren. Er hatte Titch ein Tier genannt, aber diese zwei Dutzend Gestalten hier waren weniger als Tiere.